Ansicht umschalten
Avatar von Klongeiger
  • Klongeiger

496 Beiträge seit 02.01.2016

Re: Nicht Ungleichheit macht krank, sondern Neid

Mr.Hardware schrieb am 20.12.2024 19:06:

Klongeiger schrieb am 20.12.2024 15:43:

Die größten Problem der Gesellschaft entstehen nicht durch den bloßen Besitz einiger weniger, sondern durch die „Notwendigkeit“ diesen Besitz weiter auszubauen oder doch zumindest zu erhalten.

Das führt bei endlichen Ressourcen eben dazu, dass Kapitalanlagen diese binden. Wenn ein einziger Mensch 100 Häuser besitzt, dann haben eben 99 keines. Und selbst wenn er diese vermietet, dann führt die Gewinnmaximierung eben zu untragbaren Mieten.

Und da liegt Dein Denkfehler. Warum kann nicht einer 100 Häuser besitzen und die anderen 99 jeder eins? Umgekehrt ist es doch richtig: Wenn die 99 schon ein Haus hätten, würde den 100. kein einziges Haus bauen, weil es keine potentiellen Mieter gebe. Er baut die Häuser wortwörtlich, damit die 99 ohne eigenes Haus darin wohnen können.

Wenn jeder ein Haus hätte bräuchte es keine Mieter. Und ich bitte doch darum, meinen Kommentar vollständig zu lesen, bevor man Gegenargumente findet. Es war ja eben nicht die Rede davon, dass Häuser für die Vermietung gebaut werden (dann würden wenigstens welche gebaut), sondern dass bestehende Häuser als Kapitalanlage gekauft und nicht vermietet werden. Das ist nämlich aufwendig, führt zu Wertverlust durch Abnutzung und Streitigkeiten mit den Mietern. Die wollen nämlich funktionierende Heizungen, saubere Nebenkostenabrechnungen und fordern ihre gesetzlich vorgeschriebenen Mieterrechte ein. Als Kapitalanlage ist die Wertsteigerung der Gebäude und des Baulandes mehr als ausreichend, um auf die Mieteinnahmen zu verzichten.
Übrigens baut auch ein potentieller Vermieter keine Häuser für die Mieter, sondern für die Miete.
Und die muss dann nicht nur die laufenden Kosten decken, sondern auch Baukosten, Instandhaltung und natürlich Gewinne für die Vermieter.
In den USA gibt es Software, die anhand der Kreditverhältnisse, Gehaltseingängen und anderer höchst privater, aber eben käuflicher Daten automatisch das absolute Maximum an Miete festlegt, die ein gegebenes Individuum leisten kann. Und da sich alle Vermieter dieser Software und der zugrundeliegenden Datenbank bedienen hilft der "freie Markt" hier auch nicht. Für mich klingt das stark nach illegalen Preisabsprachen, ist aber scheinbar legal. Das wäre bei uns zwar (noch) nicht möglich, ist aber meines Erachtens nur eine Frage der Zeit.

Das gleich gilt für Firmenbesitz. Wenn aktiengehandelte Unternehmen ihre Firmenpolitik nach dem Prinzip des Shareholder Value führen, dann kommen die Interessen der Arbeiter und Angestellten der Firma immer an zweiter Stelle. Die sind aber für das eigentliche Wohlergehen des Unternehmens viel wichtiger als Aktionäre, deren einziger Beitrag (wenn die Aktien wirklich gehalten wurden) die Anfangsfinanzierung war. Ich würde deswegen dafür plädieren, dass Aktien bei ihrem Verkauf das Stimmrecht und/oder den Anspruch auf Dividenden verlieren. Ziel muss dabei sein, dass die Anteilseigner ein Interesse an der langfristigen Gesundheit der Firma haben, statt kurzfristige Gewinne zu realisieren.

Ja, genau. Anstatt die Unternehmensgewinne an die Geldgiereigen Aktionäre auszuschütten, sollte es direkt in der Firma reinvestiert werden, um den Wert der Unternehmung und damit auch den Wert der Aktien zu steigern. Ich weiß nicht, ob diese Strategie einen Namen hat, aber "Shareholder Value" scheint mir ziemlich passen... Ist der noch frei?

Die Antwort zeigt genau die Sorte an Unverständnis gegen die ich argumentiere. Wenn Shareholder Value in der genannten Weise verstanden würde, dann wäre das nicht zu beanstanden. Das war vermutlich auch die ursprüngliche Intention dieses Ansatzes. Das Verständnis ist aber nicht mehr so.
Es ist für den Aktienkurs einer Firma beispielsweise fördernd, die laufenden Kosten der Firma zu reduzieren. Klingt logisch. Die laufenden Kosten sind aber maßgeblich die Gehaltskosten der Mitarbeiter und die damit verbundenen Sekundärkosten für Arbeitssicherheit, Büroraum und Nebenkosten wie Arbeitgeberbeiträge für Sozialversicherungen (in den USA: betriebliche KV, bezahlter Mutterschutz und diverse andere Annehmlichkeiten, die wir hier für gegeben ansehen). In der Folge gehen die Kurse jedesmal nach oben, wenn erfolgreich Mitarbeiter entlassen werden. Das folgt ganz der kapitalistischen Logik: Gewinne steigern, Kosten senken.
Wer die Produkte dann noch kaufen soll, wenn zunehmend Menschen arbeitslos werden fragt sich dabei scheinbar niemand. Wer die dadurch steigenden Kosten für die Sozialleistungen noch bezahlen soll, wenn immer weniger Menschen durch Einkommenssteuer einzahlen offenbar auch nicht. Die Reichen werden also immer reicher, weil sie auf Kosten der produktiv arbeitenden Bevölkerungsteile immer mehr des erwirtschafteten Geldes horten. Das ist die von Marx prognostizierte Konzentration des Kapitals. Die beobachten wir gerade.
Jetzt könnte man das Argument ja mal auf die Spitze treiben: da die Einkommenssteuer progressiv ist wäre es am sinnvollsten, wenn ein einziger Mensch im Land alles Geld verdienen würde. Der müsste dann nämlich fast durchgehend den Spitzensteuersatz zahlen und hätte auch nur ein einziges Mal den Freibetrag, damit sollten die Steuereinnahmen maximiert sein. Alle anderen bekommen das Geld für ihren Lebensunterhalt in Form von Sozialleistungen aus den dann maximierten Steuereinnahmen.
Es zeigt sich allerdings, dass wegen der zahllosen Steuerschlupflöcher gerade die Superreichen proportional deutlich weniger Steuern bezahlen als ihre Angestellten.
Warren Buffet hat mal gesagt, dass er prozentual weniger Steuern bezahlt als jeder Mitarbeiter in seinem Büro. Das wurde auch von Factcheckern gegengerechnet (basierend auf der nicht überprüfbaren Angabe von Buffet selber, dass seine Steuern 17,4% ausmachen). Unter der Annahme, dass Buffet die Mitarbeiter in seinem Büro vermutlich ziemlich gut bezahlt wurde die Aussage als korrekt bewertet. Wie kann das sein?
Weil Gewinne auf Kapitalanlagen pauschal besteuert werden im Gegensatz zur Einkommenssteuer, die eben progressiv mit dem Einkommen steigt. Oder einfacher ausgedrückt: wer gar nicht arbeitet, sondern einfach nur Geld hat und dieses halbwegs clever anlegt, der zahlt auf die Gewinne 25%. Auch wenn diese in Millionenhöhe liegen. Im Gegensatz dazu liegt der Spitzensteuersatz bei 45%. Unser Steuerwesen belohnt es also, nicht berufstätig zu sein sondern sich auf seinem Geld auszuruhen—wenn man denn nur genug davon hat.

Andere Kapitalanlagen sind ähnlich unsozial: Grundbesitz, Zinsen, Kunstsammlungen, Edelmetalle. Sie alle entziehen der Allgemeinheit wichtige Ressourcen, um den Interessen des Besitzenden zu dienen.

Entscheidend ist hier aber die Dimension: wenn Oma Hedwig ihr Erspartes in einem Schrebergarten anlegt, den sie selber pflegt und mit der Ernte Speisekammer und Rente aufbessert, dann ist das konstruktiv.

Wenn Multimilliardär Horst hingegen alle Schrebergärten aufkauft um sein Vermögen langfristig zu parken, diese dann aber brachliegen lässt, er weder die Zeit, noch das Interesse an Gartenpflege hat, dann ist das destruktiv.

Wenn Oma Hedwig aus ihrem Schrebergarten in guten Jahren drölf Kartoffeln zieht, dann ist das unproduktiv. Wenn Multimillardär Horst hingegen verlässlich 600 Kartoffeln auf der gleichen Fläche anbaut, dann ist das produktiv. Was denkst Du eigentlich, warum kaum noch jemand auf diesem Planeten hungert, seit dem Horst am Ruder ist?

Selbes Argument wie oben: erst lesen, dann argumentieren. Ich habe ganz klar geschrieben und diese dann brachliegen lässt. Wenn Horst denn tatsächlich Lebensmittel auf dem Land anbauen würde und dieses nicht nur als Kapitalanlage nutzt, um einerseits über Wertsteigerung des Landes langfristig Gewinne zu realisieren und andererseits über eine künstliche Verknappung der nutzbaren Fläche die Preise hochzutreiben, dann wäre da wenig dran auszusetzen—abgesehen davon, dass Großgrundbesitz der Idee des Schrebergartens diametral entgegen steht.

Ich bin treuer Marxist: Nur der Kapitalismus kann die Entfaltung aller Produktivkräfte über alle Grenzen hinweg erreichen. Das ist seine historische Aufgabe.

MfG

Mr Hardware

Dann Marx bitte auch zu Ende lesen. Die Konzentration von Besitz in der Hand von wenigen Großkapitalisten (heute sagen wir: die 1%, die tatsächlich schon eher 0,1% sind) führt zur proletarischen Revolution und zur Verstaatlichung der Produktionsmittel. Das können wir jetzt in aller Ruhe beobachten, einschließlich der damit einhergehenden Verrohung der Gesellschaft. Ich zum Beispiel finde es sehr unschön, dass die Menschen sich darüber freuen, dass der CEO eines US Gesundheitsunternehmens auf offener Straße erschossen wird. Es verwundert mich aber gar nicht.
Alternativ dazu könnten wir ja auch einfach mal Maßnahmen ergreifen, um den wildesten Auswüchsen des Turbokapitalismus Grenzen zu setzen. Warum nicht einfach mal sagen, dass es eine Obergrenze für Kapitalerträge gibt? Dann gilt die Pauschale von 25% bis zu Gewinnen von Betrag X, um die Altersvorsorge zu sichern. Danach gilt eine Pauschale von 100%.
Man könnte auch sagen, dass Gebäude die zu lange leer stehen für Hausbesetzer frei zugänglich werden. Damit würde sich das Problem der überzogenen Mieten auch regeln: wenn die Leute wissen, dass sie nur lange genug warten müssen bevor sie das Haus umsonst bewohnen dürfen, dann regelt der Markt den Rest.

Bewerten
- +
Ansicht umschalten