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  • Mathematiker

mehr als 1000 Beiträge seit 22.02.2014

Ein lustiges Geschichtsbild

Leider muss anscheinend im Jahr 2022 daran erinnert werden, dass weite Teile Österreich 1945 durch die Roten Armee vom Naziregime befreit wurden.

Das mit dem "Befreien" ist ein lustiger Euphemismus. So wie gerade die Ukraine "befreit" wird. Die Rote Armee war hierbei die Armee eines längst untergegangenen Staates.
Die "Befreiung" auf diesem Nebenkriegsschauplatz erfolgte nach einer vorher zwischen den Alliierten vereinbarten Vorgehensweise. Genauso, danach die Aufteilung Österreiches in Besatzungszonen. In Deutschland räumten die Amis sogar Gebiete, die hinterher in der SBZ lagen. Sehr zum Leidwesen der Bevölkerung.

Jahrzehntelanger Antikommunismus hat dennoch in Österreich ein Geschichtsbild verankert, bei dem "die Russen" einfach die Bösen sind. Im ORF gaben sich die Greise und Frühvergreisten

Tja, die hatten das Wirken der "Russen" noch am eigenen Leibe erfahren dürfen, bevor die UdSSR im Spiel um Deutschland das arme und unbedeutende Österreich in die Neutralität entließen. Und später bekamen die dann auch brühwarm und aus nächster Nähe die Niederschlagung der Volksaufstände in der Tschechoslowakei und Ungarn mit.

ersparten sich die Mühe eines differenzierten Geschichtsbildes und predigten die "Rote Gefahr" versus die "Freiheit des Westens".

Wenn ich diesen Bullshit lese, dann bekomme ich Pickel. Um die Sache einmal auf den Punkt zu bringen: Hinter Ösiland fing der Eiserne Vorhang an. Merke den feinen Unterschied: Die Ösis waren frei und konnten reisen oder auswandern. So ein Österreicher wurde dann ja auch ganz groß in Amiland.
Hinter dem eisernen Vorhang durfte man ohne Genehmigung nicht einmal umziehen. Wenn man dort irgendeinem Partei-Bonzen auf dem Fuß getreten hatte, hatte man gleich ganz verschissen. (Einschließlich der Sippe.) Urlaub? Gar Reisen in den Westen? Das war ein Privileg für linientreue Bücklinge. Aus dem Westen konnte man für eine Handvoll D-Mark problemlos Urlaub im Käfig machen. (Und kam selbstverständlich auch wieder raus.)

ein deutsch-österreichsicher Überfall auf Polen stand, dem ein weiterer auf die Sowjetunion folgte. Die latent pathologische Externalisierung machte aus den Nazis

Auch wieder eine skurrile Verdrehung. Die Ösis wollten schon in der Weimarer Zeit ins Reich. (Durften aber nicht.) Und als der Ösi Adolf seinen Anschluss machte, klatschte das Gros auch mit. Aber hier wird suggierert, als hätte der Adolf seinen Krieg nach einer Art paritätischen Volksbefragung begonnen.

Rein praktisch war dies aber nie so einfach. Österreich war ganz offensichtlich westlich und somit nie "wirklich" neutral. Es wurde keine Position zwischen den Blöcken des Kalten Krieges eingenommen, bei der auch völlig unklar wäre, wie sie hätte aussehen können. Sondern man war gesellschafts- und wirtschaftspolitisch tief überzeugt westlich, ließ sich aber eben auf kein Militärbündnis ein.

Hier wird wieder eine skurrile Verknüpfung von Militär und Staatsform gemacht.
Nur zur Erinnerung: Jugoslawien war ein sozialistischer Nachbarstaat, der ebenfalls blockfrei und neutral war.

Aber der wesentliche Punkt ist doch:
Der Kampf der Systeme ist schon lange Geschichte.
Der Putin betreibt dort hinten keinen Sozialismus, sondern eine ganz schnöde nationalistische Expansionspolitik. In seiner Vorgehensweise scheißt er dabei auf alle Regularien, die im Kalten Krieg bestand hatten. Das neutrale Österreich konnte sich damals auch darauf verlassen vom Ostblock in Ruhe gelassen zu werden, wie auch ein Schweden. Ein Moskau erwartete kein Klatschhasen in Wien oder Lobpreisungen des Sozialismus.

Die Neutalitätsverpflichtung starb mit dem Niedergang des Ostblocks und der UdSSR.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (11.03.2022 19:42).

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