Arno Y schrieb am 18. März 2006 14:34
> Spaceman_Spiff schrieb am 17. März 2006 23:08
> > einfach zurückgeben. Das macht natürlich die Entscheidung zur
> > Einstellung von Arbeitnehmern auf den ersten Blick leichter.
>
> Nicht nur auf den ersten Blick! Es vermindert vor allem bei kleineren
> Unternehmen das Risiko, dass jeder Mitarbeiter darstellt.
> Schliesslich kann sich die Auftragslage schnell wenden, oder der
> Mitarbeiter ist doch nicht so produktiv wie erhofft.
Das ist AFAIK das Hauptargument für das frz. Gesetzesvorhaben. Es
wird allerdings dadurch abgeschwächt, dass Unternehmen bereits jetzt
auf andere Instrumente zur Risikoabsicherung zurückgreifen können.
(1) Die klassische Lagerhaltung zur Abfederung schwankender
Auftragseingänge -- geht natürlich nicht bei Dienstleistungen oder
verderblichen Waren. (2) Befristete Verträge -- sinnvoll in
Bereichen, die starken saisonalen Einflüssen ausgesetzt sind. (3)
Mitarbeiterleihe von Zeitarbeitsfirmen -- hat die größte
Flexibilität, die das Unternehmen natürlich auch bezahlen muss. Bei
(2) und (3) weiß ich allerdings nicht, inwieweit diese Instrumente in
F zulässig und üblich sind. Wenn nicht zulässig, dann zieht Dein
Argument natürlich. Wenn doch zulässig, wird die geplante
Flexibilisierung des Arbeitsmarktes im Segment derjenigen unter 26
kaum was bringen, befürchte ich.
> [...]
> Aber selbst wenn dadurch ein Teil der Arbeitnehmer einen geringeren
> Durchschnittslohn bekommen: was ist mit all denen, die dadurch
> Arbeitsplätze bekommen würden? Ist das nichts wert? Deren
> Durchschnittslohn wird dadurch steigen. Und der Folgeeffekt wären
> geringere Sozialbeiträge, wodurch entweder die effektiven Löhne für
> alle steigen und die Arbeitslosigkeit weiter sinken würde.
Würden aber wirklich mehr Menschen Arbeitsplätze bekommen? Sicherlich
würden junge Menschen unter 26 bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz
erhalten -- das ist viel wert. Dies aber unter Umständen auf Kosten
der Chancen älterer Mitbewerber. Wenn netto aber kurzfristig keine
neuen Arbeitplätze enstünden (etwa weil Unternehmen bisher mit den
o.g. Instrumenten (2) und (3) ausreichende Flexibilität hatten), dann
hätten wir folgende Situation: Jüngere Arbeitnehmer sind einem
stärkeren Risiko ausgesetzt, weil sie jederzeit gekündigt werden
könnten. Typische menschliche Reaktion: Höhere individuelle Sparrate,
Konsumzurückhaltung. Ältere haben weniger Chancen auf einen neuen
Job. Reaktion: Höhere Sparrate, Konsumzurückhaltung. Dies würde dann
wohl langfristig zu einem Rückgang an Arbeitsplätzen führen. Ich gebe
zu, dass das etwas konstruiert klingt, jedoch scheint eine
wesentliche Ursache für die langjährige Konsumzurückhaltung in D
gerade die (gefühlte) individuelle Risikozunahme zu sein.
> Das ist nicht ganz richtig: viele Unternehmen lassen den Mitarbeiter
> für eine Schulung anteilig bezahlen, wenn er danach in einem
> bestimmten Zeitraum (meist 2 Jahre) kündigt.
OK.
>
> > von Schulungen. Einen allgemeinen Kurs in, sagen wir,
> > Datenbankprogrammierung oder einer Fremdsprache, wird der
> > Arbeitnehmer entweder nicht mehr genehmigt bekommen oder teilweise
> > selbst bezahlen müssen.
>
> Das ist eine Nullrechnung. Wenn der Mitarbeiter anwendbare, bessere
> Fähigkeiten erlangt, kann er auch einen höheren Lohn verlangen. So
> zahlt sich seine Investition aus. Wenn das Unternehmen bezahlt, dann
> wird das Unternehmen natürlich nicht den Lohn erhöhen, schliesslich
> hat das Unternehmen ja auch die Kosten getragen.
Und genau deshalb werden Unternehmen nur dann in Schulungen ihrer
Mitarbeiter investieren, wenn der Arbeitsmarkt verkrustet genug ist,
dass Mitarbeiter mit gewachsenem Humankapital nur mit geringer
Wahrscheinlichkeit sofort nach der Schulung zu höherem Lohn zum
Konkurrenten wechseln (Ausnahme: Das von Dir oben geschilderte
Verfahren mit anteiliger Nachforderung bei Kündigung). Wird also der
Arbeitsmarkt flexibilisert, muss die Bereitschaft zu bezahlten
Schulungen auf Unternehmensseite sinken. Die problematischen Sektoren
auf dem Arbeitsmarkt sind aber gerade die derjenigen, die gering
qualifiziert sind, weil sie auf ihre eigene Ausbildung aus
jugendlichem Leichtsinn, kulturellen oder anderen Gründen keinen
gesteigerten Wert gelegt haben. Gerade für diese Gruppe wären aber
unternehmensseitige "Zwangs"-Fortbildungen so wichtig.
> > Zusammenfassung: CPE führt zu stärkerer Lohnspreizung und weniger
> > Fortbildung (bei denen unter 26). Ist das die beste Antwort auf den
> > zunehmenden internationalen Wettbewerb? Ich befürchte: nein.
>
> Du übersiehst da einen gewaltigen Punkt: die Unternehmen haben das
> grösste Interesse daran, im internationalen Wettbewerb zu bestehen.
> Wenn sich ein langer Kündiungsschutz oder langfristige Verträge am
> besten für den internationalen Wettbewerb eignen, dann können sie
> doch einfach ihre Verträge entsprechend gestalten. CPE beschränkt
> schliesslich die Vertragsgestaltung und gibt den Unternehmen so
> weniger Möglichkeiten. Aber es ist in keiner Art und Weise hilfreich.
Meine Schlussfolgerung war -- missverständlicherweise --
volkswirtschaftlich gemeint. Aus unternehmensindividueller Sicht
stimme ich Dir völlig zu. Aus volkswirtschaftlicher Sicht kann aber
Schaden bereits dann entstehen, wenn es nur einige Unternehmen gibt,
die ihre Fortbildungsaktivitäten zurückfahren und statt dessen
Arbeitnehmer anwerden, die sich auf eigene, staatliche oder auf
Kosten von Konkurrenten fortgebildet haben, Stichwort:
Kostenexternalisierung bzw. -sozialisierung. Der geschilderte
Wirkungszusammenhang könnte ein Grund dafür sein, warum deutsche
Unternehmen im Zuge der Arbeitsmarktflexibiliserung der letzten Jahre
immer weniger Ausbildungsplätze anbieten (auch wenn da
zugegebenermaßen viele andere Effekte mitwirken).
Zusammenfassung: Verkrustete Arbeitsmärkte haben nicht nur Nachteile,
sondern auch positive Effekte.
Spaceman_Spiff
> Spaceman_Spiff schrieb am 17. März 2006 23:08
> > einfach zurückgeben. Das macht natürlich die Entscheidung zur
> > Einstellung von Arbeitnehmern auf den ersten Blick leichter.
>
> Nicht nur auf den ersten Blick! Es vermindert vor allem bei kleineren
> Unternehmen das Risiko, dass jeder Mitarbeiter darstellt.
> Schliesslich kann sich die Auftragslage schnell wenden, oder der
> Mitarbeiter ist doch nicht so produktiv wie erhofft.
Das ist AFAIK das Hauptargument für das frz. Gesetzesvorhaben. Es
wird allerdings dadurch abgeschwächt, dass Unternehmen bereits jetzt
auf andere Instrumente zur Risikoabsicherung zurückgreifen können.
(1) Die klassische Lagerhaltung zur Abfederung schwankender
Auftragseingänge -- geht natürlich nicht bei Dienstleistungen oder
verderblichen Waren. (2) Befristete Verträge -- sinnvoll in
Bereichen, die starken saisonalen Einflüssen ausgesetzt sind. (3)
Mitarbeiterleihe von Zeitarbeitsfirmen -- hat die größte
Flexibilität, die das Unternehmen natürlich auch bezahlen muss. Bei
(2) und (3) weiß ich allerdings nicht, inwieweit diese Instrumente in
F zulässig und üblich sind. Wenn nicht zulässig, dann zieht Dein
Argument natürlich. Wenn doch zulässig, wird die geplante
Flexibilisierung des Arbeitsmarktes im Segment derjenigen unter 26
kaum was bringen, befürchte ich.
> [...]
> Aber selbst wenn dadurch ein Teil der Arbeitnehmer einen geringeren
> Durchschnittslohn bekommen: was ist mit all denen, die dadurch
> Arbeitsplätze bekommen würden? Ist das nichts wert? Deren
> Durchschnittslohn wird dadurch steigen. Und der Folgeeffekt wären
> geringere Sozialbeiträge, wodurch entweder die effektiven Löhne für
> alle steigen und die Arbeitslosigkeit weiter sinken würde.
Würden aber wirklich mehr Menschen Arbeitsplätze bekommen? Sicherlich
würden junge Menschen unter 26 bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz
erhalten -- das ist viel wert. Dies aber unter Umständen auf Kosten
der Chancen älterer Mitbewerber. Wenn netto aber kurzfristig keine
neuen Arbeitplätze enstünden (etwa weil Unternehmen bisher mit den
o.g. Instrumenten (2) und (3) ausreichende Flexibilität hatten), dann
hätten wir folgende Situation: Jüngere Arbeitnehmer sind einem
stärkeren Risiko ausgesetzt, weil sie jederzeit gekündigt werden
könnten. Typische menschliche Reaktion: Höhere individuelle Sparrate,
Konsumzurückhaltung. Ältere haben weniger Chancen auf einen neuen
Job. Reaktion: Höhere Sparrate, Konsumzurückhaltung. Dies würde dann
wohl langfristig zu einem Rückgang an Arbeitsplätzen führen. Ich gebe
zu, dass das etwas konstruiert klingt, jedoch scheint eine
wesentliche Ursache für die langjährige Konsumzurückhaltung in D
gerade die (gefühlte) individuelle Risikozunahme zu sein.
> Das ist nicht ganz richtig: viele Unternehmen lassen den Mitarbeiter
> für eine Schulung anteilig bezahlen, wenn er danach in einem
> bestimmten Zeitraum (meist 2 Jahre) kündigt.
OK.
>
> > von Schulungen. Einen allgemeinen Kurs in, sagen wir,
> > Datenbankprogrammierung oder einer Fremdsprache, wird der
> > Arbeitnehmer entweder nicht mehr genehmigt bekommen oder teilweise
> > selbst bezahlen müssen.
>
> Das ist eine Nullrechnung. Wenn der Mitarbeiter anwendbare, bessere
> Fähigkeiten erlangt, kann er auch einen höheren Lohn verlangen. So
> zahlt sich seine Investition aus. Wenn das Unternehmen bezahlt, dann
> wird das Unternehmen natürlich nicht den Lohn erhöhen, schliesslich
> hat das Unternehmen ja auch die Kosten getragen.
Und genau deshalb werden Unternehmen nur dann in Schulungen ihrer
Mitarbeiter investieren, wenn der Arbeitsmarkt verkrustet genug ist,
dass Mitarbeiter mit gewachsenem Humankapital nur mit geringer
Wahrscheinlichkeit sofort nach der Schulung zu höherem Lohn zum
Konkurrenten wechseln (Ausnahme: Das von Dir oben geschilderte
Verfahren mit anteiliger Nachforderung bei Kündigung). Wird also der
Arbeitsmarkt flexibilisert, muss die Bereitschaft zu bezahlten
Schulungen auf Unternehmensseite sinken. Die problematischen Sektoren
auf dem Arbeitsmarkt sind aber gerade die derjenigen, die gering
qualifiziert sind, weil sie auf ihre eigene Ausbildung aus
jugendlichem Leichtsinn, kulturellen oder anderen Gründen keinen
gesteigerten Wert gelegt haben. Gerade für diese Gruppe wären aber
unternehmensseitige "Zwangs"-Fortbildungen so wichtig.
> > Zusammenfassung: CPE führt zu stärkerer Lohnspreizung und weniger
> > Fortbildung (bei denen unter 26). Ist das die beste Antwort auf den
> > zunehmenden internationalen Wettbewerb? Ich befürchte: nein.
>
> Du übersiehst da einen gewaltigen Punkt: die Unternehmen haben das
> grösste Interesse daran, im internationalen Wettbewerb zu bestehen.
> Wenn sich ein langer Kündiungsschutz oder langfristige Verträge am
> besten für den internationalen Wettbewerb eignen, dann können sie
> doch einfach ihre Verträge entsprechend gestalten. CPE beschränkt
> schliesslich die Vertragsgestaltung und gibt den Unternehmen so
> weniger Möglichkeiten. Aber es ist in keiner Art und Weise hilfreich.
Meine Schlussfolgerung war -- missverständlicherweise --
volkswirtschaftlich gemeint. Aus unternehmensindividueller Sicht
stimme ich Dir völlig zu. Aus volkswirtschaftlicher Sicht kann aber
Schaden bereits dann entstehen, wenn es nur einige Unternehmen gibt,
die ihre Fortbildungsaktivitäten zurückfahren und statt dessen
Arbeitnehmer anwerden, die sich auf eigene, staatliche oder auf
Kosten von Konkurrenten fortgebildet haben, Stichwort:
Kostenexternalisierung bzw. -sozialisierung. Der geschilderte
Wirkungszusammenhang könnte ein Grund dafür sein, warum deutsche
Unternehmen im Zuge der Arbeitsmarktflexibiliserung der letzten Jahre
immer weniger Ausbildungsplätze anbieten (auch wenn da
zugegebenermaßen viele andere Effekte mitwirken).
Zusammenfassung: Verkrustete Arbeitsmärkte haben nicht nur Nachteile,
sondern auch positive Effekte.
Spaceman_Spiff