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  • Clementinus

7 Beiträge seit 04.02.2021

Identitäre-nationalistische Propaganda als Journalismus getarnt

Logischerweise ist in Deutschland das Wissen über Katalonien (nicht "Katalanien", bitte Duden nachschlagen!) ziemlich begrenzt. Auch in Spanien hat man eine sehr vage Ahnung, was Sachsen, Bayern, Preußen usw. kulturell, historisch, geographisch etc. sind. Leider wird diese Lücke bei manchen deutschen Medien immer wieder dazu benutzt, um den Leser parteiisch zu beeinflüßen, statt ihn zu informieren. In diesem Sinne handeln manche "Autoren" (Journalisten kann man sie nicht nennen, weil das, was sie treiben, diesen Namen nicht verdient) eher als Lobbyisten und Propagandisten der separatistischen Bewegung, denn als zuverlässige Berichterstatter. Dabei spielen sie mit alten Klischees, historischen Fälschungen, halben Wahrheiten, tendenziösen Andeutungen und, wenn es notwendig ist, sogar mit glatten Lügen. Mittels sophistischer Argumentation appellieren sie subliminal viel mehr an die Emotionen und Gefühle der Leser (Empathie mit den scheinbar Unterdrückten , Empörung gegen die angeblichen Unterdrücker etc.), als an ihren Intellekt und ihre Vernunft. Ein immer wieder verwendeter Trick ist, glauben zu lassen, dass in Spanien das Franco-Regime immer noch heimlich herrscht, dass die spanische Transition zur Demokratie, die vor mehr als 40 Jahre stattfand und an welche die kommunistische und die sozialistische Partei nicht weniger beteiligt waren, als katalanischen und baskischen Nationalisten, der König und ehemalige Franquisten, eine Inszenierung und eine Farce war. Eine andere grobe Unwahrheit ist die Behauptung, dass "die Katalanen" immer antifranquistisch orientiert waren: wer Katalonien persönlich schon in Francos Zeiten kannte (Franco starb 1975!), weiß sehr gut, dass es in Katalonien so viele passive Franco-Anhänger und so wenige wirklich aktive Franco-Gegner gab, wie überall in Spanien. Das ist die nicht "idealisierte", prosaische, vielleicht unschöne Realität. Die politischen Neigungen der Eltern und Großeltern von Separatisten wie z. B. Puigdemont zeigen, wie es wirklich war: während des Bürgerkriegs flüchtete Opa Puigdemont vom republikanischen zum franquistischen Gebiet, wo er als Koch in einem Gefängnis arbeitete, und kam mit den Siegern als Falangist nach Hause zurück!
Aber die größte Fälschung ist, dass "die" Katalanen für ihre nationale Befreiiung kämpfen. In Katalonien gibt es mindestens so viele Gegner wie Befürworter der Unabhängigkeit. Auf beiden Seiten findet man "echte" Katalanen neben "Migranten" aus anderen spanischen Regionen und ihre Nachfahren. Katalonien ist heute leider eine tiefgespaltene Gesellschaft.
Und was immer wieder in solchen Artikeln verschwiegen wird ist, dass die heute unter sich konkurrierenden katalanischen separatistischen Parteien eine nationalistische und identitäre Bewegung bilden - mit alldem, was das Bedeutet: intellektuelle Enge, Hass, Fremdenfeindlichkeit, Egoismus, Mythologisierung der Geschichte, Spießertum, Chauvinismus, Aggressivität... Seit etwa 10 Jahren gibt es in ganz Spanien auch eine ähnliche neofranquistische Partei namens Vox. Ihre Existenz als Reaktion verdankt sie den extremen Linken und den katalanischen und baskischen Nationalisten. Jetzt haben sie ein ideales, symetrisches (aber auch ihnen erstaunlich ähnliches!) Feindbild, das ihre eigene Existenz rechtfertigt. Deutsche, die für "Identität" und "Nation" in Katalonien schwärmen, sollten jeden Bürger bedenklich machen, denn sie sind nicht gerade harmlos: warum sollten sie nicht für dasselbe, wie in Katalonien, in Deutschland zustehen?.

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