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  • Leser2015

512 Beiträge seit 19.11.2015

Woran darf der Mensch im Rechtsstaat sterben?

Zwar habe ich diesen Evaluationsbericht bisher nicht gelesen, doch was könnte im medizinischen Teil schon drinstehen, wenn's hierzulande noch immer an einer belastbaren Datengrundlage fehlt.

Um die Gefährlichkeit einer Infektionserkrankung im Vergleich zu anderen beurteilen zu können, gibt es bis heute eigentlich keinen aussagekräftigeren Kennwert als die CFR (case fatality rate, https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_human_disease_case_fatality_rates) – also die Wahrscheinlichkeit, als symptomatischer Krankheitsfall zu versterben –, während jeder ebenso denkbare Vergleich über die IFR (infection fatality rate) stärker auf Schätzungen angewiesen ist.

Ergebnis: COVID-19 war bislang tödlicher als eine Durchschnittsgrippe, allerdings auch deutlich harmloser als etwa die Spanische vor hundert Jahren, gegen deren Ausbreitung der Staat kaum aktiv wurde. Überhaupt ist die Fülle staatlicher Zwangsmaßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie höchstens der historischen Lepra- oder Pestbekämpfung ähnlich, während bei fast allen anderen und meist tödlicheren Infektionskrankheiten, etwa Tuberkulose oder Aids, dem Staat gesetzliche Meldepflichten und gegebenenfalls temporäre Isolation völlig reichten. Was an COVID-19 ist anders?

Somit bliebe jenseits aller medizinischen Unklarheiten, und gerade in Demokratien, die zentrale verfassungsrechtliche Frage, zu welchen Zwangsmaßnahmen ein Staat greifen darf, um seine Bevölkerung vor einer Erkrankung zu schützen, eventuell sogar gegen deren Mehrheitswillen. Und vor allem: auf welcher moralischen Grundlage? Zur menschlichen Natur gehört es, sowohl sterblich als auch niemals aseptisch zu sein – prinzipiell kann jeder Mensch einen anderen ungewollt mit einer Krankheit infizieren und im Extremfall sogar töten, einfach weil er als Mensch naturgemäß ständig von potentiell todbringenden Erregern umgeben ist. Ist dieses Menschenbild noch aktuell?

Bis zur Pandemie wurden jene ganz alltäglichen Körperverletzungen dem bloßen Menschsein bzw. dem allgemeinen Lebensrisiko zugerechnet und deshalb auch nur in bestimmten Ausnahmefällen, etwa bei HIV-Infektionen, strafverfolgt, obwohl bei jedem COVID-19- oder Grippetoten polizeiliche Ermittlungen wegen fährlässiger Tötung prinzipiell möglich wären. Soweit ist es zwar noch nicht, doch als Infektionsprophylaxe brachte gerade Bundesjustizminister Marco Buschmann, FDP, nun auch gegen die seit jeher tolerierte saisonale Grippe eine Maskenpflicht in Innenräumen ins Spiel (https://www.welt.de/239982201), und als neue saisonale Zwangsmaßnahme wohl bußgeldbewehrt.

Wohin soll dieses Chaos denn führen? Sogar als Nichtjurist vermisse ich ähnlich dem Publizisten Dr. jur. Alexander Christ (https://www.youtube.com/watch?v=JByYUltsHN4 oder https://multipolar-magazin.de/artikel/gesichtslose-konformitaet) einen Rechtsstaat demokratischer Prägung, selbst wenn mich dann Bundesinnenministerin Nancy Faeser, SPD, wegen staatsdelegitimierender Kritik als verfassungsfeindlich populistischen Extremisten markiert (https://www.heise.de/-7182414), und gewiss auch als Verschwörungsideologen. Was soll's, denn gerade krude Ideen und Anfeindungen aus beiden sogenannten Verfassungsministerien unterstreichen gut das ganze Ausmaß der Krise.

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