antiimp schrieb am 28. September 2006 15:44
> Was für Klischees?
Konnotationen der Begriffe "völkisch" oder "imperialistisch"
ausserhalb originärer Kontexte. Daraus folgen Fehlbewertungen und
argumentative Schwächen. Deutsche Welteroberer sind ein Konstrukt
ohne geschichtliche Wirklichkeit. Auf der historischen Ebene versagt
die Kritik an ihnen, denn sie bemüht Bilder, die niemanden erreichen,
weil sie zu bemüht sind und intuitiv als untauglich begriffen werden.
> Welche Vergangenheit soll nie existiert haben?
Preussen war nie kriegerisch, das Kaiserreich nie kolonialistisch.
Während Frankreich seine nationale Identität über Jahrhunderte in
Kriegen gegen England erschloss und aus der später hinzugewonnenen
Vorstellung einheitlich geprägter Volksgemeinschaft heraus in die
napoleonischen Kriege eintrat, damit imperialistische Ansprüche
ausserhalb des Kernlands zu verfolgen, hatte Preussen Mühe, sich im
eigenen Kernland zu behaupten und entkam nie der Rolle, Spielfeld
etablierter Nationen und ihrer Interessen zu sein.
Das Kaiserreich hatte nie Gelegenheit, kolonialistische Infrastruktur
und Logistik zu entwickeln wie beispielsweise England über
Jahrhunderte. England konnte militärisches Potential aus dem
Leistungsüberschuss schöpfen, der auf kolonialer Ausbeutung beruhte.
So entstanden wechselseitige Abhängigkeiten zwischen dem
militärischen und dem wirtschaftlichen Kolonialismus (oder
Imperialismus).
Das ist der zentrale Aspekt, schon im römischen Reich, oder später in
Spanien: Ohne koloniale Überschüsse keine militärische
Überentwicklung; ohne militärische Überentwicklung keine koloniale
Vormachtstellung. Solche Wirkungszusammenhänge gab es im Kaiserreich
nicht.
Man hat, dem Zeitgeist entsprechend, koloniale Ideen verfolgt, aber
eher um ein unterentwickeltes nationales Selbstwertgefühl zu
stimulieren. Man ahnte, was die Macht der Engländer, Franzosen, oder
vordem der Spanier ausmachte, konnte aber nichts damit anfangen. Um
das Kaiserreich auf einer Skala kolonialistischer Orientierungen
einzuordnen, muß man es in die Relation zu anderen Mächten derselben
Ära stellen.
> > Deine beschreibenden Begriffe sind verfehlt,
> Welche Begriffe sollen das sein und wieso?
Dir rutschen Begriffe wie völkisch oder imperialistisch in die
Bewertung und sie lassen den Leser (eher assoziativ als analytisch)
herauslesen, was zu häufig mißbraucht wird: Die Behauptung einer
expansionistischen Tradition in Deutschland, und einer Fortsetzung,
wo es keine gibt.
> Das ist eben die Natur der Kapitalisten.
Ne, das ist auf allen Ebenen die Natur eines spezifisch deutschen
Christentums. Eine Melange aus nihilistischer Verherrlichung des
Unfertigen, Unentwickelten, Untauglichen - die Verehrung des
Mittelmäßigen, insbesondere des Unterdurchschnittlichen und eben die
Konsequenz daraus: Überheblichkeit.
> Beide waren verbrecherische und völkermordende Regime.
> Das Kaiserreich hatte mehr Zeit in der Welt zu wüten und zu morden,
> aber die Nazis hatten die effektivere Mordmaschinerie.
Die Vernichtungspläne entstanden 1912-1915, ihre Umsetzung von
1915-1916 ist ein enger Zeitrahmen. Nimmt man diejenigen Ereignisse
in den Kolonien heraus, die eher Überforderung als einer Ideologie
zuzurechnen sind, bleibt unter dem Strich nicht viel.
> Natürlich war das Kaiserreich imperialistisch und eine Kolonialmacht.
Imperialistisch kann nicht belegt werden. Weder gab es
dementsprechende Quantitäten im militärischen Bereich, noch
Qualitäten im Wirtschaftlichen, und das lag am Fehlen kolonialer
Strukturen. Kolonien als dem Zeitgeist geschuldete Statusobjekte sind
wie rostende Karossen ohne Motor - kein Auto.
> Das siehst du z.B. an den deutschen Kolonien in Afrika
Jo, da dachten sie, wir machen jetzt mal... für eine verschwindende
Anzahl von Jahren, ohne die Entwicklung des Reiches zu verändern. Das
zählt kaum (auch wenn es für Betroffene verheerend ist, aber es taugt
nicht zur Einordnung des in Relation zu Frankreich oder England).
> oder den Kriegszielen im 1. Weltkrieg.
Abwehr Russlands und Vernichtung Frankreichs.
> Die deutschen Imperialisten haben das damals noch nicht einmal (so
> wie heute) geleugnet:
> Siehe: „Denkschrift über den ethischen Imperialismus“
Eine Denkschrift ist wenig und eine Denkschrift von 1918 kann nicht
belegen, was sich zwischen 1871-1912 abspielte. Sie gibt auch
inhaltlich wenig her, ausser den Verfasser einstufbar zu machen. Der
schwadroniert ja nur.
http://www.gegeninformationsbuero.de/frameset.html?/krieg/jugos_brosc
h_warum.htm
Die Seite enthält Wertvolles, aber auch völligen Quatsch. Zwischen
der Bedeutung der Vokabel "völkisch" im Kontext der Jahre um 1918 und
derjenigen nach Vereinnahmung durch die Nazis liegen Welten. Die
heutige Lesart ist wieder eine andere. Der Link ist als historische
Quelle untauglich, da er wertende Interpretation von Sekundärquellen
in schlechter Auswahl, aber keine Materialien zur historischen
Analyse liefert.
> > Preussen war und blieb das unkriegerischte Land
> > der ganzen europäischen Geschichte.
>
> Diese Aussage läßt sich leicht widerlegen:
> Preussen hat mehr Kriege geführt als z.B. Island.
Der Vergleich mit Island taugt nicht: erstens musste Preussen seine
Existenz von Anbeginn an in akuter Notwehr verteidigen und zweitens
stand Island nie im Interessenschnittpunkt Frankreichs, Russlands und
Österreichs.
> > Das Kaiserreich hat definitiv keinen Einfluss auf den Kriegsausbruch
> > gehabt und alle anderslautenden Behauptungen sind schlichtweg
> > aussenpolitischen Interessen geschuldet.
>
> Du irrst. Der deutsche "Blankoscheck", die Kriegserklärungen an
> Serbien, Frankreich und Russland und der Angriff
> auf das neutrale Belgien(usw.) gehen eindeutig auf das Konto des
> Kaiserreiches.
Denen blieb doch gar nichts anderes übrig und die österreichische
Hysterie wurzelte in unhaltbaren demographischen Realitäten. Das
Ultimatum wäre unter keinen Umständen ausgeblieben oder anders
ausgefallen. Die Entscheidungen des Kaisers waren vor damaligem
Hintergrund alles andere als einfach. Wer sie begreift, ist froh,
nicht an seiner Stelle zu stehen. Ich weiß nicht, welche Strategie
ich gewählt hätte. Die Generalität hat ihn für die Verzögerung der
Mobilmachung scharf kritisiert. Kriegserklärungen sind nur Gerassel.
Taten zählen und an Belgien führte kein Weg vorbei.
> "Jetzt oder nie. [...] Mit den Serben muss aufgeräumt werden,
> und zwar bald." - Wilhelm II., Kaiser, Jul. 1914
Gerassel. Normal damals.
Vgl.: "Man muß die Deutschen mit Giftgas ausrotten" Churchill in den
20ern.
> > Niemand hat ein Interesse an einer Rehabilitation als l'Art pour l'Art.
> > Dennoch ist die Unschuld des Reiches unter Historikern in aller
> > Herren Länder unstreitig.
>
> Du irrst.
Aber doch niemand von Bedeutung. Das geht doch allen am Arsch vorbei.
Und ich kenne keinen ernstzunehmenden Historiker, der jenseits
politischer Gründe von deutscher Kriegsschuld im WK I sprechen würde.
Interessanterweise in England am wenigsten.
> Wer anderen ein Brest-Litowsk aufzwingt, sollte sich nicht darüber
> beschweren, wenn er ein Versailles unterschreiben soll.
Was blieb denen denn übrig. Sieh Dir die Kräfteverhältnisse an und
betrachte die militärischen Abläufe des ersten Kriegshalbjahres. Die
wollten Luft, sonst nix. Die Franzosen wollten etwas anderes. Und
heute ist der Versailler Standpunkt verfehlt, denn ohne Versailles
kein WK2.
> Deutschland ist doch am "treten"(siehe u.a. Überfall auf Jugoslawien
> und anschliessende Besetzung).
Sehe ich. Nur dass dahinter damalige Versäumnisse durchscheinen, die
sich mit damaligen Ängsten vermischen und überdies korrupte
Seilschaften am Wirken sind, aber für sich selbst, nicht für ein
Imperium.
> Wer sich auf den Schlips getreten fühlt, wenn ich die deutsche
> Kriegspolitik kritisiere, sollte das nicht vergessen.
Ich fühle mich nicht auf den Schlips getreten.
> Wie z.B. die deutsche Kriegspolitik nicht zu kritisieren?
Im Gegenteil: schlagkräftiger und stringenter durch Verzicht auf
historische Assoziationen und ideologisch missbrauchte Begriffe.
> Was meinst du mit Klischees?
s. o.
> > Wir leben mit gewaltigen Gefahren historischer Wiederholungen.
> > Bloß eben nicht infolge dieser alten Kostümierungen.
> >
> > Hätte das Reich den Kolonialismus verinnerlicht, als Erwerbszweig,
>
> Das hat es. Siehe "Generalplan Ost".
Das Kaiserreich? Die haben nicht mal geahnt, wie erwerbsmäßiger
Kolonialismus funktioniert. Bestenfalls haben sie es anderen
geneidet. Wo sie einen Fuß an den Boden bekamen, waren sie so naiv,
deutsche Industrie-Anlagen aufzubauen (siehe Afghanistan).
> > hätte es die heutigen Rohstoffinteressen gekannt,
> > die zu Afghanistan, Jugoslawien und anderen Schlachtfeldern führen,
>
> Genau diese Rohstoffinteressen haben das Dritte Reich auf diese
> Schlachtfelder im Kaukasus und auf den Balkan geführt.
Eben nicht. Deswegen haben sie ja den Krieg in den Sand gesetzt. Weil
sie die Bedeutung so lange unterschätzten, bis es zu spät war. Hätten
sie es besser gewusst, hätten sie deutsche Interessen auf der
arabischen Halbinsel nicht zugunsten Englands verspielt und die
Wehrmacht wohl kaum durch Drittelung an der rechtzeitigen Zerstörung
des russischen Rüstungsindustrie zu hindern.
Als sie den Kaukasus angingen, taten sie das halbherzig (quasi zum
Auftanken) und zogen Symbolhandlungen vor, wie in Stalingrad. Ich
will nicht behaupten, dass sie den Krieg hätten gewinnen können, doch
der Verlauf illustriert die Ahnungslosigkeit in Bezug auf Energie-
und Rohstoffragen. Im WK1 wollten oder mußten Österreicher, im WK2
Italiener auf den Balkan (Realer Motive wegen, die wir damals nicht
haben konnten).
> Diese Lakaien(Kinkel, Fischer etc.) und ihre Politik sollte man aber
> trotzdem kritisieren dürfen.
In der Tat. Da stimme ich zu!
> Was für Klischees?
Konnotationen der Begriffe "völkisch" oder "imperialistisch"
ausserhalb originärer Kontexte. Daraus folgen Fehlbewertungen und
argumentative Schwächen. Deutsche Welteroberer sind ein Konstrukt
ohne geschichtliche Wirklichkeit. Auf der historischen Ebene versagt
die Kritik an ihnen, denn sie bemüht Bilder, die niemanden erreichen,
weil sie zu bemüht sind und intuitiv als untauglich begriffen werden.
> Welche Vergangenheit soll nie existiert haben?
Preussen war nie kriegerisch, das Kaiserreich nie kolonialistisch.
Während Frankreich seine nationale Identität über Jahrhunderte in
Kriegen gegen England erschloss und aus der später hinzugewonnenen
Vorstellung einheitlich geprägter Volksgemeinschaft heraus in die
napoleonischen Kriege eintrat, damit imperialistische Ansprüche
ausserhalb des Kernlands zu verfolgen, hatte Preussen Mühe, sich im
eigenen Kernland zu behaupten und entkam nie der Rolle, Spielfeld
etablierter Nationen und ihrer Interessen zu sein.
Das Kaiserreich hatte nie Gelegenheit, kolonialistische Infrastruktur
und Logistik zu entwickeln wie beispielsweise England über
Jahrhunderte. England konnte militärisches Potential aus dem
Leistungsüberschuss schöpfen, der auf kolonialer Ausbeutung beruhte.
So entstanden wechselseitige Abhängigkeiten zwischen dem
militärischen und dem wirtschaftlichen Kolonialismus (oder
Imperialismus).
Das ist der zentrale Aspekt, schon im römischen Reich, oder später in
Spanien: Ohne koloniale Überschüsse keine militärische
Überentwicklung; ohne militärische Überentwicklung keine koloniale
Vormachtstellung. Solche Wirkungszusammenhänge gab es im Kaiserreich
nicht.
Man hat, dem Zeitgeist entsprechend, koloniale Ideen verfolgt, aber
eher um ein unterentwickeltes nationales Selbstwertgefühl zu
stimulieren. Man ahnte, was die Macht der Engländer, Franzosen, oder
vordem der Spanier ausmachte, konnte aber nichts damit anfangen. Um
das Kaiserreich auf einer Skala kolonialistischer Orientierungen
einzuordnen, muß man es in die Relation zu anderen Mächten derselben
Ära stellen.
> > Deine beschreibenden Begriffe sind verfehlt,
> Welche Begriffe sollen das sein und wieso?
Dir rutschen Begriffe wie völkisch oder imperialistisch in die
Bewertung und sie lassen den Leser (eher assoziativ als analytisch)
herauslesen, was zu häufig mißbraucht wird: Die Behauptung einer
expansionistischen Tradition in Deutschland, und einer Fortsetzung,
wo es keine gibt.
> Das ist eben die Natur der Kapitalisten.
Ne, das ist auf allen Ebenen die Natur eines spezifisch deutschen
Christentums. Eine Melange aus nihilistischer Verherrlichung des
Unfertigen, Unentwickelten, Untauglichen - die Verehrung des
Mittelmäßigen, insbesondere des Unterdurchschnittlichen und eben die
Konsequenz daraus: Überheblichkeit.
> Beide waren verbrecherische und völkermordende Regime.
> Das Kaiserreich hatte mehr Zeit in der Welt zu wüten und zu morden,
> aber die Nazis hatten die effektivere Mordmaschinerie.
Die Vernichtungspläne entstanden 1912-1915, ihre Umsetzung von
1915-1916 ist ein enger Zeitrahmen. Nimmt man diejenigen Ereignisse
in den Kolonien heraus, die eher Überforderung als einer Ideologie
zuzurechnen sind, bleibt unter dem Strich nicht viel.
> Natürlich war das Kaiserreich imperialistisch und eine Kolonialmacht.
Imperialistisch kann nicht belegt werden. Weder gab es
dementsprechende Quantitäten im militärischen Bereich, noch
Qualitäten im Wirtschaftlichen, und das lag am Fehlen kolonialer
Strukturen. Kolonien als dem Zeitgeist geschuldete Statusobjekte sind
wie rostende Karossen ohne Motor - kein Auto.
> Das siehst du z.B. an den deutschen Kolonien in Afrika
Jo, da dachten sie, wir machen jetzt mal... für eine verschwindende
Anzahl von Jahren, ohne die Entwicklung des Reiches zu verändern. Das
zählt kaum (auch wenn es für Betroffene verheerend ist, aber es taugt
nicht zur Einordnung des in Relation zu Frankreich oder England).
> oder den Kriegszielen im 1. Weltkrieg.
Abwehr Russlands und Vernichtung Frankreichs.
> Die deutschen Imperialisten haben das damals noch nicht einmal (so
> wie heute) geleugnet:
> Siehe: „Denkschrift über den ethischen Imperialismus“
Eine Denkschrift ist wenig und eine Denkschrift von 1918 kann nicht
belegen, was sich zwischen 1871-1912 abspielte. Sie gibt auch
inhaltlich wenig her, ausser den Verfasser einstufbar zu machen. Der
schwadroniert ja nur.
http://www.gegeninformationsbuero.de/frameset.html?/krieg/jugos_brosc
h_warum.htm
Die Seite enthält Wertvolles, aber auch völligen Quatsch. Zwischen
der Bedeutung der Vokabel "völkisch" im Kontext der Jahre um 1918 und
derjenigen nach Vereinnahmung durch die Nazis liegen Welten. Die
heutige Lesart ist wieder eine andere. Der Link ist als historische
Quelle untauglich, da er wertende Interpretation von Sekundärquellen
in schlechter Auswahl, aber keine Materialien zur historischen
Analyse liefert.
> > Preussen war und blieb das unkriegerischte Land
> > der ganzen europäischen Geschichte.
>
> Diese Aussage läßt sich leicht widerlegen:
> Preussen hat mehr Kriege geführt als z.B. Island.
Der Vergleich mit Island taugt nicht: erstens musste Preussen seine
Existenz von Anbeginn an in akuter Notwehr verteidigen und zweitens
stand Island nie im Interessenschnittpunkt Frankreichs, Russlands und
Österreichs.
> > Das Kaiserreich hat definitiv keinen Einfluss auf den Kriegsausbruch
> > gehabt und alle anderslautenden Behauptungen sind schlichtweg
> > aussenpolitischen Interessen geschuldet.
>
> Du irrst. Der deutsche "Blankoscheck", die Kriegserklärungen an
> Serbien, Frankreich und Russland und der Angriff
> auf das neutrale Belgien(usw.) gehen eindeutig auf das Konto des
> Kaiserreiches.
Denen blieb doch gar nichts anderes übrig und die österreichische
Hysterie wurzelte in unhaltbaren demographischen Realitäten. Das
Ultimatum wäre unter keinen Umständen ausgeblieben oder anders
ausgefallen. Die Entscheidungen des Kaisers waren vor damaligem
Hintergrund alles andere als einfach. Wer sie begreift, ist froh,
nicht an seiner Stelle zu stehen. Ich weiß nicht, welche Strategie
ich gewählt hätte. Die Generalität hat ihn für die Verzögerung der
Mobilmachung scharf kritisiert. Kriegserklärungen sind nur Gerassel.
Taten zählen und an Belgien führte kein Weg vorbei.
> "Jetzt oder nie. [...] Mit den Serben muss aufgeräumt werden,
> und zwar bald." - Wilhelm II., Kaiser, Jul. 1914
Gerassel. Normal damals.
Vgl.: "Man muß die Deutschen mit Giftgas ausrotten" Churchill in den
20ern.
> > Niemand hat ein Interesse an einer Rehabilitation als l'Art pour l'Art.
> > Dennoch ist die Unschuld des Reiches unter Historikern in aller
> > Herren Länder unstreitig.
>
> Du irrst.
Aber doch niemand von Bedeutung. Das geht doch allen am Arsch vorbei.
Und ich kenne keinen ernstzunehmenden Historiker, der jenseits
politischer Gründe von deutscher Kriegsschuld im WK I sprechen würde.
Interessanterweise in England am wenigsten.
> Wer anderen ein Brest-Litowsk aufzwingt, sollte sich nicht darüber
> beschweren, wenn er ein Versailles unterschreiben soll.
Was blieb denen denn übrig. Sieh Dir die Kräfteverhältnisse an und
betrachte die militärischen Abläufe des ersten Kriegshalbjahres. Die
wollten Luft, sonst nix. Die Franzosen wollten etwas anderes. Und
heute ist der Versailler Standpunkt verfehlt, denn ohne Versailles
kein WK2.
> Deutschland ist doch am "treten"(siehe u.a. Überfall auf Jugoslawien
> und anschliessende Besetzung).
Sehe ich. Nur dass dahinter damalige Versäumnisse durchscheinen, die
sich mit damaligen Ängsten vermischen und überdies korrupte
Seilschaften am Wirken sind, aber für sich selbst, nicht für ein
Imperium.
> Wer sich auf den Schlips getreten fühlt, wenn ich die deutsche
> Kriegspolitik kritisiere, sollte das nicht vergessen.
Ich fühle mich nicht auf den Schlips getreten.
> Wie z.B. die deutsche Kriegspolitik nicht zu kritisieren?
Im Gegenteil: schlagkräftiger und stringenter durch Verzicht auf
historische Assoziationen und ideologisch missbrauchte Begriffe.
> Was meinst du mit Klischees?
s. o.
> > Wir leben mit gewaltigen Gefahren historischer Wiederholungen.
> > Bloß eben nicht infolge dieser alten Kostümierungen.
> >
> > Hätte das Reich den Kolonialismus verinnerlicht, als Erwerbszweig,
>
> Das hat es. Siehe "Generalplan Ost".
Das Kaiserreich? Die haben nicht mal geahnt, wie erwerbsmäßiger
Kolonialismus funktioniert. Bestenfalls haben sie es anderen
geneidet. Wo sie einen Fuß an den Boden bekamen, waren sie so naiv,
deutsche Industrie-Anlagen aufzubauen (siehe Afghanistan).
> > hätte es die heutigen Rohstoffinteressen gekannt,
> > die zu Afghanistan, Jugoslawien und anderen Schlachtfeldern führen,
>
> Genau diese Rohstoffinteressen haben das Dritte Reich auf diese
> Schlachtfelder im Kaukasus und auf den Balkan geführt.
Eben nicht. Deswegen haben sie ja den Krieg in den Sand gesetzt. Weil
sie die Bedeutung so lange unterschätzten, bis es zu spät war. Hätten
sie es besser gewusst, hätten sie deutsche Interessen auf der
arabischen Halbinsel nicht zugunsten Englands verspielt und die
Wehrmacht wohl kaum durch Drittelung an der rechtzeitigen Zerstörung
des russischen Rüstungsindustrie zu hindern.
Als sie den Kaukasus angingen, taten sie das halbherzig (quasi zum
Auftanken) und zogen Symbolhandlungen vor, wie in Stalingrad. Ich
will nicht behaupten, dass sie den Krieg hätten gewinnen können, doch
der Verlauf illustriert die Ahnungslosigkeit in Bezug auf Energie-
und Rohstoffragen. Im WK1 wollten oder mußten Österreicher, im WK2
Italiener auf den Balkan (Realer Motive wegen, die wir damals nicht
haben konnten).
> Diese Lakaien(Kinkel, Fischer etc.) und ihre Politik sollte man aber
> trotzdem kritisieren dürfen.
In der Tat. Da stimme ich zu!