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  • Marzipan

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Re: beide Welten

ananemona schrieb am 17.08.2023 06:52:

Ich versuche nachzuvollziehen und objektiv zu bleiben, daß mich nicht gleich wieder Grauen packt und ich entsprechend reagiere; meint: wenn solche Negationen 'Inklusion als no go' von einem Höcke vorgebracht werden, erhebt sich in meiner Wahrnehmung dahinter eine zunehmend drohende Wand aus Totalitarismus bis hin zu allem Grauen was Kindern mit Behinderungen zur Nazizeit angetan worden ist.
[...]
Was mich auch beeindruckt und mir vor Jahren einmal jemand empfohlen hat - zum Thema Inklusion ist ein Film der Nichte von Wim Wenders, die die Kinder in ihrem Schulalltag begleitet hat.
https://www.sueddeutsche.de/kultur/berg-fidel-eine-schule-fuer-alle-im-kino-jakob-kann-gut-troesten-1.1468453

Danke dir für die konstruktive Antwort und den Link.

Was mich persönlich stört, sind undifferenzierte Schwarzweiß-Ansichten, denn es gibt fast immer auch Gründe für die Gegenseite, die man zumindest in Betracht ziehen sollte - und dann ggf. immer noch als nicht hinreichend genug verwerfen kann. Jedes Gesetz, egal ob es alle möglichen Varianten in dieselbe Schulklasse bringt oder jedes Kind in Einzelbetreuung setzt, wird irgendwen beeinträchtigen. Jede Schubladenaufteilung ist notwendigerweise für Grenzfälle ungerecht, egal ob Landesgrenze, Altersbeschränkung, Geschlechtsaufteilung, Behinderungsabstufung oder was auch immer. Man muss versuchen, den verschiedenen Bedürfnissen dabei jeweils so gut wie möglich gerecht zu werden, wie es in der Gesamtheit machbar ist.

Ich kenne mehrere Kinder mit unterschiedlich stark ausgeprägtem Autismus (alle mit IQ>120, das fällt übrigens bei der psychiatrischen Autismus-Diagnose nebenher ab und lässt nicht auf ehrgeizige Eltern schließen), die im "normalen" Gymnasium a) unauffällig, b) mit eigenem einsamem Pausenraum, Ohrenstöpseln in der Klasse und teilweise Homeschooling oder c) überhaupt nicht klarkommen. Da gibt es nicht den einen Autismus und den richtigen Weg für alle. Manche inkludieren sich, mache teilweise, manche gar nicht.

Was Höcke mit seinem populistisch schwammigen "wech damit" bewirkt, ist, dass sich sowohl hyperrechte Deppen als auch Eltern und Lehrer, die individuelle Inklusionsprobleme kennen, damit identifizieren können, und er so viel mehr Zuspruch ernten kann als er es mit einer klaren differenzierten Aussage würde, die konkrete Lösungen für konkrete Probleme aufzeigt. Das wäre ungleich schwieriger und leider auch viel weniger erfolgversprechend.

Der laute Aufschrei durch die Medien hat m.E. leider einen umgekehrten Streisand-Effekt. Wenn man das blöde Interview totgeschwiegen hätte, hätten viele rechte Arschbacken es gar nicht mitbekommen, aber so hat die undifferenzierte Aussage eine viel breitere Bühne erhalten.

So, genug Gefasel, das mir spontan dazu durch den Kopf geht. Schönes Wochenende.

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