auf_der_hut schrieb am 12.06.2024 12:45:
Vielleicht hilft es ja, das ganze Thema mal von den ganzen Ost-West Befindlichkeiten zu lösen. Mehr oder weniger extrem nationalistische (islam-, migrations-, EU-feindliche usw.) Rechtsparteien gibt es ja auch anderswo in Europa, teilweise sind sie sogar führend, wie z.B. in Italien. Daran ist nichts auszusetzen, das ist eben Demokratie.
Wahlen sind in einer Demokratie Abstimmungen über das politische Personal, nicht über das politische System.
Wer aber wie die AfD alle anderen Parteien ("Kartellparteien") für "illegitim" erklärt, der will nicht die Politik, sondern das ganze System ändern und die Opposition faktisch abschaffen. So eine Partei darf nicht zu Wahlen zugelassen werden, so lange die Gefahr besteht dass sie, einmal im Besitz der Macht, ihre Abwahl durch Unterdrückung der Opposition unmöglich machen wird. Die Forderung nach Bestrafung der aktuellen Amtsträger weist in die gleiche Richtung: wenn die Opposition im Knast sitzt, dann werden Wahlen zum formalen Verwaltungsakt wie es in z.B. in Russland gängige Praxis ist.
Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD ist weder erforderlich noch sinnvoll, so lange sie diese Grundbedingung nicht erfüllt. In jeder Demokratie gibt es auch Antidemokraten, die selbstverständlich auch wählen dürfen. Es gibt aber keine Notwenigkeit, dass sie auch die ihren antidemokratischen Ansichten entsprechenden Parteien auf dem Wahlzettel vorfinden müssen. Es ist eine der Lehren aus dem Ende der Weimarer Republik, antidemokratischen Parteien nicht in die Parlamente zu lassen. Das gilt unabhängig von ihren möglichen Wahlergebnissen. Das BVerfG urteilte allerdings, dass für ein Verbotsverfahren eine realistische Chance bestehen muss, dass die betreffende Partei auch Mandate bekommen könnte, sie muss also eine gewisse Bedeutung haben, um ein Verbostverfahren zu rechtfertigen. Aber das ist bei der AfD ja eindeutig gegeben.
Antidemokraten müssen bei Wahlen zuhause bleiben oder eben zähneknirschend einer Partei ihre Stimme geben, die bereit ist, sich den demokratischen Regeln zu unterwerfen und das System nicht abzuschaffen oder auszuhöhlen. Das ist z.B. beim BSW der Fall, bei der AfD, zumindest bei ihren ostdeutschen Landesverbänden, nicht. Die Begründung kann man in den einschlägigen Urteilen zur Beobachtung durch den Verfassungsschutz nachlesen.
Ich wäre dafür, dass man statt immer gleich die ganze Partei zu verbieten (wofür aus guten Gründen die Hürden sehr hoch sind), die Zulassung zu Wahlen deutlich strenger handhabt. Das könnte auch dazu beitragen, die gemäßigten Kräfte innerhalb der extremen Parteien zu stärken. Viele Protestwähler würden die AfD sicherlich auch noch und vielleicht sogar mit weniger Bedenken wählen, wenn sie, so wie in ihren Anfangsjahren, weniger extrem wäre. Viele andere populistischen Rechtspartien in Europa haben mit diesem Konzept weitaus mehr Stimmen geholt als die AfD. Es ist, historisch gesehen, schon befremdlich, dass es ausgerechnet die AfD und die FPÖ sind, die mit der Abgrenzung zum Extremismus anscheinend die größten Probleme haben.
Welche Partei ist denn in Deutschland nicht demokratisch? Wenn eine Partei nachweislich antidemokratisch wäre, dann könnte man sie leicht verbieten. Wichtig "nachweislich". Die reine Behauptung ist da nicht ausreichend. Das wissen auch die anderen Parteien, Deshalb reden sie immer gern vom Verbot, aber strengen gegen die AFD nie eines an. Rechtsradikal ist nicht gleich antidemokratisch. Früher war es mal die CSU, welche sich gerühmt hat, am rechten Rand zu stehen (FJS).