Eine wunderbare Idee, endlich nicht mehr Bank-Karte,
Krankenversicherungskarte, Scheckkarte und Ausweis mit mir rumschleppen
- eine Karte und alles ist erledigt.
So dachte ich denn, stellte mich an den Schalter, in freudiger
Erwartung der Multifunktionskarte und nahm mit vor Erregung zitternden
Händen jenes Stück Kunststoff entgegen, das mein Leben
grundlegend ändern sollte.
Meine "Bürgerkarte".
Schon am nächsten Tag erwies sich die kleine magische Karte in
meiner Hosentasche als wahrer Segen. Keine ausgebeulten Jackettaschen
mehr, kein Kartenwirrwarr.
Ob ich mir das neue Sakko leistete, meinen Hausarzt wegen des Ekzems an
der Nasenspitze aufsuchte oder aber bei der Stadtverwaltung
zusätzlich zu der grauen Restmülltonne noch eine Papiertonne
anfordern wollte da die hiesigen Papiercontainer stets zwischen 10 und
14 Tage auf eine Leerung hoffen durften, immer war es dieses kleine
Stückchen Plastik, das mir weiterhalf.
Glücklich und zufrieden ging ich denn meiner Wege und entschloss
mich in meiner Euphorie, ein wenig meines selbstverdienten Geldes zu
einem kulinarischen Höhepunkt umzuwandeln - sprich Sabrina
einzuladen.
Sabrina, jenes entzückende, recht anspruchsvolle Wesen, welches
meine ausgebeulten Jackett-Taschen stets mit hochgezogenen Augenbraugen
quittierte.
Ihr Tonfall war denn auch ein wenig distanziert als ich sie einlud, mit
mir zu speisen, mein mysteriöser Kommentar: "Ich habe mich
gebessert, was die Taschen angeht" weckte aber doch den weiblichen
Drang, Geheimnissen auf den Grund zu gehen.
Und so erschien Sabrina denn auch, wie immer eingehüllt in eine
Wolke teuersten Parfums. Mein neues Jackett entlockte ihr ein
halbherziges "nett", die Tatsache, dass ich nunmehr eine
Bürgerkarte hätte, entlockte ihr weit mehr:
"Das ist ja phantastisch" hauchte sie. "Man spart soooo
viel Schlepperei." Insbesondere da sie meistens eine Menge
Kosmetika mit sich herumtrug artete ihr Handtäschchen meistens
wirklich in eine "Schlepperei" aus.
Nichtsdestotrotz schritten wir gemeinsam in das stilvolle Ambiente
unseres gemeinsamen Lieblings-Japaners.
Das Essen war vorzüglich wie immer und als sich Sabrina, wie
immer, nach dem Wein aufmachte, ihr Make-Up zu kontrollieren, beschloss
ich, unauffällig die Rechnung zu begleichen. Dezent schob ich also
dem wie immer hold lächelnden Kellner meine Bürgerkarte hin,
ebenso dezent schob er sie durch seinen Scanner.
Und ebenso dezent schob er sie mir wieder zu. "Ich bedaure...aber
die Karte wird abgelehnt."
Leicht irritiert wiederholten wir den Vorgang des Schiebens, leider
erfolglos. Und so griff ich ein wenig indigniert in mein Sakko...nun
gut, ich würde eine meiner anderen Kreditkarten nutzen. Als meine
suchenden Finger jedoch außer dem Stoff des neuen Designer-Sakkos
nichts fanden, erbleichte ich. Eine Karte! Ich hatte nur noch eine
Karte.
Vergebens versuchten sowohl der Kellner als auch ich, uns zu
verständigen. Der Versuch, meine Schwester zu erreichen
scheiterte, da mein Handy nur mit der Bürgerkarte statt einer
Pre-Paid-Karte lief. Vergebens suchte ich nach einem Ausweg.
Sabrina, inzwischen frisch wie der junge Tag zurückgekehrt, warf
mir irritierte Blicke zu, worauf ich, inzwischen von der Gesichtsfarbe
her zu einer Tomate mutiert, ihr meine Lage gestand. Sabrinas Blick
hätte nunmehr selbst einen Becher Glühwein in einer
Millisekunde vereist, sie klappte ihr Handtäschchen auf und zog
ihrerseits die wunderbare Bürgerkarte heraus.
Mit stoischem Gesichtsausdruck wurde auch diese durch den Scanner
gezogen. Das Ergebnis ähnelte meinem: "Ich bedauere..."
In dem darauffolgenden Handgemenge kam es zu kleineren Verletzungen und
einem Schädeltraume meinerseits, ich hoffe, ich bleibe lange genug
bei Bewußtsein bis die Sanitäter hier sind...meine
Blutgruppe und meine Allergien stehen ja auf der Karte. Während
meine Augen langsam zufielen, sah ich eine kleine Schrift am Rand der
Karte, die ich bisher nicht beachtet hatte:
"Bevor Sie diese innovative Bürgerkarte das erste Mal
benutzen, lassen Sie bitte Ihre Daten bei der folgenden Hotline
freischalten..."