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Avatar von hdwinkel
  • hdwinkel

mehr als 1000 Beiträge seit 16.06.2012

Haben wir ein Bellizismuproblem?

Auch auf die Gefahr, Schnappatmung auszulösen, stelle ich trotzdem mal die Frage zur Diskussion, ob wir nicht mittlerweile ein Bellizismusproblem haben.

Zur Begründung:
siehe Wikipedia:

Der Bellizismus betrachtet militärische Mittel nicht nur als legitimes Mittel zur Durchsetzung von politischen Zielen, sondern zieht sie im Zweifel auch friedlichen Mitteln vor ..
https://de.wikipedia.org/wiki/Bellizismus

Was zumindest mir auffällt ist die Vehemenz einiger, mit der sie jegliche Verhandlungen zu einem sofortigen Kriegsende ablehnen.
Nicht einmal der Versuch eines Verhandlungsfriedens wird unterstützt. Es wird als normal empfunden, Friedenskonferenzen ohne den Kriegsgegner abzuhalten.
Putin will nicht verhandeln. Und man selbst? Nein, offensichtlich auch nicht.
Nur ein Sieg der Ukraine scheint für sie noch zu zählen.

Es wird an Dolchstoßlegenden gestrickt, wir, also Deutschland, der kollektive Westen hätten wegen zu weniger Waffenlieferungen eine Niederlage der Ukraine begünstigt, ermöglicht.
Und auch in der Sprache wird auf Kriegsgegner eingedroschen, als ob diese schuld an diesem Krieg wären und nicht Putin. Es ist von "Friedenstäubchen" die Rede, von "falschen Fuffziger unter den Friedensbewegten". Selbst "Kriegshetze" wird Kriegsgegnern vorgeworfen.

Nichts neues, gab es alles schon. Nur noch ein gewisser Karl Liebknecht lehnte die Kriegskredite 1914 ab, denn es gab für alle Abgeordneten, wie zu allen Zeiten, als es darauf ankam, vermeintlich gute Gründe für einen Krieg.
Nach dem Krieg wurden führende Pazifisten ermordet. In der Nazizeit dann sowieso.
Nein, ich unterstelle niemandem hier, ähnliche Gedanken zu haben. Aber ein 'in die Ecke stellen' hatte zu allen Zeiten Konsequenzen.

Es ist durchaus legitim zu sagen, man muss Putin militärisch etwas entgegensetzen.
Um es mit Tucholsky zu sagen:

„Nichts als Pacifist zu sein – das ist ungefähr so, wie wenn ein Hautarzt sagt: ‚Ich bin gegen Pickel.‘ Damit heilt man nicht. (…) Ich habe einen Interventionskrieg stets für wahnsinnig gehalten (…) Zwischen diesem Krieg und einer energischen und klaren Haltung aller Mächte Europas ist noch ein großer Unterschied. (…) Zu machen war: Boykott. Blockade. Innere Einmischung in diese Barbarei, ohne Krieg zu führen.“
siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Pazifismus

Aber dieser völlige Respektlosigkeit, anderen Kollaboration vorzuwerfen, nur weil man das Massensterben sofort beenden will, das überschreitet Grenzen, die ich mir nur erklären kann, indem ich Bellizismus als Motiv unterstelle.

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