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  • Liesmich!

mehr als 1000 Beiträge seit 19.09.2009

Hat Deutschland in Zukunft im Wettbewerb um Fachkräfte überhaupt eine Chance?

Der Wohlstand eines Landes hängt ganz wesentlich davon ab, dass es genügend qualifizierte Fachkräfte gibt. Das gilt insbesondere für ein Land mit einer umfangreichen und komplexen Infrastruktur und mit Industrie, die - zumindest bislang - auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig ist. Mit dem Ausscheiden der Boomer-Generation aus dem Arbeitsmarkt werden allerdings immer weniger bio-deutsche Fachkräfte nachrücken. Dies ist aus demographischen Gründen unvermeidlich, außerdem hat bekanntlich der allgemeine Bildungsstandard nachgelassen.
Woher sollen wir nun also die fehlenden Fachkräfte bekommen, die helfen, unsere maroden Brücken und Gleise zu reparieren, unsere Schulen, Pflegeheime am Laufen zu halten und um weitere wettbewerbsfähige Produkte zu entwickeln?
Als Herkunftsländer scheiden unsere europäischen Nachbarländer schon einmal aus, denn dort sieht es demographisch auch nicht besser aus. Rumänien rekrutiert schon jetzt Arbeitskräfte von den Philippinen, weil sie im eigenen Land fehlen.
Bleiben also nur Fachkräfte von weiter entfernten Regionen der Welt. Und die haben aber auch wiederum als potenzieler Einsatzort die ganze Welt zur Auswahl.
Und da steht Deutschland eher selten als erstes auf der Wunschliste. Vorrang haben bekanntlich insbesondere die USA sowie andere englischsprachige Länder. Ein wesentlicher Grund: die Sprache (sowie Verwandte oder Freunde, die dort schon leben). Das selbe gilt für Herkunftsländer, in denen eine andere "Kolonialsprache" gesprochen wird, also Französisch, Spanisch oder Portugiesisch. Dort ist oft Frankreich, Spanien oder Portugal das ersehnte Ziel - weil man dort als qualifizierte Fachkraft ohne Sprachkurs sofort in der passenden Qualifikation beruflich einsteigen kann (freilich nur sofern es entsprechenden Job gibt).
Hierzulande dagegen können auch Hochqualifizierte oft nur als Putzkraft oder mit Hilfjobs Geld verdienen, sofern sie nicht ein ausreichendes Sprachniveau erreicht haben. In meinem Büro gab es zum Beispiel eine Chinesin, die in Deutschland promoviert hat. Sie hat in 3 Jahren zwar erstaunlich gut Deutsch gelernt, aber zum Schreiben von Berichten reichte es nicht aus. Die Probezeit hat sie nicht überstanden. Wer als "Migrant" dagegen hier aufgewachsen ist oder zumindest hier studiert hat, konnte sich in meiner Firmer schon eher sinnvoll einbringen.
Die Sprachhürde halte ich für ein wesentliches Handicap unseres Landes beim Anwerben von Fachkräften. Denn nicht jeder Spezialist hat Lust, noch einmal jahrelang "der/die/das" zu büffeln. Vielleicht wird es nötig sein, dass in den Betrieben zunehmend auch Englisch als Arbeitssprache zugelassen wird? Oder vielleicht auch andere Sprachen?
Auf einer Baustelle hatte ich mit einem Polier zu tun, der kaum Deutsch konnte und nur gebrochen Englisch, aber dafür fließend Spanisch und Rumänisch (Vater war Rumäne, Mutter Spanierin). Das hat erstaunlich gut funktioniert.
In jedem Fall habe ich den Eindruck, dass sich in Deutschland wahrscheinlich einiges ändern wird - sofern wir weiter auf dem Weltmarkt bestehen werden.

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