Pnyx (1) schrieb am 22.01.2022 16:29:
Auf die unzähligen Ungenauigkeiten einzugehen, wäre viel Aufwand. Den zu leisten lohnt der Artikel nicht, zumal viele im Bezug auf die Aussage Hendrigs nicht relevant sind. Man hätte aber schon ein Resümee vom Autor erwartet, am Ende des Genöles kommt nichts.
Was fehlt dir denn überhaupt? Zählt eine Kritik erst etwas, wenn sie praktische "Alternativen" und Lösungen vorschlägt?
Daher bleibt der Erkenntnisgewinn klein. Dass die EU in der Wolle neoliberal eingefärbt ist und diesbezüglich stockkonservativ, konstituiert nicht eben eine Neuigkeit. Der 'Green Deal' ist denn auch nur praktischer Gattopardismo, alles müsse geändert werden, damit sich alles gleich bleibe. Wer würde von Flintenuschi auch anderes erwarten?
Wo hat Hendrig denn hergeleitet, die EU wäre "neoliberal" und "stockkonservativ" - das verfehlt die Kennzeichnung der Kritik im Artikel. Dass man einmal den Imperialismus erklärt, ist nicht banal, sondern höchst umstritten. Dass in der Öffentlichkeit eine ähnliche Position wie die im Artikel vertreten würde, ist nicht der Fall - also hat man doch allen Grund den kleinen Erkenntnisgewinn weiterzuverbreiten.
Aus der jeweiligen Kritik folgt immer die praktische Konsequenz, wenn man weiß wie die Interessen der Leute in dem Gemeinwesen vorkommen. Man weiß dann, was der Grund des Schadens ist (z.B. Umweltzerstörung, schlechte Arbeitsverhältnisse, Armut, Krieg ...). Ob man z.B. den Neoliberalismus oder die kapitalistische Produktionsweise dafür verantwortlich zeichnet, entscheidet offensichtlich über Reform oder Revolution. Deshalb soll man das Pferd auch nicht von hinten aufzäumen. Z.B. explizite "Fundamentalkritik" fordert man nur ein, wenn man das Vorurteil hat, dass der Kapitalismus abzulehnen ist - umgekehrt: würde man objektiv den Schaden erklären, ergäbe sich selbst daraus, ob revisionistische oder fundamentale Maßnahmen nötig sind, da muss man auch nichts mehr über die daraus folgende Praxis betonen.
Die Alternative bespricht man vernünftigerweise mit Gleichgesinnten, und das ist auf dieser Plattform nicht gegeben, deshalb ist das Streiten um die richtige Kritik erst einmal angesagt. Anders gesagt: Man diskutiert doch auch nicht mit Neonazis über deren politische Alternative, wie man am besten Ausländer, Juden oder Kommunisten ausradieren könnte usw. Deren politische Auffassungen sind erst einmal zu kritisieren.
„Im übrigen fängt Kritik nicht damit an, daß sie an sich die kritische Frage stellt, ob sie weitergeht, praktisch und konstruktiv ist. Sie beginnt damit, daß man sich Rechenschaft ablegt darüber, woher all das kommt, was man als Belästigung und Schaden wahrnimmt. Wer auf das bißchen Ursachenforschung verzichtet, vertut sich womöglich im Engagement, sucht sich Ort, Zeit und Adressat wie Gegner seiner Bemühungen verkehrt aus. Dann vergeht seine Jugend, und er war in Mutlangen und Wackersdorf zelten, hat seine Zeit im Frauenbuchladen verplempert und Grüne gewählt, während die Klassengesellschaft funktioniert, daß es kracht.“ („Die Klassen (II)“, Marxistische Streit- und Zeitschrift [MSZ], 1986, Nr. 11)