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  • auf_der_hut

mehr als 1000 Beiträge seit 07.05.2008

Re: Chinesisch-brasilianischer Friedensplan

Das schlagende Argument gegen den Chinesisch-brasilianischen Friedenplan: er ist ein Aufguss von Minsk-II, da gab es auch eine eingefrorene Kontaktlinie. Das hat Russland aber nicht gereicht. Es gibt wenig Argumente, warum das bei einer neuen Kontaktline ein paar Kilometer weiter westlich anders sein sollte. Das läuft auf eine Zerstörung der Ukraine und deren scheibchenweise Eroberung hinaus.

Dem Plan fehlen robuste Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Das hört sich immer so an, als seien Russland und die Ukraine irgendwie in Streit geraten und nun müsse dieser "Konflikt" gelöst werden. Das ist aber klassische Beschwichtigungsrhetorik: die Ukraine hat keinen "Konflikt" mit Russland, die Ukraine wurde von Russland unter Verletzung des Völkerrechts und von mindestens einem halben Dutzend Verträgen überfallen, um sie wieder zu einem Bestandteil Russlands zu machen und ihre Existenz als Staat zu beenden. Putins Rede kurz vor der "Spezialoperation" und deren Anlage als Enthauptungsschlag gegen die Hauptstadt Kiew lassen da keinen Interpretationsspielraum. Es gibt auch keinen Hinweis, dass sich an diesen Zielen etwas geändert hätte. Die halbe russische Armee steht auf ukrainischem Boden und es sieht überhaupt nicht so aus, als würden die russischen Attacken irgendwie nachlassen. Im Gegenteil.

Letztlich ist die zentrale Aussage hinter all diesen "Friedensappellen", dass der Westen die Unterstützung einstellt und Russland in der Ukraine freie Hand lässt. Damit wäre der "Konflikt" dann im Sinne von Moegling gelöst und man kann wieder zur Tagesordnung übergehen, alle Sanktionen aufheben und den Verhandlern (außer den ukrainischen natürlich) die Friedensnobelpreise umhängen. "Peace for our time" (N. Chamberlain 1938).

"Diplomatie" ist da nur ein Euphemismus für die Anerkennung von russischen Eroberungen unter nonchalanter Außerkraftsetzung des Völkerrechts, das genau das absolut verbietet. Es ist die Fortsetzung der russischen Expansionspolitik mit anderen Mitteln.

Die Alternative wäre, dass der Westen und die Ukraine zwar die militärische Niederlage anerkennen, nicht aber die Annexion der Ukraine oder von Teilen davon. Alle Sanktionen bleiben in Kraft, Russland bleibt eine Besatzungsmacht mit allen Pflichten, die sich aus diesem Status ergeben.

Am Ende ist die 1 Million Dollar Frage nicht so sehr, was mit der Ukraine passiert -deren Schicksal ist wohl mit der US-Wahl entschieden- sondern wie es danach weiter geht. Wird das ein neues "Münchener Abkommen", was einem großen Krieg in Europa vorausgeht? Wo man ein "unwichtiges" Land (damals die Tschechoslowakei, heute die Ukraine) opfert, um des lieben Friedens willen? Fährt Russland anschließend seine Kriegswirtschaft, seine absurd aufgeblasenen Streitkräfte und seinen Glauben an die ultimative russische Wunderwaffe zurück und gibt sich mit der Ukraine zufrieden? Setzt Europa seine Anstrengungen fort, sich notfalls auch ohne die USA verteidigen zu können? Oder kehrt man alles unter den Teppich und tut einfach so, als sei nichts gewesen, wie 2014? Und wird das dieses Mal ein anderes Resultat haben oder ganz genauso enden? Also mit dem nächstgrößeren Krieg nach ein paar Jahren?

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