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  • Leser2015

483 Beiträge seit 19.11.2015

Was genau kommt in diese elektronische Patientenakte und wozu?

Sorry, aber der vorliegende Artikel der geschätzten Autorin ist für Personen ohne Vorkenntnisse inhaltlich wirklich zu dünn; unklar bleibt etwa, wer und wie genau welche Daten jener neuen elektronischen Patientenakten (ePA) auslesen wird. Und zumindest ich verstehe nicht einmal den Zweck dieser Datensammlung.

Gemäß des Gesetzentwurfs (https://dserver.bundestag.de/btd/20/090/2009046.pdf) für ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) werden wohl viele Gesundheitsdaten einer x-beliebigen Person bei dessen Krankenkasse auf irgendeinem Server liegen, auf den dann ausschließlich online ein gesundheitsinteressengeleiteter Berechtigtenkreis Zugriff hätte. Wer auf was, wozu und wie lange genau? Laut SZ bekäme die betroffene Person selbst kein Speichermedium, sondern höchstens eine Smartphone-App und »Menschen ohne Smartphone könnten ihre ePA in ausgewählten Apotheken einsehen« (https://www.sueddeutsche.de/politik/bundestag-was-bringen-das-e-rezept-und-die-e-patientenakte-fuer-alle-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-231214-99-290676).

Muss tatsächlich das gesamte Personal einer Apotheke oder zum Beispiel einer Zahnarztpraxis über dort jeweils völlig irrelevante Gesundheitsdaten einer Person, etwa hinsichtlich deren Impfstatus oder gar einer Krebsdiagnose durch einen Facharzt, Kenntnis erhalten können? Das geht doch solche Leute nichts an! Und wird derartiges Wissen widerrechtlich im Bekanntenkreis weiterverbreitet, so sieht der Gesetzesentwurf auf Seite 18 im Rahmen eines bloßen Antragsdelikts eine geringere Maximalstrafe vor als bei mancher Beleidigung, nämlich Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

Die besonderen Ziele des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes (GDNG) werden in diesem oben verlinkten Entwurf übrigens auf Seite 34 sehr allgemein dargelegt:

– dezentral gehaltene Gesundheitsdaten leichter auffindbar zu machen sowie bürokratische Hürden für Datennutzende zu reduzieren,

– die im Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ Gesundheit) vorliegenden Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenkassen breiter und schneller nutzbar zu machen,

– die Verknüpfung von Gesundheitsdaten zu erleichtern,

– die Verfahren zur Abstimmung mit Datenschutzaufsichtsbehörden zu vereinfachen und gleichzeitig den Gesundheitsdatenschutz zu stärken,

– umfassende und repräsentative Daten aus der elektronischen Patientenakte (ePA) für die Forschung bereit zu stellen,

– den gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen die stärkere Nutzung ihrer eigenen Daten zur Verbesserung der Versorgung zu ermöglichen.

Anscheinend geht es vor allem um Forschungszwecke und weitere im Gemeinwohl liegenden Zwecke (vgl. Seite 1 des Entwurfs), jedoch weniger um die Gesundheitsversorgung auf der Ebene einzelner Personen. Warum unterstützt man nicht alle Versicherten lediglich dabei, selbst eine Akte anzulegen, über die sie dann nach eigenem Ermessen frei verfügen könnten? Beispielsweise ich habe all meine eigenen Gesundheitsdaten zumindest der letzten zwanzig Jahre, vor allem Labordaten und Befundbriefe, in einem etwa 10 MB großen Archiv digitalisiert, das ich bisher nur meiner Hausärztin überließ, um sonst niemanden unnötig zu verwirren.

Gerade Facharztpraxen sollten sich möglichst vorurteilsfrei auf eine konkret anstehende Untersuchung und nicht die gesamte Krankengeschichte konzentrieren, während dann alle Informationen zwecks Gesamtüberblick bei der Hausarztpraxis des eigenen Vertrauens zusammenlaufen müssen. Sicherlich unbeabsichtigt könnte das neue Gesetz auf Facharztpraxenebene zu einem erheblichen Mehraufwand führen, weil es zur Vermeidung denkbarer Sorgfaltspflichtverletzungen bei Unkenntnis der elektronischen Patientenakte in jeder neuen Praxis eine umfangreiche Anamnese erzwingen sollte.

Und ob die bloßen Krankenkassendaten für konkrete Forschungsprojekte überhaupt ausreichen, kann man durchaus bezweifeln; bestenfalls findet man so leichter geeignete Probanden für eine neue Studie. Jedenfalls in meinen Augen wird dieses neue GDNG den Datenschutz auf der Ebene jeder einzelnen Person stark untergraben oder sogar völlig aushebeln, ohne im Gegenzug deren Gesundheitsversorgung konkret zu verbessern.

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