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  • Zetscho

mehr als 1000 Beiträge seit 03.02.2004

Großkotz Sharon (und ein paar Gedanken)

Ich frage mich, wann die Israelis endlich einsehen werden, dass es
genau diese anmaßende Großkotzrethorik und -politik ist die ihnen
eines Tages zum Verhängnis werden könnte? Ich denke nicht, dass
Israel wegen seiner Politik in Europa besonders beliebt ist. Man hat
eher - sehr zurecht und besonders in Deutschland - ein schlechtes
Gewissen und ist deswegen recht nachsichtig. Aber mit diesem
arroganten Auftreten des Großkotz Sharon werden immer mehr Leute hier
abgeneigt sein, Israel besonders nachsichtig zu beurteilen. Leider
unterscheiden nicht gerade viele Leute zwischen Judentum und Israel.
Somit spielt Sharon mit diesen Sprüchen und Drohungen vor allem dem
Antisemitismus (sowohl dem europäischen wie auch dem muslimischen)
immer neue Bälle zu . Warum nur? Ist er dumm? Hat er ganz andere
Grüne?

Der Islam an sich macht m.E. gerade eine gesellschaftliche
Transformation durch (s. auch Emanuel Todd "Weltmacht USA - ein
Nachruf"). Das zeigt sich u.a. deutlich an der steigenden
Radikalisierung, die oftmals Begleiterscheinung ist, wenn sich eine
Gesellschaft grundlegend verändert (wie Europa in der ersten Hälfte
des 20. Jhr.). Der Islam steht vor einem Scheideweg: Entweder er
modernisiert sich oder er verpaßt den Anschluß an die sich rapide
verändernde Welt. Leider entscheiden sich in einer sich verändernden
Gesellschaft die konservativen Kräfte, die Veränderung scheuen, aus
Angst oft zu simpler Gegenwehr (gegen neue Werte, Ideale) und
radikalisieren sich, werden fundamentalistisch (s. Mullahs,
Taliban,...). Diese radikalen Kräfte erhalten in diesen unsicheren
Zeiten der Veränderung meist kurzfristig Zulauf aus der breiten Masse
(und können währenddessen großen Schaden anrichten, s.
Hitler-Deutschland), aber verlieren ihren Einfluß meistens wenn die
notwendigen Veränderungen in der Gesellschaft weit genug
fortgeschritten sind. Todd sieht hier vor allem sinkenden
Analphabetismus und sinkende Geburtenraten als Indiz, dass solche
modernisierenden Veränderungen auch im Islam eintreten werden.
So gesehen ist der radikale Islamismus vor allem ein innerislamisches
Problem, deren Gewaltätigkeit zwar auch den sog. Westen trifft, im
wesentlichen aber die Moslems selber. Er wird nicht von Dauer sein.
Der "Westen" dient den Islamisten als Feindbild, weil diese
"bedrohlichen, neuen Werte" (für den Fundi-Moslem "Werteverfall", wie
z.B. die Gleichberechtigung der Geschlechter) mit dem Westen
assoziiert werden (dabei haben wir diese Transformation nur schon
hinter uns gebracht, wir waren früher ja wirklich nicht besser).

Die Steigerung des muslimischen Bevölkerungsanteils in Europa ist
eine Tatsache, mit der man sich abfinden muß (ich habe damit kein
Problem). Gerade in Europa wird der Islam mit sog. "westlichen"
Werten besonders stark konfrontiert und daher auf der einen Seite
schnell "moderner", aber auf der anderen Seite (die Konservativen
eben) auch radikaler. Man sollte die Gefahr des Islamismus in Europa
nicht unterschätzen, genauso wie man, zumindest in Deutschland, auch
die Gefahr der Neonazis nicht unterschätzt und ich denke man sollte
gegen den Islamismus genauso hart vorgehen wie man es zumindest in
Deutschland seit Jahren gegen Neonazis tut. Desweiteren müssen wir zu
einer Politik finden, die den Moslems ihre Eigenarten erlaubt, aber
auch eine Getthoisierung verhindert (Vorschläge?). Denn eine
Vermischung oder eine friedliche Coexistenz beider Kulturen wird für
beide von Vorteil sein, den Radikalen beider Seiten aber zum
Nachteil.

Ich denke, in Europa wird es sich entscheiden, ob es tatsächlich zum
"clash of cultures" kommen wird oder nicht und hier wird er auch
verhindert werden können. Europa ist schon eng mit dem Islam
verbunden (rein demographisch) und die Bestrebungen eine
Mittelmeerfreihandelszone zu schaffen werden diese Verbindung weiter
voran treiben (ich denke durch die Einführung einer doppelten
Staatsbürgerschaft in der EU würde diese Entwicklung noch mal einen
Quantensprung machen).

Während aber Europa sich dem Islam annähert und umgekehrt, befindet
sich Israel in einem mehr oder eher weniger Kalten Krieg mit der
arabischen Welt und die USA sogar in einem ziemlich heißen. Beide
scheinen den "clash of cultures" zu wollen, wenn auch aus
verschiedenen Gründen. Während in Israel die Konservativen fürchten,
ihren zionistischen Plan eines Großisrael aufgeben zu müssen (ich
sehe eine Lösung dieses Konflikts nur in einem gemeinsamen
säkularisierten Staat, in dem Moslems und Juden vollkommen
gleichberechtigt leben) versuchen die USA Kontrolle über das Öl zu
erhalten bzw. nicht zu verlieren. Die Eliten der USA haben Angst vor
einem Petro-Euro (Verlust der Vormachtstellung) und versuchen daher
den "clash of cultures" herbei zu führen. Mit anderen Worten, Europa
in einen Weltkrieg gegen den Islam hinein zu ziehen, in dem sich wohl
vor allem Europa nicht aber die USA schwächen würden, da ein Krieg
wahrscheinlich eher hier und wohl kaum in den weit entfernten USA
stattfinden würde. Außerdem haben die USA, die mal wieder
hochverschuldet sind, schon öfter ihre Wirtschaft durch Kriege
gerettet (wie realistisch das diesmal wohl ist?).

Israel versucht mit solchen großkotzigen Äußerungen wie denen Sharons
ebenfalls einen Keil zwischen Europa und Islam zu rammen, um sich
Unterstützung für ihre Vertreibungspolitik zu sichern. Von einer
Freihandelszone im Mittelmeer würde zwar auch Israel profitieren,
aber solange Groß-Israel noch nicht realisiert ist, würde sie die
zionistische Position schwächen (Krieg, Apartheid und Terror
vertragen sich eben nicht mit Handel). Da aber derzeit die Rechten in
Israel das Sagen haben, opfern sie wirtschaftliche Vorteile lieber
dem zionistischen Ideal eines Groß-Israel (anders kann ich mir so
viel "Dummheit" nicht erklären). Schließlich werden sie noch wegen
des gemeinsamen Feindes von den USA unterstützt.

Ich denke, Europa sollte sich auf gar keinen Fall von diesen beiden
Staaten oder deren Geheimdiensten Panik machen lassen. Im Gegenteil,
Europa sollte sich politisch von den beiden absetzen (weg vom
inszenierten "Krieg gegen den Terror") und eine eigene Nahost-Politik
verfolgen, die sich um die eigenen und nicht amerikanischen oder
israelischen Interessen kümmert, die da wären: friedliches
Zusammenleben mit den hiesigen Moslems (eine politische
Neu-Positionierung würde ein deutliches Zeichen setzen),
Freihandelszone mit arabischen Staaten, Petro-Euro. Warum sollten wir
uns unsere Zukunft von den Interessen anderer bestimmen lassen?

Außerdem sehe ich die Gefahr, dass sich Europa, wenn es weiter der
Linie der USA folgt, selber radikalisiert und wir damit alle unsere
gewonnenen Freiheiten nach unserer Transformation (WK2) wieder
verlieren würden. Außerdem sollte man eines nicht vergessen: Die noch
recht jungen USA hatten seit ihrem Bestehen selbst noch keine solche
grundsätzliche Transformation erlebt, im Gegenteil, sie sind
letztendlich im Zuge der europäischen radikalen Veränderungen erst
richtig stark geworden! Es könnte doch durchaus sein, dass den USA
selber eine solche Transformation, also Neu-Orientierung der eigenen
Gesellschaft, bevorsteht, oder?. Auch dort finden massive
demographische Veränderungen statt, auch dort radikalisiert sich die
Gesellschaft und die Politik. Ich denke, das wäre ein weiterer Grund
für die EU, da auf Distanz zu gehen.

Gruß, Z.
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