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mehr als 1000 Beiträge seit 09.01.2006

Sicherheitsgesellschaft

hubid schrieb am 7. April 2009 14:31

> > Wenn aber schon "Hobbygärtnern", die man eher zur Fraktion der
> > naturliebenden Menschen zählen dürfte, geraten wird, weniger
> > natürlichen Kontakt zur Natur zu halten, dann sieht es arg schlimm
> > aus. Der Mensch entfremdet sich der Natur.

> Nun, das scheint mir tatsächlich eher ein Problem der entfremdeten
> Menschen zu sein. Hier auf dem Lande, wo man permanent von "Natur"
> umgeben ist, ist es einfach genauso normal, beim Hantieren mit
> hautreizenden Pflanzen Handschuhe anzuziehen wie beim Ausreissen von
> Dornensträuchern oder beim Schneiden der Rosen. Sprich: Es ist
> einfach natürlich, dass Pflanzen genauso Abwehrmechanismen entwickelt
> haben wie die kratzende Katze oder der beissende Hund. Da ist nichts
> persönliches dabei.

Das ist richtig. Aber ich fasse doch den nicht-beißenden Hund mit
Kevlar-Handschuhen an, weil es auch beißende gibt. Eines Tages wird
auch noch der Hund verboten. Wenn ich mich mit Brombeeren befasse,
ziehe ich auch Handschuhe an (wenn welche da sind). Das heißt doch
nicht, dass ich sie immer bei Pflanzenkontakt trage. Dann kann ich
doch genauso gut zu Hause bei meinen bedenkenlosen Zimmerpflanzen
bleiben.

> Genauso natürlich ziehen manche Leute weder beim Hantieren mit der
> Motorsäge noch beim Unkrautjäten Handschuhe an. Ist halt ein kleines
> Zusatzrisiko damit verbunden, aber manch einer zieht die direktere
> Verbindung zur Tätigkeit vor. Kann ich nachvollziehen, ich halte es
> auch meist so, ich spaziere sogar meistens Barfuss herum.

Das war sehr interessant und darüber habe ich nachgedacht. In der Tat
ziehe ich aus Sicherheitsgründen das Weglassen von Handschuhen vor.
Der Kontakt ist direkter und ich merke schneller, wenn mir "etwas
entgleitet".

> > Noch schlimmer: er sieht
> > in ihr bald vorwiegend eine Gefahr

> Ja, genau deswegen sehe ich es als wichtig an, realistisch mit Natur
> umzugehen. Ich habe Leute gesehen, die vor einer Kuh panisch
> davonrennen, auf der anderen Seite kenne ich auch Leute, die von
> einer (Mutter-)Kuh schwer verletzt wurden. Beides sind Extreme. Angst
> ist nicht angebracht, aber Leichtsinn auch nicht.

Wir leben im Zeitalter der Sicherheit. Alles, was nicht als sicher
nachgewiesen ist, wird ausgemerzt. Darunter fällt auch wohl eines
Tages die Kuh oder der Hund. Es gibt aber eine andere Sichtweise der
Sicherheit, die aber bald nicht mehr existiert: lernen, Risiken zu
erkennen und damit umzugehen anstatt sie panisch beseitigen zu
wollen. Die Sicherheitsgesellschaft, die die Risiken ausmerzen will,
ist zum Scheitern verurteilt: sie kann nicht die Risiken ausmerzen,
sie tötet den menschlichen Geist und sie verhindert einen
gángemessenen Umgang mit Risiken.

> > Ich fasse fast alles an. Ich probiere sogar mir unbekannte Früchte. 

> Gratuliere! Beim Essen halte ich persönlich mich allerdings zurück.
> Ich war immer eine Null in Pflanzenkunde. Na gut, ich weiss, dass
> Margeriten und Brennesseln essbar sind, wogegen man Fingerhut besser
> nicht mampft, aber damit erschöpfen sich meine kulinarischen
> Naturkenntnisse schon fast :-)

Ich fresse mich manchmal durch die botanischen Gärten und Felder und
Wiesen.

Die meisten Giftpflanzen schmecken aber schlecht (die Pflanzen wollen
nicht unbedingt Tiere mit Gift töten, sondern entwickeln es als
Fraßschutz) und es gibt fast keine Pflanze, die schon in kleinen
Mengen ("probieren") stark giftig ist. Rüdiger Nehberg hat mal dazu
geschrieben, dass die meisten Gifte innerhalb von acht Stunden
wirken. Wer also futtern will, der probiert eine kleine Menge, wartet
und dann etwas mehr. Man kann also eine Menge _probieren_, muss das
aber nicht gleich zur Hauptmahlzeit machen. Es gibt auch eine Menge
natürlicher Stoffe, die auf Dauer schädlich sind (z.B. Oxalsäure im
Sauerampfer). Auf der anderen Seite sind manche ungiftigen Pflanzen
auf Dauer nicht gesund wie z.B. Maniok (auch Kassave oder Yuca
genannt). Es hat viel Stärke und ist so bei vielen Naturvölkern
Grundnahrungsmittel. Jedoch fehlen Proteine, die zu
Mangelerscheinungen führen.

Die beste Strategie ist immer noch: von allem Etwas fressen. Da kann
man am wenigsten Fehler machen. Das gilt auch für Leute, die auf
besonders gesunde Ernährung achten und z.B. Fett meiden. Anders als
in den Medien immer dargestellt, ist (auch tierisches) Fett äußerst
gesund. Es wird z.B. zur Resorption wichtiger Vitamine benötigt. Was
ungesund ist, ist Bewegungsmangel.

Es scheint, als ob der Mensch es mal wieder nötig hätte, auf den
Boden der Tatsachen zurückzukommen. Wenn er zu sehr abhebt, wird er
vielleicht einmal tief fallen.


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