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  • Lilywhite Lilith

294 Beiträge seit 29.05.2006

Kriegstüchtigkeit! Und die Kirchen? Läuten die Glocken zum "Friedensgebet"

Die Rolle, die die beiden Großkirchen spielen in der aktuellen Frage um Krieg und Frieden, sollte hier auf Telepolis ruhig auch einmal genauer beleuchtet werden. Ihre Beiträge zum Thema sind schon aus ihrem Selbstverständnis heraus (Berufung auf die "Lehren" jenes Jesus von Nazareth) interessant, und sie haben nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Gesellschaft und wirken in sie hinein. Auch die vielen Schnittpunkte vieler Repräsentanten der beiden Großkirchen besonders mit Repräsentanten der Grünen sind unübersehbar und sollten genauer beleuchtet werden.
"Katrin Göring-Eckardt, Synodale und Grünen-Bundestagsabgeordnete sagte dagegen, sie setze sich als evangelische, in der DDR sozialisierte Christin für Waffenlieferungen ein. "Es gibt keinen ungerechten Frieden, dann wäre es kein Frieden", betonte sie."
(Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/ekd-synode-ukraine-101.html)

Nach der von Boris Pistorius geforderten "Kriegstüchtigkeit" habe ich keinen Aufschrei der beiden Großkirchen vernommen. Und der Beitrag der Kirchen zum Frieden in der Ukraine? Erschöpft sich im Glockenläuten zu den wöchentlich stattfindenden "Friedensgebeten". Was ist da los?
Ein ehemaliger Pfarrer und ehemaliger Bundespräsident, Joachim Gauck, tätigt öffentlich Äußerungen, über die Dietrich Bonhöffer oder Dorothee Sölle wohl nur fassungslos den Kopf geschüttelt hätten:

https://www.tagesspiegel.de/politik/joachim-gauck-auf-der-sicherheitskonferenz-erst-ein-monumentaler-weckruf--und-dann-die-schlummertaste-9368531.html

Aber heute bestimmen Gestalten wie Heinrich Bedford-Strohm oder Anette Kurschus ("Waffen helfen, sich zu wehren und zu verteidigen, sie können Leben retten, das ist sehr viel.") den Kurs der EKD, mit erkennbar schweren Defiziten an analytischem Sachverstand.

Da ich in eine protestantische Pfarrfamilie hineingeboren wurde, interessiert mich als Anhängerin der alten und starken, jetzt leider mausetoten Friedensbewegung ganz besonders auch das Verhalten der beiden Großkirchen in der ausgerufenen "Zeitenwende".

Meine beiden älteren Geschwister haben als Kinder die Schrecken des Krieges noch miterlebt. Unser Vater entkam einer Einweisung ins KZ nur sehr knapp, da er als Mitglied der "Bekennenden Kirche" den Nazis sehr unangenehm aufgefallen war. Die Nazis ließen Gnade walten, und so durfte er als Sanitätssoldat die Schrecken des Krieges hautnah miterleben und entkam dem Tod sehr knapp.
Nach der Rückkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft war er von den Folgen der "Kriegstüchtigkeit" gezeichnet und später entschiedener Anhänger der Friedensbewegung. Er hat sich nach dem Krieg sehr intensiv mit Rußland beschäftigt und viel Literatur zum Thema gelesen (Klaus Mehnert u.v.a).

Im Gegensatz zu meinem Vater haben meine beiden älteren Geschwister das weitverbreitet Bild vom "aggressiven, bösen Russen" nie abgelegt, sondern sich dieses in den Medien weithin gepflegte Feindbild kritiklos angeeignet. Sie unterstützen die Politik der Ampel, was die Ukraine betrifft, fast widerspruchslos. Eine sachliche, emotionslose Unterhaltung mit ihnen ist unmöglich.

Wie ist die Position der EKD in Deutschland?

Auf der Webseite der EKD lese ich folgendes:

Seit dem erneuten Angriff Russlands in diesem Februar auf die Ukraine, nach der Annexion der Krim und dem Krieg im Donbas seit 2014 sind zehntausende Menschen getötet, Hunderttausende verletzt und Millionen aus ihren Heimatorten vertrieben worden. Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind ein bewusstes Instrument der russischen Kriegsführung. Dazu gehören auch die Drohung mit einem Atomkrieg und die gezielte Gefährdung von Atomkraftwerken. In den von russischen Truppen besetzten Gebieten hat sich eine Herrschaft des Terrors mit schwersten Menschenrechtsverletzungen etabliert, die auch auf die Ausrottung der ukrainischen Kultur zielt.

Am Ende müssen Verhandlungen stehen, die einen Rückzug der russischen Truppen und die Wiederherstellung der Souveränität der Ukraine zum Ziel haben. Nur so kann deutlich gemacht werden, dass militärische Aggression und imperiale Ansprüche nicht belohnt werden.

Quelle:
https://www.ekd.de/beschluss-frieden-gerechtigkeit-bewahrung-der-schoepfung-76163.htm

Mir stellt es sich so dar, daß die EKD im Wesentlichen die Position der gegenwärtigen Ampelregierung vertritt, die sich leicht in dem Satz zusammenfassen läßt:

Der Russe ist fast an allem schuld!

Nirgends auch nur eine Spur von Kritik an der ausgerufenen "Zeitenwende", der Forderung nach "Kriegstüchtigkeit" und den damit verbundenen Verantwortlichkeiten an der katastrophalen Entwicklung, die nur eines kennt: Eskalation. Keine Spur von tiefergehender Analyse der Ereignisse, die zum "Angriff Russlands" geführt haben. Nichts dergleichen.

Geht die Eskalation ungebremst weiter, könnte der Slogan von einst, "Schwerter zu Pflugscharen", demnächst in "Glocken zu Haubitzen" umformuliert werden. Die Glocken wurden ja im letzten Krieg auch für die Waffenproduktion gebraucht und beschlagnahmt. Diesmal würden diese vermutlich freiwillig gespendet werden, wenn die Rohstoffe knapp würden.

Wäre man bösartig oder gar zynisch, könnte man vermuten, daß sich die Kirchen im Zuge einer wiedererlangten "Kriegstüchtigkei" erhoffen, verlorengegangene Betätigungsfelder zurückzuerobern. Mehr Soldaten bedeuten doch z. B. auch einen erhöhten Bedarf an Militärseelsorgern. Im Kriegsfall steigt der Bedarf an Kasualien (z. B. Beerdigungen). Im Kriegsfall wird auch wieder allgemein mehr gebetet, was die weiter drastisch ansteigend Zahl an Kirchenaustritten stoppen und die Wiedernutzung fremdgenutzter Kirchen als Betstätten zur Folge haben könnte. Kurzum: Die Kirchen könnten einen neuen Frühling erleben.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (11.01.2024 16:40).

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