Vujagig schrieb am 15.03.2023 12:28:
Wir haben uns Russland herausgepickt, damit der ewige dauern Kalte Krieg zwischen USA und Russland zugunsten der USA verschoben wird. Alle anderen Krieg betrieben oder befeuern wir oder unsere Verbündeten selber.
Das klingt fast so, als ob "uns" der Krieg in der Ukraine von selbst in den Schoss gefallen waere. Halten wir fest: 1) alles begann, wie ueblich, mit einem "Regime Change". 2) dann wurde die Ukraine massiv aufgeruestet. 3) damit auch die duemmste Friedenstaube in Moskau merkt, woher der Wind weht, wurde die NATO-Osterweiterung bis eben in die Ukraine beschlossen. 4) saemtliche diplomatische Versuche Russlands zur Deeskalierung wurden ignoriert.
Dann machte Putin allerdings einen grossen Fehler. Ich nehme an, dass er nach Georgien dachte, dass die Lage klar waere: wenn ein Land drauf und dran ist, zur NATO zu gehen, dabei aber in eben diesem Land noch ein Konflikt mit ethnisch russischen Gebieten laeuft, dann verteidigt Russland diese, und das eben bevor es dabei zu einer militaerischen Konfrontation mit der NATO kaeme.
Hat Russland ein Recht, ethnisch Russische zu verteidigen ? Ich bin weder Gott noch Richter, und es steht mir nicht zu, das zu beurteilen. Sicher ist lediglich, dass Russland in der Sache aktiv wurde, so wie andere Supermaechte sich in aehnlichen Fragen ebenfalls nicht zur Seite schubsen liessen. Man denke in dem Zusammenhang auch an die Kubakrise. Haetten die USA der nuklearen Bewaffnung Kubas und dem damit einhergehenden Eskalationsrisiko einfach zusehen sollen ? Am Schluss, nachdem sie ihre karibischen Genossen etwas besser kennengelernt hatten, war das nicht einmal mehr den Russen selbst geheuer.
Leider irrte Putin sich, und Washington blieb auf Konfrontationskurs. Der wohl mehr oder weniger als Bluff gedachte Aufmarsch des russischen Militaers an den Grenzen der Ukraine wurde ignoriert. Und so wurde aus dem Bluff dann ein blutiger Krieg.
Putins zweiter Fehler war, nicht erkannt zu haben, wie sehr sich ein solcher Konflikt verlaengern laesst, wenn man nur genug Waffen nachliefert. Auch hier hilft der Vergleich mit Georgien: dort war binnen weniger Tage klar, dass Widerstand zwecklos war. Vernuenftigerweise endete der Konflikt dann: Georgien ergab sich, der Vormarsch der NATO wurde ausgesetzt, umstrittenen Gebieten (nicht einmal allen) wurden ein gewisser Grad von Autonomie zugestanden, ... und das russische Militaer zog sich zurueck. Friede, Freundschaft, .... nun man kann vielleicht nicht alles haben, aber ein Bisschen Frieden ist manchmal doch schon ein guter Anfang.
Ich denke, Putin hatte sich einen aehnlichen Ablauf in der Ukraine vorgestellt. Beziehungsweise nicht einmal das, da jeder vernuenftige Mensch schon vorher haette erkennen koennen, dass eine Neuauflage dieses Kriegs sinnlos waere, und man deshalb auf NATO-Erweiterung und sonstige Provokationen verzichten wuerde.
Inzwischen ist die Lage leider kaum noch ueberblickbar. Sowohl auf der Seite der Ukraine wie in Russland ist der Blutzoll hoch, und es ist kein Ende in Sicht. Ein auf dem Aufrechterhalten des Status Quo basierender Frieden, wie er wohl noch 2022 moeglich gewesen waere, duerfte keiner Seite mehr genuegen - denn all die Opfer muss man auch irgendwie rechtfertigen, und das erfordert in aller Regel entweder klaren Sieg oder klare Niederlage.
Sofern die westliche Kriegsfoerderung nicht wegen wirtschaftlichen Problemen zusammenbricht, kann der Krieg, mit euphorischer Billigung der ukrainischen Regierung, bis zum letzten Ukrainer weitergefuehrt werden. Eine baldige totale Niederlage der Ukraine ist somit unwahrscheinlich. Russland hat zwar nicht die Ressourcen des gesamten Westens, kann denen, wie man sieht, aber durchaus einiges entgegensetzen, und ist als Nuklearmacht durchaus in der Lage, einem jeden Kriegsgegner die Freude ueber den Ausgang eines Konflikts, wie man diesen Ausgang auch immer bezeichnen mag, gruendlich zu vergaellen.
Was bleibt ? Selensky scheint sich in der Rolle des Totengraebers seines Landes zu gefallen. Wobei er in dem Konflikt zwar ein Vetorecht haette, ihn aber nicht ohne Hilfe weiterfuehren koennte. Washington und Moskau scheinen beide, jedes auf seine Art, fest zum Endsieg entschlossen. Der Rest Europas hat sich offensichtlich damit abgefunden, auf der Seite der Verlierer zu sein - denn Sieger wird es keine geben - statt auf einen Frieden hinzuarbeiten.
All die Scherzchen wie Sanktionen sind dabei eher belanglos. Sieht man sich Laender an, die seit Jahrzehnten so behandelt werden, dann sieht man, dass das keine politische Richtungsaenderung bewirkt hat, oder, falls doch, allenfalls von dem weg, was man sich wuenschen wuerde. Daneben erzeugt das zahllose Gelegenheiten fuer zwielichtige Geschaefte, und es werden neue Allianzen gefestigt, die uns eigentlich zumindest unangenehm sein sollten.
Ohnehin laesst sich Russland nicht aushungern. Da die USA auch China mit immer mehr Sanktionen begluecken, ist es nur einer Frage der Zeit, bis dieses Schwert stumpf genug wird, um seine abschreckende Wirkung gaenzlich zu verlieren. Und China kann problemlos alle westlichen Importe nach Russland ersetzen, falls noetig sicher auch gerne bei der Militaertechnik - denn auch in Beijing ist man bestimmt neugierig, wie sich die neuesten Errungenschaften so gegen die Waffen des Westens bewaehren. Immerhin koennte eine Versorgung mit konventionellen Waffen dabei helfen, eine nukleare Eskalation hinauszuschieben.
So oder so sieht es eher finster aus. Das Modell, eine scheiternde Gesellschaft durch Krieg wieder unter Kontrolle zu bringen, wurde, unter anderem, in Deutschland in den 1930ern, von den argentinischen Generaelen in den 1980ern, und - zumindest - jetzt von Washington versucht. In den ersten beiden Faellen scheiterte der Versuch trotz anfaenglicher Erfolge mehr oder weniger verheerend. Wie es wohl diesmal ausgehen wird ?
- Werner