MiMoses schrieb am 11.09.2017 21:58:
Also, wenn psychisch kranke Eltern mal kein pathogener Umweltfaktor sind, dann weiß ich es auch nicht. Ich hab als Kinder- und Jugendpsychotherapeut jedenfalls die Erfahrung, dass eigentlich selten bei einem psychisch kranken Kind bei den Eltern alles in Ordnung ist (manchmal gibt es allerdings auch elterliche Schicksale, die jedem noch so Gesunden zu schaffen machen würden oder traumatische Erfahrungen bei Eltern oder Kindern). Das könnte man jetzt zwar auch wieder genetisch münzen, allerdings gibt es auch rezessive Gene. D.h. es müsste demnach auch kranke Kinder gesunder Eltern (vielleicht mit kranken Großeltern) geben.
Genau dafür, um Umwelt- von genetischen Faktoren zu trennen, gibt es Zwilings- und Adoptionsstudien. Wer wird eher psychisch krank, ein Kind psychisch kranker Eltern, das bei gesunden Adoptiveltern aufwächst oder umgekehrt? Damit kann man genetische Faktoren recht zuverlässig eingrenzen.
Laß Dir doch noch mal auf der Zunge zergehen: 1000e verursachende Gene in jedem Menschen! Da wird doch die Erklärung über den genetischen Faktor masslos überdehnt! Selbst wenn wir uns auf Epigenetik einigen (um des lieben Friedens willen), hat doch der genetische Faktor auf dieser Basis überhaupt keine Aussagekraft mehr.
Warum soll das keine Aussagekraft haben? Die Welt ist halt nicht so einfach, wie wir sie gerne hätten. Wenn 1000 Gene zusammenwirken, um einen Effekt zu verursachen, kann der Effekt genauso stark ausgeprägt sein, äußert sich aber in einem Kontinuum statt Entweder/Oder. Beispielsweise bei Körpergröße und Intelligenz ist sehr wenig darüber bekannt, welche genetischen Faktoren dazu beitragen; die Existenz beträchtlicher genetischer Einflüsse steht aber außer Zweifel (außer bei denen, die aus theologischen Gründen, die Möglichkeit genetischer Einflüsse auf die Intelligenz prinzipiell ablehnen, um es mit Steven Pinker zu formulieren).