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  • step

mehr als 1000 Beiträge seit 05.03.2000

Wie war das denn eigentlich früher?

Ich hab in den 80er Jahren viel als Rodie gearbeitet, da hat man sich immer mal irgendwie verletzt: Gestoßen, gequetscht, geklemmt, geprellt, geschnitten, gebrochen, ist beispielsweise mit der Hand in einen Kettenzug gekommen, über irgendwas gestürzt, von der Bühne gefallen, Hexenschuss, beim Multicore einholen in Glasscherben gefasst - was auch immer: Häufig war es nicht soooo schlimm, aber manchmal war es eben Scheiße, da hat man sich zur Notaufnahme geschleppt oder ist von Kollegen dahin angeliefert worden. Da hat man an der Aufnahme geschildert, was passiert ist, hat dann so fünf bis zehn Minuten gewartet, dann kam ein Arzt und hat sich um die Verletzung gekümmert: Manchmal war Röntgen notwendig, dann ist man nachts durch ein fast menschenleeres Krankenhaus gelatscht bis zur Röntgenabteilung, da wusste man schon Bescheid und man war sofort dran, mit den entwickelten Bildern ging man zurück zur Notaufnahme, Minuten später saß man wieder im Behandlungsraum und hörte vom Arzt mehr zu sich selbst als zu mir "...hab ich doch richtig gesagt: gebrochen!" oder "na, nichts Schlimmes, das merken sie in paar Tagen gar nicht mehr." oder "Na schön, wir sehen uns in den nächsten Tagen öfter, sie kommen auf Station". Das war in Berlin und in anderen Großstädten und auch in der Pampa so, selbst im Hunsrück ist man an einer elf Zentimeter langen Schnittwunde im Unterarm nicht gestorben.
Irgendwann Ende in der Neunziger hatte ich mit meiner Ex dann auch Kinder und da waren wir gelegentlich auch mal in der Notaufnahme, vielleicht zwei, drei Mal, wegen drastischem Fieber, Ausschlag und Atemnot. Es war immer einfach, es ging schnell, es war unproblematisch und freundlich. Ich hatte mich um 2005 rum mal verletzt, mir beim Toben mit den Kindern auf einem Holzspielplatz einen riesigen Holzsplitter unter den Daumennagel getrieben, die Frau sagte "Oh Gott, nee, ich kann das nicht, geh zum Notarzt!" Dann bin ich da am Sonntag Abend hingelatscht, die haben das desinfiziert, den Splitter gezogen, das verbunden, es hat vom Reinkommen bis zu Rausgehen vielleicht 10 Minuten gedauert, ohne Krankenkassenkarte war ich Selbstzahler, das hat irgendwas um die 17 Euro gekostet.
2016 hatte meine Ex einen akuten Allergieschock, da haben wir in der Notaufnahme mehrere Stunden gewartet, bis eine Ärztin sich mit ihr beschäftigte und dann wurde ihr gleich mal ein Mittel getropft, gegen das sie allergisch ist. Man kann es sich nicht schlimmer ausmalen!

Kann mir mal bitte jemand erklären, was sich im Detail in der Zeit von 1980 oder von 2005 bis heute so einschneidend geändert hat, dass für einen Normalbürger die Notaufnahme keine Hilfe mehr ist? Wir zahlen mehr Krankenkassenbeiträge. Die Pflege, früher war das ein Teil der Krankenversicherung, ist in die separate Pflegeversicherung ausgegliedert worden, trotzdem wurden die Beiträge zur Krankenkassen nicht gesenkt. Zuzahlungen zu Rezepten und Behandlungen kenne ich erst seit der 2000er Jahren. Bei jedem Facharzt wird dir inzwischen bei der Terminvereinbarung gesagt: "Als Selbstzahler in sechs Wochen, als Kassenpatient in acht (elf oder vierzehn) Monaten. Mehr Beiträge, keine Termine, weniger Leistung. Wir zahlen hier ohne Ende für Leute, die (frei nach der Küchenhilfe Katrin Göring-Eckardt) hier hergekommen sind, um es sich in unserem Sozialsystem gut gehen zu lassen und für uns hat dieses von uns bezahlte System kein Geld mehr!

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