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  • luxadm

319 Beiträge seit 28.04.2016

Anders herum wird ein Schuh daraus

Creative18 schrieb am 07.04.2021 13:58:

marasek schrieb am 07.04.2021 12:59:

Also, wie wollen wir China beeindrucken? Wissen sie doch genau, dass wir schon jetzt bereitwillig unsere Filme und Computerspiele zensieren, damit der chinesische Markt zugänglich bleibt.

Indem wir zusammen mit den USA und anderen Druck aufbauen. Indien ist auch nicht daran interessiert China die Weltherrschaft zu überlassen. Daran wird bereits gearbeitet, es gab nur durch Trump ein paar Tiefschläge.

"Zusammen mit" den USA werden "wir" gar nichts tun. Die USA haben niemals ein europäisches Land, geschweige denn die EU als gleichberechtigten Verbündeten anerkannt; und heute haben sie dazu weniger Anlaß denn je, zumal es der politischen Kultur der USA diametral widerspräche.

Auf dem Papier (BIP, Handelsbilanz) mag die EU ja eine ganz ansehnliche Wirtschaftsmacht sein, aber wenn es ernst wird ist das alles wenig Wert ohne eine entsprechende souveräne Militärmacht - und nein, die "Vereinigten Staaten von Europa" wird es niemals geben, es würde sie nicht einmal dann geben, wenn die USA auch nur entfernt geneigt wären, so etwas zuzulassen, dazu sind die politischen Nationalkulturen Europas einfach zu verschieden.

(Einigermaßen gedeihliche bilaterale Beziehungen bestehen ja nicht einmal zwischen Deutschland und Frankreich oder Deutschland und Österreich sowie Ungarn, wo sie immerhin grundsätzlich möglich wären. Eine halbwegs fruchtbringende Zusammenarbeit besteht allenfalls zwischen den V4, und die beruht aber gerade auf der gegenseitigen Anerkennung der uneingeschränkten nationalen Souveränität sowie der Fähigkeit, gemeinsame Interessen gegenüber konfligierenden zu betonen und sich jeglichen missionarischen Eifers zu enthalten.)

"Wir" können höchstens als "Hilfswillige" die Rolle des diplomatischen und ökonomischen Kanonenfutters übernehmen, und natürlich die Kosten des Kuhhandels tragen, mit dem der Konflikt USA vs. VR China zuletzt unvermeidlich enden wird, sofern er nicht doch noch in den 3. Weltkrieg mündet.

Wenn wir so weitermachen, wird Europa als eine Art großes Disneyland enden, in das chinesische Touristen reisen, um in pittoresken Schlösschen eine Unzahl an Käsespezialitäten zu genießen.

Natürlich, ABER China braucht die USA und Europa als Absatzmärkte. Da Kapital flüchtig ist, können auch Fabriken in anderen asiatischen Ländern (z.B. Indien) aufgebaut werden, die dann in die USA oder Europa liefern.

Die Abhängigkeit ist gegenseitig, das macht die Situation ja so kompliziert. (Was bliebe denn von der westlichen Industrieproduktion übrig, wenn die Lieferungen aus China von heute auf morgen ausfielen?) Anstrengungen zu einer Entflechtung werden mittlerweile von beiden Seite unternommen, aber das ist ein schwieriges und langfristiges Unterfangen. (Natürlich würden die USA es gerne sehen, wenn die Nationen Europas sich mit einem drakonischen Sanktionsregime heroisch für die Sache des Westens opfern und den USA somit ermöglichen würden, China nachhaltig zu schaden ohne die Wirtschaftsbeziehungen mit dem interdependenten Gegner selbst vor der Zeit abzubrechen.)

Und gerade die Staaten Europas werden China in Zukunft schon alleine aufgrund der Größenverhältnisse mehr und mehr als Absatzmarkt und weniger als Lieferanten benötigen, immer vorausgesetzt sie schaffen es, mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten. Ansonsten bleiben wirklich nur noch der Tourismus und einige ausgesuchte kulinarische Spezialitäten...

China könnte dann natürlich die USA, Europa und Indien sanktionieren, aber China ist nicht stark genug um es mit dem Rest der Welt wirtschaftlich aufzunehmen.

Das muß China auch gar nicht; der Gegner ist aus chinesischer Sicht ein unsicheres, informelles Bündnis aus NATO und Indien - das ist gewiß ein formidabler aber nicht unbesiegbarer Gegner und sicher nicht "der Rest der Welt", auch wenn die NATO sich selbst ja gerne als "Weltgemeinschaft" bezeichnet, was genauso lächerlich ist wie die universalmonarchischen Ansprüche der chinesischen Kaiser von einst.

Darauf sollten wir auch nicht warten, denn das chinesische System ist für Menschen, die an Bürgerrechten interessiert sind, keine Option (siehe Hongkong).

Das ist für uns unwichtig, China ist weit weg und hat kein Interesse daran, sein Gesellschaftssystem zu exportieren schon gar nicht nach Europa. (Die Chinesen sehen ihr autoritäres aber bei aller Dysfunktionalität im Détail insgesamt sehr effizientes System eher als Wettbewerbsvorteil an, den man potentiellen Konkurrenten vorenthalten und gerade nicht aufdrängen möchte.)

Für Kleinstaaten (und nichts anderes sind die Nationen Europas heute im Weltmaßstab) - für Kleinstaaten, wie gesagt, gilt, speziell in der stark vernetzten Welt von heute: Man braucht starke "Freunde" bzw. Nicht-Feinde, die möglichst weit weg sind. Die USA sind für uns eine viel stärkere Bedrohung als die VR China. Nicht weil sie in der Wahl ihrer Mittel substantiell weniger zimperlich wären - sondern einfach weil sie uns viel näher stehen.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (07.04.2021 15:54).

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