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mehr als 1000 Beiträge seit 10.01.2003

Qualität ist, was der Kunde zahlt, Garantie, was der Gesetzgeber vorschreibt

Bin in der Elektronikbranche zu Hause. Da geht einiges an Schindluder vor. Aber aus meiner Ecke heraus sind keine Veränderungen möglich, ich arbeite eben nur als kleiner Prüffeldleiter in einem kleinen Elektronikfertiger, der für Industriekunden aller Art Platinen herstellt und auch designed.

Zum Thema Qualität: Qualität ist, was der Kunde bezahlt. Wir haben Kunden, die wollen keine Prüfung bezahlen. Lohnt sich manchma nicht, weil die Platine selbst 2 Euro teuer ist und für 20 Euro verkauft wird. Reparaturen kosten Zeit, da ist bereits einmal Nacharbeit schon fast zu teuer. Fehlersuche und Reparatur sind da gar nicht einkalkuliert.

Im gleichen Hause werden aber auch teilweise Gesamtsystem im 5-stelligen Betrag hergestellt, da wird Tod und Teufel in Bewegung gesetzt, damit die Geräte beim Kunden fehlerfrei ankommen und definitiv nicht im Feld ausfallen. Das sind teilweise Geräte im Medizinbereich, teilweise bei der Flugsicherung. Da wird Geld in die Hand genommen, damit das Material für die Ewigkeit gebaut wird, wenigstens aber in 10 Jahren höchstens mal eine Stunde ausfällt.
Das Material ist, außer wenn's längst abgekündige Exoten sind, bezahlbar und macht teilweise nur 10, 20% des Verkaufswertes aus, auch bei den Hochpreisprodukten.

Und dazwischen läuft das Tagesgeschäft. Platinen, die zwischen 100 und 1000 Euro kosten das Stück. Da lohnt sich i.d.R. das Prüffeld, da lohnen sich Inspektionen, Flying Probe oder IC-Tests, da lohnen sich Funktionstests. Weil man da die Qualität hochbringt und am Ende eben 1% Ausfallrate erzielen kann. Idealerweise kriegt der Kunde 100% Gut und keins davon kommt während der Garantiezeit zurück. Qualität wird aber auch teilweise durch Vorschriften wie beispielsweise IPC-Normen und in der ISO9001 geregelt.

Und das ist das andere Thema: Garantie. Die Mindestgarantiezeiträume sind gesetzlich vorgeschrieben, der Rest wird vertraglich geregelt. Ja, wir haben Kunden, die wollen 10 Jahre Garantie. Die bekommen auch 10 Jahre Garantie. Das Produkt ist dann ein gutes Stück teurer, weil darauf nur Komponenten eingesetzt werden, die ihrerseits mindestens 10 Jahre Garantie haben müssen. Die dürfen in den 10 Jahren nicht nennenswert altern, dürfen nicht an Kapazität verlieren oder an Induktivität. Die Programmierung muss 10 Jahre lang draufbleiben usw usf.

Die meisten Kunden sind aber mit einem oder zwei Jahren Garantie zufrieden. Und bekommen dann eben auch Produkte mit Komponenten für diesen Zeitraum. Gut, es gibt keine Bauteile, die nur ein Jahr Garantie drauf haben, nicht dass ich wüsste. Aber es gibt mehr Spielraum, wie alt die PCBs sein dürfen (siehe Shelf-Life, also Aufbewahrungszeitraum) und welche Vorbehandlungen erforderlich sind. Was nur ein Jahr lang halten soll, kann auch unter weniger optimalen Bedingungen gefertigt werden, was Geld sparen hilft. Was zwei Jahre halten muss, bekommt eben keine durch Lagerung "vorgealterten" Komponenten drauf, sondern möglichst neuwertige Ware. Ist aber nicht immer drin: manche alten Sachen sind abgekündigt und die Brokerware ist teilweise schon 5, 6 oder 10 Jahre alt. Kann man nix machen, der Kunde weiß das aber dann auch.

Qualität ist das, was der Kunde zahlt, Garantie das, was vom Gesetzgeber mindestens vorgeben wird.

Und solange der Gesetzgeber eben erlaubt, dass Produkte nach zwei Jahren ihre Garantie verlieren, wird der Hersteller dieser Produkte eben keine Bauteile und Komponenten verwenden, die ihrerseits viel langlebiger (und damit teurer) sind. Es ist keine "geplante Obsoleszenz" - it's capitalism!

Ergo: wenn wir was ändern wollen beim Konsumverhalten, müssen die gesetzlichen Garantiezeiten deutlich verlängert werden. Das macht die Produkte zwar erstmal teurer. Aber kein Produkt mit fünffacher Garantiezeit (10 statt 2 Jahre) wird auch fünfmal, sondern höchstens doppelt so teuer. Unterm Strich lohnt sich dann a) die Reparatur wieder (kostenpflichtige Reparatur mit kostenlosen (Garantieleistung) Komponenten etwa) und b) ist jede Anschaffung eine Investition in den Wohlstand eines Haushalts, weil die potentielle Lebens- und Nutzungsdauer den finanziellen Einsatz mehr als wettmacht (Waschmaschine vs Waschsalon z.B.).

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