Papa Joe schrieb am 15.06.2023 21:01:
Tja, da bin ich anderer Meinung. Bin gerade ca. 600km mit dem Rad durch unser Land gefahren und habe den Altbaubestand auf dem Land ausgiebig bewundern dürfen. Da waren jede Menge echte „Schmuckstücke“ dabei, besonders in den östlichen Landesteilen. Viele schöne Asbestplatten sind noch zu sehen gewesen, auch an Fassaden. Da wird eine Außendämmung gleich noch mal „billiger“, weil das Entsorgen ja ne Kleinigkeit ist. Viele Gebäude schön verschachtelt, wurde halt über Generationen immer mal was angebaut. Einfach geht da mal gar nichts, und eben auch nicht billig.
Wer heute ne alte Immobilie anfasst hat mit relativ großer Sicherheit ne tickende Zeitbombe in den Händen. Und nach jeder neuen Verschärfung der Auflagen wird eine ältere Immobilie im Wert immer weiter sinken, bis keiner mehr Interesse hat, sich so was ans Bein zu hängen. Und der ständige Zickzack-Kurs der Bundesregierung (oder der Lobbyisten) sorgt auch nicht gerade für Investitionssicherheit. Was heute noch förderungswürdig ist kann morgen schon verboten sein und das wissen natürlich auch Kreditgeber. In Kombination mit Ü70 wird es dann schwierig, egal ob man seine Seele äh Hypothek dafür als Garantie einsetzt.
Okay, verstehe. Ich mach mal 2 Beispiele:
A) 60-Jähriger macht nichts, spart sich die Modernisierung, weil es sich für ihn nicht mehr rentieren wird. Haus ist jetzt 200k wert, aber später zum Verkaufszeitpunkt nur noch 150k, weils eben Sanierungsstau hat. Der nächste Käufer preist es ja ein, was ihm mit der Bude noch bevorsteht. Er muss aber umrüsten. Das ist zur Zeit der default. Wer eine alte Bude kauft, saniert erstmal dran rum. Kennt man ja. Der Veräufer ist doppelt dumm dran, weil seine Bude Werverlust hatte, eine Modernisierung sich für ihn nicht rentierte und er hatte viele Jahre auch noch hohe Energiekosten. Blöd.
B) Der 60-Jährige bekommt die Möglichkeit mit der Energiesanierungs-Hypothek für 50k (als KfW-Kredit, zinsgünstig, Rückzahlphase beginnt frühestens bei Hausverkauf oder blubbert auf niedrigem Niveau, wird mitvererbt bzw mitverkauft). Staat schießt noch, hmm, 30k Förderung für die Maßnahmen hinzu. Das Haus wird also tiptop gemacht, der Mann spart ab dann sofort Energiekosten, risikofrei. Für ihn hat es sich also sofort amortisiert und die Maßnahmen wurden nicht verzögert. Das Ziel ist ja, die Häuser schnell und sozialverträglich umzurüsten ohne die Leute übermäßig zu belasten.
Der eigentliche Rückzahler wird der spätere Hauskäufer sein! Die Bude ist jetzt 200k wert, weil sie energetisch fit ist (Beispiel A war 150k). Aber es hängt noch der 50k-Kredit dran, den er übernimmt. Also zahlt er nur 150k fürs Haus und über die Kreditrückzahlphase nochmal 50k (plus etwas Zins, KfW-günstig). Aber er hat ein tippitoppi-Haus gekauft ohne Stau.
B ist doch toll. So kann der ältere Mann seinen latenten Besitz (das Haus) in einen für ihn nützlichen Wert, also das Energiekostensparen nach Energiesanierung, wandeln. Und der Käufer bekommt ein gutes Haus. Und die Modernisierung geschah zeitnah anstatt erst beim Verkauf - also zeilführend.
Da bin ich doch eher für eine „Abwrackprämie“, der Staat ersetzt mir den aktuellen Marktwert des Gebäudes plus die gezahlte Grundsteuer und ich lass abreißen und baue direkt neu. Das Gebäude ist dann auch, zu mindestens für ein paar Jahre, im Bestandsschutz.
Das wäre eine Einelfallentscheidung. Es dürften nur Gebäude abgewrackt werden, bei denen alle Sanierungsaufwände so groß wären, dass ein Neubau bzgl Ressourcen, CO2 und co besser ist. Oder Gebäude, die eh schon einem Totalschaden gleich kommen. Da muss man ja mit laaaangen Zeiten rechnen. Bauen verschlingt ja auch so einiges. Und neuer Beton ist halt eine fette Sünde.
Ich finds nicht sinnvoll, dass der Staat dem Käufer den Marktwert erstattet, wenn er es doch kaputt macht. Grundstücke mit abreißfertigen Buden drauf sind doch schon billiger weil der Käufer den Abriss mit einplant.
Ich garantiere, dass die Mehrheit der „unmotivierten älteren Herrschaften“ einen CO2 Fußabdruck über ihr gesamtes Leben hat, den wir kaum unterbieten werden!
Weißnet.. An der Sache, dass die sogenannten "Boomer" ordentlich groß gestapelt haben, und uns jetzt einen Umwelt-, Klima-, Müllberg und Ressourcenmangel"kredit" hinterlassen, da ist doch was Wahres dran. Der wird gerade langsam fällig. Ist ja schön, dass diese Boomergeneration ganz viel Wirtschaft und Industrie und "Werte" erschaffen haben. Aber wenn man mal genau hinguckt: Es ist viel "Falsches" dabei. Große Buden, dicke Autos, Pendlerkultur, verschwundene lokale Produktionsketten, verzögerte EE-Wende, viele Straßen, teure Infrasteuktur, schädliche Globalisierungseffekte.. Soll jetzt keine Schubladenkritik sein. Dieser Irrweg ist weltweit in westlichen Ländern so passiert.
Ich bin fast davon überzeugt, dass ein intrinsisch motivierter Kulturwandel weg vom "Wachstum" und weg von der "großen Industrie" ein Weg sein kann. Näher, kleiner, genügsamer, langsamer. Lieber Agrar statt Lifestyle, lieber die Leute mit Pflege, Bildung und Gesundheit statt mit vermeintlichem Wohlstand beschäftigen.
Frage dich, woran es fehlt. Fehlts etwa an Autos, Handys, Fernsehern, Klamotten, Flugreisen und Straßen? Oder fehlts eher an Zeit, Gesundheit, guten Lebensmitteln, Ruhe und Lebensqualität? Das sind 2 komplett gegensätzliche Blöcke. Der für uns nützliche Block ist der, der im Kapitalismus als Kostenfaktor betrachtet wird. Das ist der Boomer-Fehler.
Was definitiv auch fehlt, sind günstige, kleine, einfache Wohnräume. Studenten suchen sich die Füße platt nach teuren 1ZKB's, was die aber brauchen, wäre eine Schlaf-Wohnmodulcontainersammlung direkt neben der Uni mit Gemeinschaftsküche, Lernkammern und Gemeinschaftswaschräumen. Rentner können sich Mieten nicht mehr leisten, auch da fehlen günstige Lösungen. Währenddessen googeln Leute nach "Erstwohnsitz Kleingarten", "dauerhaft im Wochenendhaus wohnen", "Gartenhaus zum Wohnen" oder "wie lange darf ich im Wohnmobil bei Freunden auf dem Grundstück leben?"... Es ist auch nicht möglich, ein alltsgsfähiges DIY-Elektroauto aus E-Roller und Fahrradteilen legal auf den von uns finanzierten Straßen zu bewegen. Nichteinmal auf Feldwegen. 30km/h-Elektroquad gebaut = Bein im Knast. Und TÜV sagt eh nö. Weißt schon worauf ich raus will. Es sind eine Menge Zustände zementiert, die eine Rückbesinnung verunmöglichen. Tiny-House-Vorhaben scheitern an Baustandards, Flöchennutzungsplänen, Anschlusspflichten und Bauvorschriften. Dabei will man doch nur genügsamen und effizienten Lebensraum schaffen. Das muss echt mal aufgebrochen werden.
Zur intrinsischen Motivation: Warum empfinden wir Urlaub im Süden in einem einfachen, kleinen mediterranen Bruchstein-Ferienhäuschen so erholsam? Und dort dieses ursprünglich-rustikale Abendessen mit frisch gebackenem Brot und lokalen Bauernspezialitäten so wohltuend, aber hier kaufen wir Plastikgemüse im Supermarkt aus Spanien? Warum gehen wir gerne Campen und latschen auf dem Campingplatz mit der Spülschüssel voller Geschirr zum Sanitärhäuschen? Zu Hause gibts doch die topmoderne Spülmaschine! Warum sitzen wir gerne im Urlaub auf der Campingparzelle im Klappstuhl unter den Kiefern, aber daheim muss der Garten aussehen wie im Baumarktprospekt?
Sry, werde ausschweifend. Großer Themenkomplex.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (15.06.2023 23:00).