Hier empfehle ich dringend, mal die Schuhe des vermeintlichen Gegners anzuziehen.
Ich bin in erster Linie Fußgänger.
Dann Autofahrer
Dann Radfahrer
Um das ganze mal in "gefühlte" Zahlen zu fassen, von welchen Verkehrsteilnehmern ich mich durchschnittlich schikaniert fühle, hier in meiner Kleinstadt, lasse ich da mal eine Skalierung von 1 bis 5 da. 1 = nicht schikaniert, 5 = sehr schikaniert.
Als Fußgänger
- durch andere Fußgänger: 1 - 2
- durch Radfahrer: 4
- durch Autofahrer: 2
Als Radfahrer
- durch Fußgänger: 2
- durch andere Radfahrer: 3
- durch Autofahrer: 4
Als Autofahrer
- durch Fußgänger: 1
- durch Radfahrer: 4
- durch andere Autofahrer: 4
Wenn ich das mal als Schnitt umrechne:
- durch Fußgänger: 1 - 2 - 1 = 1,33
- durch Radfahrer: 4 - 3 - 4 = 3,67
- durch Autofahrer: 2 - 4 - 4 = 3,33
Natürlich ist "mein Gefühl" kein Gradmesser für die Allgemeinheit. Vielleicht geht's dir ja anders.
Man KÖNNTE ja die ganzen Konflikte im Straßenverkehr auflösen, indem man den jeweiligen Verkehrsteilnehmern nicht nur vernünftige Verkehrsräume zuweist, sondern auch beginnt, Regeln allgemeingültig durchzusetzen. Das, was beim Autofahrer "kein Recht zum Rasen" ist, gilt halt für Radfahrer genauso. Da muss man auch mal bremsen und stehen bleiben an der Kreuzung und kann nicht "so tun" als ob man nun Fußgänger wäre. Von Fußgängern wird auch erwartet, dass sie nicht bei Rot über die Straße laufen, warum also meinen Radfahrer, sich das rausnehmen zu können?
Was die "Verwundbarkeit" betrifft, sind Radfahrer genauso "Weichziele" wie Fußgänger. Ein bisschen mehr Selbsterhaltungstrieb wäre nett. Aus Sicht eines Fußgängers spielt es keine Rolle, ob man von einem schnellen Radfahrer oder einem langsamen PKW-Fahrer angefahren wird: 100 Kilo Gesamtgewicht bei 25km/h brechen genauso Knochen bei einer Kollision, wie 1500 Kilo Gesamtgewicht bei gleicher Geschwindigkeit. Allerdings kommt der Autofahrer heile raus, der Radfahrer liegt auch mit gebrochenen Gliedern neben dem angefahrenen Fußgänger auf dem Boden.
Aus Sicht eines Autofahrers wiederum spielt es keine Rolle, ob der Unfallgegner auf zwei Rädern fuhr oder auf zwei Füßen lief. Der Schaden am Auto ist bestenfalls oberflächlich, nicht aber der Schaden an Fußgänger oder Radfahrer. Nur der Fußgänger scheint aber begriffen zu haben, dass er keine Chance gegen das Auto hat, was bei manchem Mopedfahrer oder eben Radfahrer nicht so angekommen ist.
Das sind jetzt so Beobachtungen aus so 30 Jahren. Der automobile Verkehr hat zugenommen, nicht zuletzt dank Rot-Grün "Fordern und Fördern", was uns zu einer Nation der Pendler gemacht hat. Dass so viele Haushalte zwei Autos haben, liegt eben daran, dass nicht beide Verdiener die gleiche Strecke zur Arbeit fahren. Und längst nicht jede Stadt hat ein nennenswertes ÖPNV-Netz. Das ist nur Großstädten vorbehalten. Alle anderen müssen halt nunmal Auto fahren, wenn sie auf Arbeit müssen.
Der Konflikt auf den Straßen entsteht durch Schikane-Baumaßnahmen und fehlende Trennung der Verkehrsräume, einem fatalen Selbstverständnis einiger Radfahrer, "ihnen gehöre die Straße" (aber Steuern für die Infrastruktur zahlen die Autofahrer) und falsch verstandener "Zukunftsperspektive der Mobilität". Zumindest in Deutschland bekommen wir es nicht hin, vernünftige ÖPNV-Angebote außerhalb der Ballungsgebiete zu realisieren. Und das Fahrrad ist halt keine Alternative für die Mehrheit, weil man nicht viel transportieren kann und die Witterungsabhängigkeit den Genuss erheblich vergällt.
In dem Sinne, schönen Feierabend.