Captain Data schrieb am 18.11.2022 16:42:
Tlazolteotl schrieb am 18.11.2022 13:11:
Mal ne Gegenfrage: Möchtest du die Arbeit deiner Kollegin über längere Zeit zusätzlich erbringen müssen? Das Grundproblem bei sowas ist doch, dass sich die Arbeit nicht von selbst erledigt und das weiterdelegieren an die Kollegen auch keine Dauerlösung ist. Mal eben ne Vertretung einstellen ist i.d.R. schon wegen des Aufwandes bei der Einarbeitung eher Kontraproduktiv, also was ist das richtige Vorgehen, wenn eine Funktion nicht wie vorgesehen funktioniert?
Diese Frage ist grundsätzlich berechtigt.
Ich gebe aber nochmal zu Bedenken, dass die Kollegin erst sich eine Infektionskrankheit eingefangen hat. Der Jahresurlaub war bereits seit Monaten genehmigt - wieso sollte sie ihn absagen? Der Arbeitgeber hat kaum Möglichkeiten, einen einmal genehmigten Urlaub zurückzunehmen und "Krank" ist eben keine Erholungszeit im Sinne eines Urlaubs (im Gegenteil: Arbeitnehmer haben das Recht, Urlaub per Krankmeldung "umzuwandeln").
Dass sie nach dem Urlaub dann ihr Auto zu Brei gefahren hat, ist eben maximales Pech, dass sie sich dabei verletzt hat, eben auch. Vielleicht hätten auch 2 statt 3 gereicht, um soweit zu genesen, aber wenn sie jetzt, mehrere Wochen nach ihrer Rückkehr immernoch Rückenschmerzen hat, ist wohl eben die Reha-Zeit zu kurz gewesen. Aber jetzt ist sie da, macht ihren Job.
Ich gebe dir mit deinen Einlassungen durchaus Recht, nur geht das aus meiner Sicht am Thema vorbei und genau das ist es auch, was ich immer mehr als Gesamtgesellschaftliches Problem wahrnehme. Unter dem Strich geht es doch gar nicht darum, ob das nun einfach Pech gewesen ist oder schuldhaft herbeigeführt wurde. Sondern es geht darum, dass wir in der Maschine Wirtschaft / Unternehmen eine Rolle oder Funktion haben, die nicht einfach vakant bleiben kann. Ich versuche es mal etwas greifbarer zu machen um das Problem und die Wirkung zu verdeutlichen.
Was der Bauer im Frühjahr nicht säht, kann er im Spätsommer nicht ernten. Da spielt es gar keine Rolle, ob er das nun aus Faulheit versäumt hat, oder widrige Umstände ihn schuldlos davon abgehalten haben. Die Folgen davon sind persönlich wie auch gesellschaftlich durchaus weitreichend. Nun hat man den Vorteil, dass man (damals mehr, heute weniger) das noch recht gut durch einen anderen Menschen kompensieren hat können, auch wenn der vielleicht nicht gerade der Meister seines Faches ist. Grundsätzlich stehen wir doch also vor dem Problem, dass die Arbeit sich nicht von selbst macht. Und wenn die Arbeit nicht gemacht wird, dann gibt es am Ende keine Ernte, kein Produkt, keine Dienstleistung und ganz am Schluss sagt dir dein Kunde dann knallhart ins Gesicht, dass er dir nix zahlt, weil du keine Leistung erbracht hast. Wo der Bauer jetzt vielleicht schnell noch den Knecht übers Feld jagen konnte, haben heute wir aber das Problem, dass dies nicht einfach so möglich ist. Ich weiß nicht wie es bei dir auf Arbeit läuft, aber ich kann dir sagen dass meine Arbeitskraft nicht mal eben so ersetzbar ist. Einfach weil hochspezialisiert und langjährige Praxiserfahrung im Unternehmen. Das bringt zum einen heute kaum einer einfach so mit, geschweige denn das man es als allgemeingültig erwarten könnte, und die Einarbeitung auf das Level wird auch eine größere Zeitspanne brauchen, bis mein Nachfolger wieder auf 100% Leistung wäre und so funktioniert, wie das der betriebliche Prozess vorsieht. Denn wir haben das Problem, dass wir keine Gesellschaft sind, bei der jeder mal tut, was er gern möchte, sondern wir sind Zahnräder in einer großen Maschine, die nicht zum erliegen kommen darf, weil hier sonst gesellschaftlich alles den Bach runter geht.
Es gibt durchaus die Blaumacher. Die hat's überall, die fallen aber früher oder später auf. Vor allen Dingen, wenn die Krankheitstage grundsätzlich auf kurze Arbeitswochen (mit Brückentagen) fallen oder Wochenenden verlängert werden, wenn immer die gleichen MA fehlen "zwischen den Jahren" und um Weihnachten krank werden. Irgendwann gibt es ein Muster.
Und selbst DA hat der AG kaum eine Chance. Er muss nachweisen, dass der Mitarbeiter blau macht, nicht der Mitarbeiter muss beweisen, dass die Krankmeldung nicht echt ist.
Wie ich versucht habe darzustellen, geht es gar nicht darum Missbrauch zu sanktionieren, sondern es geht darum die Maschine am Laufen zu halten. Und wenn in deren Räderwerk ein Zahnrad nicht funktioniert, dann muss das über kurz oder lang ausgetauscht werden. Und bevor jetzt wieder jemand laut schreit, wie unsozial das doch ist, dem möchte ich kurz darauf hinweisen, wie unsozial es erst wäre, wenn die Maschine Wirtschaft nicht mehr funktioniert, dadurch noch mehr Menschen erwerbslos werden und damit auch kein Geld für die soziale Umverteilung erarbeitet werden kann. Denn auch wenn es viele heute nicht mehr so wahrnehmen, das Grundlegende Problem, dass wir nur das Fressen können, was wir auch angebaut haben, gilt damals wie auch heute noch. Wir vermarkten unsere Leistung / Arbeitskraft und nichts anderes.