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mehr als 1000 Beiträge seit 05.06.2007

Re: Die Zukunft ist auch nicht...

Ammerländer schrieb am 05.08.2024 16:08:

mehr, was sie mal war.

Machen wir mal ein Gedankenexperiment. Wir versetzen mit einer Zeitmaschine den Zukunftsforscher in das Jahr 1924 und lassen ihn die nächsten 100 Jahre vorhersagen.
Hätte er z.B. folgendes vorhergesagt:
- die Weltwirtschaftskrise
- den Aufstieg der Nazis
- den zweiten Weltkrieg
- die Entdeckung des Penicillins
- den Siegeszug des TVs
- den Vietnamkrieg
- Hippies und Flower Power
- den Rock and Roll
- die Antibaby-Pille
- die wirtschaftliche Entwicklung nach dem Krieg
- die Bevölkerungsexplosion
- die Computer und das Internet
- die KI?
Vermutlich nichts von dem? Viel mehr als die mittelalterliche Astrologie hat die heutige Zukunftsforschung auch nicht zu bieten.

Deine Erwartungen an die Zukunftsforschung ist etwas naiv. Es geht dabei nicht um das was passieren wird, sondern was passieren könnte. Diese Prognosen können dann mit realen Entwicklungen und Trends kombiniert und weiter extrapoliert werden. Das Ziel ist es den Horizont zu erweitern, um fatale Fehlentscheidungen zu vermeiden, nur weil niemand die Zeit aufgewandt hat, darüber nachzudenken und es daher nicht diskutiert wurde.

Es ist daher sehr sinnvoll, über die Chancen und Risiken von KI nachzudenken und unterschiedliche Szenarien zu modellieren. Ein Szenario ist, dass alles nur ein Hype ist, wie 3D-Fernsehen, dann ist es eben eine Blase, die platzen wird. Bei den Abermilliarden von Dollars die da reingesteckt werden, scheint mir die Wahrscheinlichkeit allerdings etwas gering. Wichtig ist, wenn man solche Szenarien entwickelt, dass sie niemanden nach dem Mund reden und auch die eigenen Überzeugungen nicht zu stark in die Arbeit einfließen.

Zukunftsszenarien erstellen ist kein PR-Job, sondern Schwimmen quer zum Strom. Ihre Qualität misst sich in der Abweichung von der vorherrschenden Meinung.

Die Hauptschwierigkeit von Prognosen von Zukunftsforschern liegt in der Schwammigkeit der Aussagen. Das ist auch in diesem Artikel der Fall. Der Interviewgast will sich nicht festlegen, sondern bleibt möglichst abstrakt um nichts Falsches zu sagen. So bekommt der Leser keine Vorstellung, was wirklich auf ihn zukommen könnte. Diese Lücke schließt das "Speculative Design", eine recht junge Design-Disziplin. Darin werden die Prognosen konkretisiert.

Als schon recht altes Beispiel führe ich den Film "The day after" an. Der Inhalt ist spekulativ, es hat noch nie einen Atomkrieg gegeben. Es gab wissenschaftliche Arbeiten über die Konsequenzen und die Folgen, aber es war dieser Film, der Reagan zur Abrüstung überzeugte.

Auch die Diskussion über KI braucht konkrete Bilder, aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln, damit wir eine Vorstellung bekommen, wie fundamental anders das Leben sein wird. Vielleicht zum Guten, vielleicht zum Schlechten, aber es kommt.

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