Bergfalke schrieb am 21.09.2019 10:09:
Soviele Wohnungen sind damals auch nicht explodiert
LOL
Meine Eltern zogen mit uns Kindern aus einer noch nicht mal elektrifizierten Notunterkunft draußen auf dem Land rein in die Stadt, als ich noch gar nicht zur Schule ging. Es war der "Summer of Love" - irgendwo jedenfalls.
Ich vermag mich aber schon noch zu erinnern, als bei der Wohnungssuche immer wieder nachgefragt wurde, ob das Haus am Stadtgas angeschlossen sei.
Und ich erinnere mich auch, wie sehr es mich damals verwundert hat, daß es damals ein bedeutendes Argument war, diese Frage breit grinsend mit "Nein" beantworten zu können.
Oder anders gesagt:
Ein Gasanschluß im Haus war seinerzeit etwa so gefragt wie eine Jauchegrube direkt vor dem Küchenfenster. Wenn der Großteil der Menschen es bevorzugte, stattdessen lieber zentnerweise Kohleeimer zu schleppen und sich übelst stinkende Ölöfen in die gute Wohnstube zu stellen, dann hatte das schon seine verdammt guten Gründe, und am Preis lag das nicht.
Die Zahl der tödlichen Unfälle mit Gas (sowohl die CO-bedingten Vergiftungen als auch Brände und Explosionen) war damals sogar schrecklich hoch. Davon konnte man mindestens jede Woche in den Zeitungen entsprechende Meldungen finden.
die Technologie der Fittings, Amaturen, Rohr- und Schlauchdichtungen hat sich deutlich verbessert.
Das hochbrisante Zündverhalten von reinem Wasserstoff leider nicht.
Kein anderes gängiges Brenngas ist so flüchtig, so schnell und in Mengen durch alle möglichen Baustoffe hindurch kriechfähig, und vor allem in einem so breiten Spektrum von Mischverhältnissen mit normaler Atemluft zünd- und explosionsfähig.
Von 4 bis 78 Vol-% kanns bei reinem H2 scheppern, bei Methan reicht diese kritische Zone lediglich von 5 bis 14 Vol-%
(Das noch brisantere Acetylen oder gar das Sprenggas Monosilat mal ausgenommen, aber damit will ja nun wirklich keiner heizen.)
Der Feuerwehrleitfaden warnt weiterhin:
Die benötigte Zündenergie ist sehr gering. Das Minimum von 0,02 mJ erreicht die erforderliche Zündenergie bei 30 Vol.-% Wasserstoff in Luft, was einer stöchiometrischen Mischung entspricht. Neben den üblichen Zündquellen, (...) können so auch bereits auf den Boden fallende Werkzeuge oder die Reibung von Textilien eine Zündung auslösen.
https://www.fwvbw.de/fileadmin/Downloads/Einsatz_Wasserstoffleitfaden.pdf
Und katastrophe, das Luftschiff Hindenburg explodierte NICHT, es brannte ab
Weil die Gasfüllung keine Zeit hatte, sich schon vor der Entzündung mit genügend Luft zu vermischen - was bei Wassersoff aufgrund seines großen Gewichtsunterschieds zum Stickstoff in geschlossenen Räumen *sehr* viel schneller vonstatten geht als mit allen Kohlenstoffhaltigen Brenngasen.
Hätte es damals eine größere Leckage gegeben und wäre die Zündung dann erst etwa 10-30 Sekunden später erfolgt (der 'worst case'), dann wären noch sehr viel mehr Menschen getötet worden als nur die verbrannten Passagiere. Die Detonation wäre so dermaßen heftig gewesen, es gäbe kein Filmmaterial davon. Erstens wäre alles so schnell gegangen, daß eine normale Kamera den Vorfall gar nicht aufzuzeichnen vermag, zweitens hätten weder die Kamera noch ihr Bediener an dieser Position das überlebt. Auch ohne reinen Sauerstoff, nur mit gewöhnlicher Luft, hätte es gescheppert fast wie bei einem fehlgeschlagenen Raketenstart.
Flüssiggase wie Propan bspw haben eine tolle Eigenschaft:
Ihre Austrittsgeschwindigkeit aus Behältnissen der flüssigen Phase (Tanks, Flaschen oder Druckrohre) ist signifikant höher als ihre Brenngeschwindigkeit in Luft.
Das bedeutet: Eine bereits entzündete, austretende Gasfahne kann nicht in das Innere des Behälters eindringen ("Rückschlag"), und so wird aus einem bereits begonnenem Brand keine Explosion mehr. Steigert man die Geschwindigkeit des Austritts weiter, kann das Gas sogar seine eigene Flamme wieder komplett zum Erlöschen bringen - d.h. das Feuer pustet sich u.U. sogar von selbst wieder aus.
Wasserstoff oder auch Erdgas (bereits gasförmiges Methan) verhält sich auch in dieser Hinsicht leider ganz anders. Wasserstoff ist dabei exorbitat gefährlicher als jedes kohlenstoffhaltige Gas (selbst Methan oder Acetylen), seine Brenngeschwindigkeit in Luft ist über 8x höher.
Ich sage nur: Man spricht nicht umsonst vom "Knallgas".
Da Wasserstoff eine sehr geringe Dichte hat bildet sich keine "Gaspfütze" in Bodenähe oder gar in Kellern.
Nein, im Gegenteil:
Ein Leck im Keller (oder draußen auf der Straße) sorgt in Windeseile dafür, daß sich explosionsfähige Konzentrationen nicht nur in den unteren, sondern in *allen* Etagen von höheren Gebäuden gleichzeitig bilden. Oder unter Umständen sogar in den obersten (bewohnten) Etagen noch zuerst.
Was du für einen Vorteil hältst, das macht Feuerwehrprofis ziemlich große Angst.
Besonders "lustig" ist hierbei der tiefkalte Flüssigwasserstoff.
Der kann über einen längeren Zeitraum als eine Pfütze, Lache oder (je nach Anlagengröße) gar ein richtiger kleiner See im siedenden Zustand an Ort und Stelle verbleiben. Und während der so gemütlich vor sich hin siedet und dabei der Umgebungsluft die dafür nötige Energie raubt, verflüssigt sich dadurch auch der umgebende Luftsauerstoff, der sich dann in seiner Reinstform schön genüsslich mit seinem herzallerliebsten Reaktionspartner vermischen kann.
Aus ausgetretenem Wasserstoff wird so - ganz von alleine - purer Raketentreibstoff: flüssiges Knallgas.
Tja, und wenn *das* geschehen kann - dann RENNE !!!
(Wird zwar kaum noch helfen, aber der Versuch bleibt lobenswert für deinen Nachruf.)
Und ein Tankwagenunfall mit Flüssig-Wasserstoff ist deutlich weniger kritisch als mit Benzin.
Oh, oh...
Na, das sahen die Einwohner von Oslo zu Pfingsten aber doch etwas anders, oder?