Der Verweis auf den ersten Weltkrieg erhärtet den Verdacht, dass der Autor Weltpolitik aus der Perspektive des Kräftemessens großer und mittelgroßer Akteure sind. Damit liegt er nicht prinzipiell falsch, es verschließt sich ihm jedoch das tatsächlich vorhandene breit gefächerte Spektrum an Interessen und Motiven. In der Realität geht es den Herrschenden nicht allein um die Erhaltung und den Ausbau von Macht, sondern gleichsam spielen wirtschaftliche Motive, religiöse Ambitionen, kulturelle Differenzen, historisch begründeter Argwohn, persönlicher Ehrgeiz von Staatslenkern und vieles Andere mit.
Wenn etwa Russland ein ähnliches Machtstreben wie den USA unterstellt wird (These 7), werden dessen Erfahrungen der chaotischen Zustände aus jüngster historischer Zeit nicht berücksichtigt. Mit seiner Hilfe an andere Staaten verfolgt Moskau offenbar auch das Ziel, sie vor dem Risiko eines „Failed State“ zu bewahren, worin westliche Regime-Change-Initiativen oftmals mündeten. Das primäre russische Ziel wäre demnach nicht Machtanhäufung, sondern die Bewahrung von Frieden, Eintracht und Wohlstand in den betroffenen Ländern.
Auch lässt sich das Eintreten für eine multipolare Welt durch Russland und China nicht auf eine Stufe mit den unipolaren Vorstellungen der USA stellen. Zum einen verteidigen sie das Völkerrecht und setzen sich für die Einhaltung internationaler Verträge ein, zum anderen unterstützen sie das Recht jedes Staatsvolks, sein eigenes Regierungs- und Gesellschaftsystem zu wählen und seine kulturelle Eigenheit zu bewahren.
Indem sich Politik für den Autor als ein Kräftemessen staatlicher Führungen darstellt, unterschätzt er augenscheinlich die Rolle der Medien. Sie als Dummlinge darzustellen, die auf Kriegspropaganda hereinfallen würden (These 8), negiert ihre Rolle als deren eigentlicher Produzent. Ohne die gezielte Verdrehung von Tatsachen durch die Medien wär der Glaube der Bürger, dass sich die Politik ihrer Regierungen an humanitären und demokratischen Zielen orientiert, längst erschüttert.
Ansonsten kann den Thesen des Autors zugestimmt werden. Der darin angelegte Pessimismus mag manchen Leser vielleicht bedrücken.