Kein konventionelles Waffensystem wird den Krieg in der Ukraine grundlegend ändern. Das ist auch ein Strohmannargument, das so keiner ernsthaft behauptet hat. Trotzdem ist es sinnvoll die F16 an die Ukraine zu liefern, und zwar:
1) es gibt in den Beständen des Westens nicht mehr genügend sowjetisches Altmetall, das man der Ukraine zur Verfügung stellen könnte. Es ist deshalb mittelfristig notwendig, der Ukraine westliche Waffensysteme zur Verfügung zu stellen. Nur die können schliesslich im Westen nachproduziert werden. Das gilt auch und vor allem für Flugzeuge. Ob für diesen Krieg oder für die Zeit danach, spielt dabei eigentlich keine Rolle. Die Ukraine wird auf sehr lange Zeit hinaus eine funktionierende Luftwaffe brauchen.
2) Wenn man Flugzeuge als vergleichsweise teure Waffensysteme liefert, dann macht es Sinn, um nicht einzelne Lieferländer zu überfordern, auf ein System zuückzugreifen, das in hohen Stückzahlen in vielen Ländern vorhanden, und gleichzeitig dem Gros der russischen Flugzeuge überlegen oder zumindest gleichwertig ist. Dafür kommt nur die F16 in Betracht.
3) Auch wenn der Einsatz der F16 zunächst einmal durch die kurze Ausbildungszeit der Piloten auf eher 'einfache' Missionen beschränkt sein sollte, ist sie als Waffenträger für moderne westliche AAM's oder AGM's allem überlegen, was die Ukraine jetzt fliegt. Andere Einsatzprofile fliegt die russische Luftwaffe im Augenblick auch nicht gross.
4) Die Verfügbarkeit einer nennenswerten Anzahl von Kampfflugzeugen auf Seiten der Ukraine, macht es unwahrscheinlicher, dass Russland seine letzte konventionelle Eskalationsoption zieht. Das wäre der massive Einsatz seiner Luftwaffe, um die Lufthoheit über der Ukraine zu erlangen und damit die Bedingungen für die Kämpfe am Boden grundlegend zu ändern.
Dies würde zwar auch jetzt schon erhebliche Verluste für die russische Luftwaffe mit sich bringen, die auch eine langfristige strategische Schwächung mit sich brächte, aber so ein Schritt würde sich um ein vielfaches verteuern, wenn die Lufthohet nicht nur gegen eine bodengestütze Luftabwehr, sondern auch gegen eine zeitgemässe Luftwaffe erkämpft werden müsste.
5) Der Einwand, die F16 würde ihr volles Potential nur durch die Integration im Rahmen des network centric warfare erreichen, gilt grundsätzlich für alle modernen Waffensysteme der Nato. Schlussendlich sind sie für Fähigkeiten um dieses Konzept herum entwickelt.
Trotzdem kommt da beim Autor wohl eher die Erfahrung als Veteran von US-Kriegen über fremdem Territorium zum Tragen. Bei der Luftverteidigung kann die Sensorik schliesslich grundsätzlich auch von bodengestützten Systemen kommen, da muss nicht zwingend eine E3 in der Luft sein.
Alles in allem ist die F16 mit Sicherheit kein game changer für die Ukraine, aber sie ist eine sinnvolle Ergänzung von Fähigkeiten, die die Streitkräfte der Ukraine sowohl in diesem Krieg als auch danach dringend benötigen werden.