Mr.Hardware schrieb am 20.12.2024 12:53:
Ich denke, bei der Bewertung der sozialen Gerechtigkeit wird die Rolle der sozialen Ungleichheit überschätzt. Schon John Rawls - der mit Fug und Recht als "liberal" im Amerikanischen Sinne bezeichnet wurde - hat in seiner Theorie der Gerechtigkeit die zwei wichtigen Prinzipien beschrieben, die die Grundpfeiler der Gerechtigkeit bilden: Eine möglichst gute Absicherung im "Worst Case" (Maxi-Min-Prinzip) und eine Gleichverteilung der Chancen in einer Gesellschaft.
Und genau bei letzterem hakt es doch in Deutschland: Wer bei Lidl 40h/Woche an der Kasse sitzt, verdient netto ein paar hundert EUR mehr, als jemand der zu Hause mit Hartz-IV vor dem Fernseher abhängt. Die Chancen durch Sparen oder Überstunden seine Lage zu verändern liegt bei praktisch Null. Ein Eigenheim ist komplett unerschwinglich. Ein Neuwagen unbezahlbar. Und die Möglichkeit der Reisefreiheit bleibt theoretisch, weil der Sommerurlaub im Süden während der Ferien für eine ganze Familie leicht nördlich der 5000,- EUR Grenze liegt.
Dass Mr. Hardware beim Begriff der Chancengleichheit augenscheinlich als erstes an den Erwerb materieller Güter denkt, sollte vielleicht wenig überraschen.
Es bleibt jedoch korrigierend darauf hinzuweisen, dass dieser Begriff eher in eine ganz andere Richtung zielt. Mal bewußt provokativ gefragt: kann es ein Zufall sein, dass man auf Gymnasien und nachfolgend Universitäten überdurchschnittlich viel Nachwuchs vergleichsweise wohlhabender Mitbürger findet?
Das ist die Richtung, in die der Begriff "Chancengleichheit" eigentlich geht - Chancen für das eigene Leben, Chancen zur persönlichen Entwicklung und Entfaltung. Weniger geht es um Chancen zum Erwerb von Luxusgütern.
Soll Elon Musk doch seine 400.000.000.000 USD verdoppeln oder verzehnfachen. Darin besteht nicht die Ungerechtigkeit, sondern in der Tatsache dass die geringen Einkommen trotz Fleiß und Einsatz für immer oberhalb nur knapp oberhalb des Existenzminimums bleiben.
Und könnte man die Ursache ebendafür nicht genau in der Tatsache sehen, dass, um beim Beispiel zu bleiben, am Ende schlicht zu viel Geld bei Herrn Musk landet, und zu wenig bei denen, die es für ihn erarbeiten?
Das ist ganz ausdrücklich KEINE Neid-Debatte, sondern eine völlig wertfreie Fragestellung.
Aber das zu ändern ist keiner bereit: Den die Schmarotzer unserer Gesellschaft sind nicht die Elon Musks und Jeff Bezos, sondern der überbordenden Aparat an Apparatschiks im Staatswesen, bei den Sozialkassen, den Ämtern, den Berufsgenossenschaften, Handelskammern etc. pp. Sie sind diejenigen, die von diesem System profitieren.
Völliger Unsinn. Diese Menschen arbeiten ebenso wie Kassierer, Taxifahrer oder Softwareentwickler für ihr Geld. Und profitieren davon auch nicht mehr oder weniger.
Sie sind diesigen, die wortwörtlich der Lidl-Kassierin 50% ihres Bruttolohns wegnehmen und von diesem Geld leben.
Ganz sicher nicht.
Diese Menschen nehmen weder der Lidl-Kassiererin noch irgend jemand anderem etwas weg. Schon gar nicht, um das dann auch noch in die eigene Tasche zu stecken.
Und sie sind diejenigen, die an den Schalthebeln unserer Gesellschaft sitzen, gaaaaaanz sicher zu stellen, dass sich an diesem System nichts ändert.
Ich denke, dieser "Schaltmechanismus" ist ein ganzes Stück komplexer, als Du es Dir momentan vorzustellen scheinst. Und ganz sicher spielen da auch umfangreiche Kapitalvermögen eine nicht zu unterschätzende Rolle
Aber das Fingerzeigen und der Neid aus die Elon Musks dieser Welt gehört zum System:
Nicht jedes Zeigen auf Musk und nicht jede Frage nach umfangreichem Vermögen ist automatisch ein Zeichen für Neid. Aus meiner Sicht belegt das (durchaus nicht nur) der hier vorliegende Artikel bemerkenswert deutlich.
Es soll davon abgelenkt werden, wo das Geld wirklich hingeht und wer am meisten davon profitiert.
Naja, eine vergleichsweise kleine Gruppe, die immer und immer reicher wird, während eine vergleichsweise große Gruppe mit jedem Cent rechnen muss, sprechen da in meiner Wahrnehmung auch eine so deutliche Sprache, dass man diese weder ignorieren noch reflexartig zur Neiddebatte abstempeln sollte.
Es ist ein Teil unserer Welt - und da muss die Frage legitim sein, ob man diesen Teil, so wie er ist, als grundsätzlich legitim betrachten möchte oder nicht.
Die Bourgeoisie ist nicht mehr der Unternehmer. Es sind die Beamten und Staatsbediensteten, die über die arbeitendenen Klasse und die Unternehmer gleichsam herrschen und beide zum eigenen Vorteil ausbeuten.
Die Beamten und Staatsbediensteten werden sich vielleicht geschmeichelt fühlen, in den Stand von Großbürgern und -kapitalisten erhoben zu werden - jedoch mit der Frage zurück bleiben, warum es um ihre Vermögen so vergleichsweise sparsam bestellt ist.
Mit anderen Worten: frische doch bitte Deine Kenntnisse über den Begriff der Bourgeoisie auf, bevor Du weiter damit um Dich wirfst. Augenscheinlich hast Du da einiges grundlegend mißverstanden.