Ich sehe hier zwei wesentliche Versäumnisse und dann auch Fehleinschätzungen.
1. "Shopping" ist sowieso ein vollkommen überschätztes Phänomen. Man weiß aus der Marktforschung und den Sozialwissenschaften, dass die Menschen jenseits der 50 für den Konsum weitgehend verloren sind. Die vor 14 sind nur bedingt als Konsumenten ansprechbar. Und deswegen ist die werberelevante Zielgruppe ja auf 15 - 49 fokussiert.
Die ist macht aber schon nur noch die Hälfte der Bevölkerung aus - und wird bezüglich des Shoppens dann durch sozioökonomische Eigenschaften weiter eingeschränkt: Zu wenig Einkommen, zu weit weg von Malls und Stadtzentren, aus anderen Gründen einfach nicht interessiert...
Wenn wir also als Begründung heranziehen, dass ein Einkaufserlebnis die Innenstädte beleben würde, so setzen wir dann voraus, dass das ein kleiner Teil der Bevölkerung irgendwie erledigt.
Das hat dann insofern sogar seine Richtigkeit, als dass die Ausstattung der entsprechenden Lokalitäten sich in den letzten 30 Jahren extrem eingeengt hat: Media Markt für den Papi, Nanu Nana für die Mami und irgendein Klemmbaustein-Store (Hähä!) für die Kinder. Überall gleich... Da kann ich das Schützenswerte kaum erkennen...
Bei der Ursachenforschung kommt man allerdings relativ umstandslos zu meinem Kritikpunkt Nummer 2:
Die Ladenmieten müssen erwirtschaftet werden und die müssen sich im globalen Konkurrenzkampf gegen Drogenhandel und Kryptowährungen behaupten. Das kann nicht funktionieren. Und gerade bei den Gewerbemieten gibt es überhaupt keine Regulierung und demzufolge auch gar keine Möglichkeiten für die Kommunen hier einzugreifen.
Wen man von "Konzepten" zur Rettung der Innenstädte redet, kann man das nicht tun, ohne sich den Eigentumsverhältnissen und den sich daraus ergebenden Zwängen zu stellen. Und der Autor macht einen großen Bogen drumrum.
Letztendlich ruiniert der Kapitalismus jedes Gemeinwesen, weil er die Individuen zu Optimierung auf Kosten der Allgemeinheit zwingt. So ist das letztendlich auch beim Einzelhandel: Der tut das, was den besten Ertrag verspricht, um vor allem diejenigen mit Einkommen zu bedienen, die ihn mit Strom und Fläche versorgen.
Man kann vielfältige Innenstädte schon haben - aber dann muss man die Mieten, die Ertrage und die Löhne der Konsumenten in eine Balance bringen, die das Konsumieren auch ermöglichen. Und es würde auch helfen, wenn man die globalen Handelsriesen zu einem fairen Handeln zwingen würde.
Mein Vorschlag wäre zum Beispiel Körperschaftssteuer und Umsatzsteuer gegeneinander zu verrechnen und die Umsatzsteuer drastisch anzuheben. Für Ortsansässige würde die Belastung gleichbleiben, aber Amazon hätte keine gegenrechenbaren Körperschaftssteuern und würde wegen der hohen Umsatzsteuer trotzdem die gleiche Gesamtsteuerlast haben.
Genauso würde ich den Kommunen grundsätzlich gestatten beliebige Mietobergrenzen festzulegen - als Alternative zu Enteignungen/Kommunalisierungen wegen des Geimwohlvorbehaltes von Eigentum in praktisch allen Länderverfassungen und dem Grundgesetz.
Diese Schieflagen sind allesamt Folgen von Verteilungsproblemen... Und Robert Kaltenbrunner drückt sich, wie so viele, vor der Ursache und der sich daraus ergebenden Konsequenzen - und kaut mehr oder weniger sinnlos auf den Symptomen herum.