Zappelpappel schrieb am 23.12.2024 14:35:
Aber wie sieht eurer Meinung nach eine gerechte und humane Art der Reaktion auf ein unmenschliches Verbrechens aus? Etwa dem Attentat in Magdeburg? Wie soll eine solche Tat....gesühnt, beantwortet .... verhindert.. werden?
Ein Mord kann gar nicht adäquat gesühnt werden.
Ein Mehrfachmord erst Recht nicht.
Gerechtigkeit ist in solchen Fällen von vornherein unmöglich; man kann sich die Überlegungen, wie das denn gerecht beantwortet werden soll, gleich sparen, denn es geht einfach nicht.
Aber die Strafe hat ja andere Wirkungen:
- Abschreckung. Die Aussicht auf Gefängnis verhindert immerhin, dass sich jemand überlegt, ob er nicht für übermorgen Lust hat, auf dem Weihnachtsmarkt ein kleines Massaker anzurichten. Es gibt ja die (gefühlt) 5% Psychopathen, die das damit verbundene Leid nicht berücksichtigen, und selbst wenn 9.999 Psychopathen einfach wegen gesellschaftlicher Erwartungen keinen Massenmord machen, behindert es den einen unter 10.000, tatsächlich was anzurichten.
- Gelegenheit für den Täter, sich anders zu orientieren. Das ist das, was man mit Resozialisierungsprogrammen versucht, und sie wirken nicht in allen Fällen, aber doch in vielen, und das senkt die Häufigkeit, dass jemand wieder so einen Scheiß baut.
Also weniger in diese Gedankenschleife reingehen, dass das alles GANZ FURCHTBAR IST und ETWAS GESCHEHEN MUSS, aber sich nichts Sinnvolles anbietet.
Das ist sogar richtig gefährlich. Ist man mal länger in so einer Gedankenmühle drin, findet man nur schwer wieder raus, und aus lauter Verzweiflung fängt man irgendwann an, sie die Realität oder die Maßstäbe von Angemessen oder Sinnvoll zurechtzubiegen, und ein gewisser Prozentsatz solcher Leute (zum Glück ein kleiner) macht dann einen anderen Massenmord.
Stattdessen darüber nachdenken, wie man die Häufigkeit solcher Verbrechen senken kann.
Ganz auf Null - das hat man versucht, aber dabei ist nie was Brauchbares rausgekommen. Selbst mit Totalüberwachung kriegst du die Rate nicht völlig auf Null, aber Totalüberwachung ist selbst höchst missbrauchsanfällig.
Und akzeptieren, dass das Leben manchmal Scheiße ist.
Bei uns um die Ecke ist vor zwei Jahren ein kleiner Junge auf dem Tretroller über die Straße geflitzt, direkt vor einen LKW. Kind tot, eine Woche später eine herzzerreißende Sammlung von Kerzen, Andenken und selbstverfassten Texten von Schülern seiner Grundschulklasse. Ich hab geheult.
Aber diese Dinge geschehen, und wenn wir die Kinder wegsperren, damit sowas nicht passiert, verhindern wir ihre geistige Entwicklung (das Hirn braucht Bewegung, um sich richtig zu verdrahten).
Also muss ich trotz dieses erschütternden Erlebnisses akzeptieren, dass diese Sorte Unfall immer wieder geschehen wird, und jedes Mal werden Eltern und Freunde am Boden zerstört sein, manche lebenslang traumatisiert. Aber es lässt sich nicht verhindern. Nicht völlig. Nicht ohne die Menschheit vollständig zu verhaustieren.