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4 Beiträge seit 06.05.2002

Erneute Darlegung meiner Gedanken

Werter Herr Leuenhertz,

meine inhaltliche Kritik bezog sich darauf, dass in Ihrem Beitrag
etwas versprochen wird, was bis zum Schluss nicht erfüllt wird. Die
Verwendung von stilistischen Mitteln verursacht dies maßgeblich, aber
dazu unten im nicht inhaltlichen Teil mehr. 

Es entstand der deutlich Eindruck, dass an den Forumsbeiträgen Kritik
dahingehen geäußert wurde, dass sie unrealistisch und dank Verwendung
unscharfer Begriffe wie "die Gesellschaft" und "die Gene"
traditionell, also mit anderen Worten veraltet sind. Sie sprechen
sich deutlich dafür aus, dass auf dieser Ebene eine Erklärung "schon
seit Jahrtausenden scheitert".

Ich halte eine Erklärung des Phänomens und das Schaffen von
Verbindungen über die Ebenen hinweg bis zur übergeordneten für
möglich und haben das teilweise dargelegt. Eine Diskussion in diese
Richtung wäre interessant.

Leider wiederhole ich mich auch bei dieser Teilkritik, aber ich gebe
mir Mühe, es anders plausible zu machen. Das, was Sie vorschlagen hat
in erster Linie wenig mit Realismus im Sinne einer neuen geistigen
Strömung zu tun (dieser Ausdruck wird unten geklärt), sondern ganz
einfach mit einer pragmatischen Herangehensweise. Sie möchten dort
ansetzen, wo wir kurzfristig und schnell beginnen können und
bezeichnen dies als neuen Realismus, wo hingegen andere scheinbar
nicht realistisch sind. Die Bezeichnung Pragmatismus und eine
einfache Aufforderung zu einem entsprechenden Denken und Diskutieren
wären treffender gewesen.

Eine übergeordnete Instanz, die auf hoher Ebenen und auf Grund der
übergeordneten Zusammenhänge eingreifen kann, wird es nie geben. Das
ist auch nicht verwunderlich, weil diese eine Aggregation darstellt.
Dieser übergeordnete Bereich ist nur veränderbar, wenn seine Teile
als Gesamtes verändert werden. Der im Beitrag von mir angesprochene
Anspruch an das eigenen Handeln (eigentlich alles keinen neuen Ideen)
kann das leisten. Er muss dafür von allen und den genannten
Schlüsselpersonen aufrichtig und überzeugend gelebt werden. Gesetze
können dies niemals leisten, aber bspw. in einem Teilbereich
Kommentare bei Telepolis, womit ich mich Stilfragen bereits nähere.
Aber unten dazu mehr. (Wird meiner Meinung, dass Gesetze wenig
Einfluss auf korrektes Verhalten haben, nicht auch dadurch bestätigt,
dass selbst die Lehrer beim Verweis von Robert S nicht ganz den
aufgestellten Regeln entsprechend gehandelt haben? Nun, ich kenne
nicht die Hintergründe und bedingt durch die Schwere der Ereignisse
ist das Beispiel wenig geeignet, eine Erörterung zu beginnen. Leider
bleibt dadurch der Umstand, Personen mit Vorbildfunktion haben sich
nicht vorbildlich verhalten, obwohl schriftliche festgehaltene Regeln
existierten, vorerst offen.)

Menschen werden immer Wege finden, Unheil anzurichten, wenn ihnen
danach ist. Durch Gesetze kann man dies erschweren und sollte es auch
tun, aber nur durch eine Ergänzung durch obige Vorschläge wirklich
effektvoll und langfristig verhindern. (Ein versperrtes Lehrerzimmer,
einen Benzinkanister und ein Streichholz lassen sich gesetzlich nicht
verhindern).

Sie schneiden noch viele Punkte an, die aber in einem ersten Schritt
nur isoliert diskutiert werden können. In einem zweiten können sie
ordentlich in eine etwaige  große Struktur eingefügt werden.

Ich möchte nur einen Punkt, da sie ihn explizit wünschten, behandeln:
die Spieltheorie. Die Spieltheorie macht die Beschreibung und
Erklärung von unterschiedlichem Verhalten und die unterschiedliche
Verteilung dessen möglich. Sie trifft klare, von der Realität oft
bestätigte Aussagen. Zu diesen Verhaltensformen gehört u.a. Egoismus
und Eigennutz, also das Gegenteil, vom dem, was ich in anderem
Zusammenhang ansprach. Die Aussagen der Spieltheorie helfen also, zu
verstehen und Grenzen von Forderungen, wie meiner nach mehr
Pflichtbewusstsein, Verantwortung und Rücksicht, klar zu erkennen.
Daraus können wir bspw. ableiten, dass ‚der Mensch schwach ist und
des Staates bedarf' (Hobbes? - ist nicht von mir). Wir wissen aber
auch, dass es Gleichgewichte gibt, die sich verschieben lassen. Ein
solches Gleichgewicht findet bspw. Ausdruck in einer
stillschweigenden, nicht staatsgesetzlichen gesellschaftlichen
Vereinbarung über den allgemeinen Umgang mit Menschen. Einmal kurz
und plakativ: gibt es viele Egoisten, ist der Umgang entsprechend(*).
Aber Gleichgewichte sind ja verschiebbar. In diesem Zusammenhang habe
ich die Spieltheorie erwähnt. Sie ist Baustein des Ganzen, nicht die
Einzelerklärung. (* Kant schrieb aber schon von intelligenten
Egoisten/Teufeln (genauer Wortlaut ist mir nicht mehr bekannt) und
auch die Spieltheorie selbst würde es so sehen: Egoismus bringt nicht
zwangsläufig extreme Verlierer hervorbringt. Dem liegen aber
Bedingungen zu Grunde (gleiche Chancen), die real nicht gegeben
sind.)

Zum Schluss noch die Klärung eines Missverständnisses. Ich meinte,
extreme Zeiten lassen die Menschen zusammenrücken, was auch den
Schwächsten und den Verlierer einschließt. Er erfährt dann nicht
Isolation, sondern Gemeinschaft, Integration und Rückhalt. Ich habe
eine Gesellschaftswende miterlebt und weiß, wovon ich spreche, auch
wenn diese Dinge nicht von langer Dauer sind. Denken sie einfach an
den 11. September und den darauf folgenden Zusammenhalt.

Soviel zum inhaltlichen Beitrag. 

Wie ich schon schrieb, ich habe bewusst und aus Ärger einen starken
Gegenpol gesetzt, und da wir aufeinander zukommen, muss es nicht
wieder geschehen (davon abgesehen, dass es für beide Seiten belastend
ist).

Ich bezweifle, dass Sie wirklich Dank für meinen Beitrag empfinden.
Wenn mein Zweifel zutrifft, stellt sich die Frage, warum sie es
dennoch schreiben. Wenn er nicht zutrifft, wäre ich sehr auf eine
wirklich überzeugende Begründung gespannt. Es sind unaufrichtige
Formulierungen und Widersprüche, die junge Menschen verwirren. 

Eine Vermischung von Objekt- und Beziehungsebene (Sach- und
Stilebenen) ist nicht empfehlenswert, da eine konsequente Trennung
dieser Ebenen einer inhaltlichen Diskussion immer zu Gute kommt.
Schmeicheleien und ähnliche wohlwollende und vereinnahmende
Äußerungen mögen zwar in gewissen Kreisen der übliche Umgang sein,
verführen jedoch zu einer leichtfertigen Akzeptanz von falschen oder
widersprüchlichen Aussagen oder zum Ausbleiben einer kritischen
Prüfung (das ist kein unbekannter Effekt und kommt häufig (eher
unterbewusst) zum Einsatz). Wäre ich in diesem Beitrag wirklich
grundlos gehässig, hätte ich diesmal geschrieben: "Ich gehe wieder
mit einem Beispiel voran und hoffe, dass Sie diesmal folgen." Aber
das habe ich nicht getan, da diese Aussage in Bezug auf den Beitrag
logisch gar nicht zulässig ist.

Auf Grund der Verwendung von stilistischen Mitteln entsteht der
Eindruck, dass Sie eine neue Denkweise oder geistige Strömung
einführen wollen. Für mein Empfinden formulieren sie unangemessen
bedeutungsschwanger, und der Titel spricht eigentlich für sich.
"Neuer Realismus" assoziiert ein realistisches herangehen, was
gleichzeitig die Aburteilung der vorangegangen Beiträge, auf die sie
sich bezogen haben,  als unrealistisch impliziert. Das sprechen Sie
aber nicht aus, um nicht unhöflich zu sein, gemeint ist es trotzdem
so, auch wenn es die meisten nicht sehen. Im Bezug auf die Beiträge
mag es vielleicht zutreffen, aber nicht auf das, was sie anbieten
(eigentlich Pragmatismus anstatt neuer, d.h. noch nie vorgeschlagener
nichttraditioneller Denkweise ). 

Es ist besser, die "inhaltliche Konsequenz" beim Namen zu nennen,
anstatt sie zum Wohle stilistischer Mittel zu verstecken, denn
nirgendwo wird sie explizit und prägnant aufgeführt. Ich finde, Sie
haben einfach übertrieben bei der Verwendung von stilistischen
Mitteln und zwar zum Schaden und einem schlechten Verständnis des
Inhalts. Ein sachlicher Beitrag sollte anders geschrieben werden,
besonders dann, wenn er sich an ein Publikum wendet, dass sich
solcher Mittel nicht bedient. Sie geben sich dadurch selbst den
Nimbus des Höheren und grenzen sich ab und damit andere aus (wie ich
schon ansprach). Stilistische Mittel in extremen Umfang sollten eher
ihren Platz in einem Roman finden, als in einer sachlichen
Erörterung. 

Zum Schluss ein allgemeiner Hinweis auf Inkonsequenz (nicht direkt an
Sie). Die Verwendung von "Amerikanismen" wird als Schaden für die
deutsche Sprache (derer ich wirklich nicht einhundertprozentig
mächtig bin :-)) bezeichnet. Bei "Lateinismen" wird eine
ungerechtfertigte Ausnahme gemacht. Auch lateinische Begriffe haben
oft eine entsprechende deutschen Übersetzung, bei der nichts an
sachlicher Aussagekraft verloren geht.

Würden Sie offen, ehrlich und ohne stilistische Mittel zum Ausdruck
bringen, dass ich Sie gekränkt habe, was auf anderem Wege
offensichtlich ist, würde ich mich öffentlich und ganz normal wie es
sich gehört entschuldigen. Denn auch menschlichen Umgangsformen
sollten Logik und Konsequenz zu Grunde liegen, da nur das von jungen
Menschen - eigentlich von allen - als offen und ehrlich verstanden
wird.

Diese Auseindersetzung (sie ist nichts anderes) als fruchtbar und
geistig anregend (denn das ist sie auch) schätzend 

Dirk Weiß



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