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  • kalle53

28 Beiträge seit 03.07.2011

Deutsche Energiepartnerschaft mit Marokko: Auch ein Lehrstück

Auszug aus einem TP-Artikel vom 31.7.2021:

https://www.heise.de/tp/features/Deutsche-Energiewendungen-Vom-EEG-ueber-Desertec-zur-Wasserstoffstrategie-6149528.html

Warum Marokko als Präferenz?

Beim Blick auf den PtX-Atlas, der im Mai 2021 vom Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (Fraunhofer IEE) als zentraler Bestandteil einer im Auftrag der Bundesregierung erstellten Studie mit dem Titel "Weltweite Potenziale für die Erzeugung von grünem Wasserstoff und klimaneutralen synthetischen Kraft- und Brennstoffen" vorgestellt wurde, ergeben sich Marokko und Tunesien als Präferenz für eine solche "Energiepartnerschaft" mit Nordafrika.
Als physikalisch-technisch mit Abstand vorteilhafteste Standorte mit einem mehr als 10-fach größerem Potenzial sind dort jedoch Algerien, Libyen und Ägypten ausgewiesen, allerdings in dem zugehörigen Hintergrundpapier versehen mit dem Hinweis: "In diesen Ländern sind die sozioökonomischen Bedingungen jedoch schlechter".

Welche Kriterien hierbei zugrunde gelegt wurden, ist aber aus den Erläuterungen auf der Website des Projektes nur mit schwammigen Begriffen dargestellt und zudem relativiert mit dem Hinweis auf den vorläufigen Charakter der Kriterien, die in einen Gesamtindex eingeflossen sind. Wenngleich sich damit die erfolgten Abstufungen einer detaillierten Kritik entziehen, so kann zumindest die bereits bei dem früheren Desertec-Projekt vorhandene Präferenz für Marokko bewertet werden. Benötigt wurden und werden dafür "stabile" politische Verhältnisse.

Seit Jahrzehnten hat Marokko die angrenzende Westsahara völkerrechtswidrig besetzt und ist damit neben Israel (mit dem Westjordanland) der einzige Staat weltweit, der offen ein fremdes Territorium kolonial besetzt hält. Marokko dient neben Tunesien auch als Brückenkopf der NATO in Nordafrika.

Anfang 2021 gab es aber eine erhebliche diplomatische Verstimmung zwischen Deutschland und Marokko. In einer Erklärung des marokkanischen Außenministeriums ist von "feindseligen Handlungen und Aktionen" die Rede, indem sich Deutschland "durch eine negative Haltung in der marokkanischen Sahara-Frage hervorgetan" habe.

Auf dem ersten Blick mag dieses der deutschen Präferenz für Marokko als "Energiepartner" widersprechen, denn auch in dem o.g. SRU-Gutachten zur Nationalen Wasserstoffstrategie wird (unter Absatz 196) bezugnehmend auf diesen Vorgang kritisch angemerkt, dass dieses "mit den gleichen geopolitischen Risiken verbunden [ist] wie der heutige Import von Erdgas." Man muss dabei jedoch die Motive des Königreichs Marokko verstehen.
Für Marokko hingegen ergab sich damals bereits die Chance, die diplomatische Isolierung als Kolonialmacht abzuschütteln, indem man die Wirtschaftsinteressen einer globalen Führungsmacht wie Deutschland bedient. Insofern ist die jüngste diplomatische Verstimmung nichts anderes als ein Erpressungsversuch: Deutschland soll gefälligst die menschenrechts- und völkerrechtswidrigen Interessen Marokkos bedienen, mit der Unterstützung deutscher Wirtschaftsinteressen und der NATO-Partnerschaft als Gegenleistung.

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