Die Sprache der Besatzer
29.06.2004
Kriege können nicht nur auf dem Schlachtfeld in einem fernen Land,
sondern mindestens ebensogut Zuhause, im eigenen Land durch die
Ablehnung der Bevölkerung verloren werden. Hieraus ergibt sich, daß
die Medien, die an der Meinungsbildung der Menschen entscheidenden
Anteil haben, eben auch mit über Erfolg oder Mißerfolg eines Krieges
bestimmen können.
Geschichtlich drängt sich hier als erstes der Vietnamkrieg auf, der
eben auch an dem wachsenden Widerstand der US-Bevölkerung scheiterte.
Auch der Abzug der US-Soldaten aus der somalischen Stadt Mogadishu
erfolgte, nachdem 18 US-Soldaten getötet und ihre Leichen teilweise
mit Fahrzeugen durch die Stadt geschleift worden waren, was zu einem
Aufschrei der US-Bevölkerung führte.
Selbstverständlich funktioniert diese Beeinflussung auch in der
anderen Richtung. So entschloß sich das US-Militär, im Irak in
US-Einheiten "eingebettete" Journalisten die Kriegsberichterstattung
übernehmen zu lassen. Dies wurde seitdem häufig kritisiert, da die
entsprechenden Journalisten größtenteils eben nur jene Informationen
erhielten, die aus der Sicht des US-Militärs "medientauglich" waren,
also die eigene Position an der "Heimatfront" nicht schwächten.
Auch die unkritische Übernahme der von der US-Regierung vorgestellten
"Gründe" für den Irakkrieg durch die US-Medien hat entscheidend zu
der Zustimmung der Mehrheit der US-Bevölkerung zu diesem Krieg
beigetragen.
Letztlich ist es aber gar nicht unbedingt notwendig, einen großen
Teil der Tatsachen auszublenden oder unbewiesene Behauptungen als
Fakten darzustellen.
Im "Tagesgeschäft" ist es häufig sogar wesentlich effektiver, wenn
eine solche Beeinflussung unauffälliger erfolgt, da dies wesentlich
leichter zu begründen ist und dadurch kaum dazu führt, daß man
schließlich gezwungen ist, sich für die eigene mangelhafte
Berichterstattung zu entschuldigen, wie dies im Fall der New York
Times geschehen ist.
Die Medien sind mittlerweile von "Widerstandskämpfern" über
"Rebellen" auf dem Weg zu "Terroristen", wenn diejenigen beschrieben
werden sollen, die im Irak mit Waffengewalt gegen die dort
stationierten ausländischen Soldaten vorgehen. Jene Soldaten wiederum
werden mittlerweile sogar zunehmend als "Friedenstruppen" bezeichnet.
Sicherlich könnten auch die hier üblicherweise genutzten
Bezeichnungen "Widerstandskämpfer" und "Besatzer" als eine
Parteinahme bezeichnet werden, da es sich bei dem Irakkrieg aber um
einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg handelte und selbst die
fragwürdigen Begründungen der US-Regierung sich als falsch und
vermutlich bewußte Lügen erwiesen haben, scheint die gewählte
Bezeichnung noch die treffendste zu sein. Da die USA weiterhin - wenn
auch weniger offensichtlich - die Macht im Irak besitzen und
insgesamt über 150.000 ausländische Soldaten in dem Land stationiert
sind, ist auch die Bezeichnung "Besatzung" sicherlich zutreffend.
Der am Dienstag ermordete US-Soldat Keith Maupin wird üblicherweise
nicht als "Kriegsgefangener" bezeichnet, sondern als
"Entführungsopfer". Andererseits wurde den von den USA auf der
US-Basis in Guantanamo Bay auf Kuba bisher völlig rechtlos gefangen
Gehaltenen diese Bezeichnung nicht zuteil.
Daß der durch die US-Invasion gestürzte irakische Präsident Saddam
Hussein von der US-Regierung mehrheitlich nur als "Saddam" bezeichnet
wird und dies von den Medien wiederum klaglos übernommen wurde,
obwohl offensichtlich ist, daß er hierdurch herabgesetzt wird, ist
ein weiteres Indiz. Durch die Beschränkung auf den Vornamen wird
deutlich gemacht, daß sich Hussein weit unterhalb der Regierenden
anderer Länder befand. Somit wurde die amerikanische Behauptung, daß
der Irak befreit würde, gestützt.
Ein anderes Beispiel ist das äußerst häufig im Zusammenhang mit dem
"Fall Kaplan" genutzte Wort "Haßprediger".
Auch bezüglich des israelisch-palästinensischen Krieges kommt es
immer wieder zur Nutzung von solchen eine Meinung ausdrückenden oder
bildenden Begriffen. Der Angriff auf und die Tötung von Zivilisten
ist sicherlich in jedem Fall als verbrecherisch zu bezeichnen,
unabhängig davon, ob dies nun durch die Hand eines israelischen
Soldaten oder eines Palästinensers geschieht. Wenn andererseits
Palästinenser, die israelische Soldaten angreifen und töten als
"Terroristen" bezeichnet werden, obwohl es sich sowohl aufgrund des
Ausmaßes der regelmäßigen Kampfhandlungen als auch nach Ansicht der
Menschen auf beiden Seiten um einen "Krieg" handelt, so ist dies
wiederum eine eindeutige Parteinahme.
[...]
http://www.freace.de/artikel/200406/290604a.html