Vornweg, ich teile den Beitrag auf in zwei Teile. Städte und Verkehr.
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"Zukunftsfähig" sind Städte nicht, solange auf Wachstum gesetzt wird. Man sieht ja die Wolkenkratzer-Cities überall auf der Welt, wie "toll" das so ist. Kein Problem, was man mit Verdichtung lösen will, wurde wirklich gelöst. Auch in New York gibt's Wohnungsmangel. Wie hoch soll da gebaut werden? Also wenn eine Stadt eine Zukunft haben will, muss sie auf Dauer dem ständigen Wachstum entsagen und "einfach" eine Nullwachstumsstrategie ansteuern. Das heißt aber nicht nur, dass immer weniger Wohnungen gebaut werden dürfen, sondern dass eben auch nicht beliebig viel Industrie im Ballungsgebiet angesammelt werden darf. Es muss halt einfach Schluss sein mit dem ewigen Wachstum.
Wenn ich mir vorstelle, dass man schöne Städte wie München oder Dresden "nachverdichten" will und damit meint, Parks zu opfern und höher zu bauen, um dann am Ende die gleichen Probleme zu haben wie Stuttgart, Frankfurt/Main oder Berlin, dann wird mir anders. Welches Problem wird denn bitteschön gelöst, was man anders nicht auch hätte lösen können?
"Weniger Straßen" sind jedenfalls kontraproduktiv, wenn man "nachverdichten" will, denn die Menschen müssen halt irgendwie auch sich innerhalb der Stadt bewegen können. Das Minimum sind ÖPNV und Fahrradwege, und die müssen halt zufälligerweise so breit sein, wie reguläre Straßen. Da kann man dann auch Autos fahren lassen und der einzige Ansatzpunkt, wie man den "Stehverkehr" (Parken) geregelt bekommt, ist, Tiefgaragen bzw. Parkhäuser als Teil der städtebaulichen Maßnahmen zu begreifen.
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Mich stört der Fahrradstraßenring in meiner Kleinstadt nicht. Im Gegenteil. Da wo die Fahrradstraße kreuzt, ist die Vorfahrt geregelt, anders als im Rest der verkehrsberuhigten Zone. Da gilt sonst überall "rechts vor links" - und Radler können auch die Einbahnstraßen entgegen dem Richtungssinn benutzen.
Mich stört seit längerem, wie gezielt durch verkehrsbauliche Maßnahmen die Verkehrsteilnehmer in größtmögliche Konfliktsituationen versetzt werden. Das fängt tatsächlich an mit der "Pole Position" für Radfahrer an Ampelkreuzungen. Laut StVO darf da kein Auto drauf stehen, muss also den Radfahrern den Vortritt lassen. Das Problem ist, dass ein Radfahrer sehr viel mehr Zeit benötigt, anzufahren als ein PKW. Damit wird die nutzbare Ampelphase verkürzt, es gelangen weniger Verkehrsteilnehmer über die Kreuzung. Ist zudem ein Radfaher Linksabbieger und gibt es keine eigene Linksabbiegerphase, muss er nach dem ersten Antritt noch ein zweites mal halten, um den Gegenverkehr abzuwarten. Damit bringt er sich aber in eine höchst gefährliche Situation.
Parkplätze werden künstlich verknappt durch Schikanebauten wie z.B. künstliche Einschnürungen der Fahrbahn. Die sind allein dazu da, dass die zweispurige Straße in nur eine Richtung gleichzeitig befahren werden können - und sollen so Autofahrer ausbremsen. Und natürlich trifft das auch Radfahrer, die ja genauso warten müssen, wenn das Hindernis auf ihrer Seite ist.
Man kneift also doppelt und dreifach den Straßennutzern in den Sack: erst nimmt man ca. 30% der Parkflächen weg, dann zwingt man die Verkehrsteilnehmer zum Stop'n'Go bei höherem Verkehrsaufkommen. Es sei dazu gesagt, dass diese Straße erst vor wenigen Jahren "verkehrsberuhigt" wurde. Zunächst fiel die Vorfahrsregelung, so dass nun rechts-vor-links gilt. Jetzt kommen die Schikanebauten dazu. Alles, nur um den Verkehr weiter auszubremsen - dabei gibt es überhaupt keinen Gewinn für die Sicherheit. Im Gegenteil: rechts-vor-links ist IMMER die schlechtestmögliche Regelung, da ist jeder Kreisel besser, jedes Stoppschild, jede Ampel.
Und der Fahrradring? Vor Kirche und Postamt opfert man 20 Parkplätze - doch hinter der nächsten Kreuzung stehen PKW auf der Fahrradstraße, weil "Anwohner". Es gibt gar keine andere Lösung, als dass die Fahrzeuge auf der Straße stehen müssen. Damit werden sie aber zu Hindernissen für die Radfahrer und nach wie vor gilt bei entgegenkommendem Verkehr - PKW dürfen die Fahrradstraße ja mit benutzen - dass auch der Radler bremsen und anhalten muss, wenn das Hindernis auf seiner Seite ist. Was ist also der Sinn der Fahrradstraße, wenn die Radler nicht ungehindert fahren können? Da schikaniert man Anwohner und Radfahrer gleichermaßen.
Es geht gar nicht um "Nostalgie" sondern um schikanefreien, konfliktarmen Straßenverkehr. Da wird seit 20 Jahren kaputtgespielt, was geht, nur um's Autofahren zu vermiesen. Dass es aber auch den kommerziellen Verkehr trifft, die Rettungsdienste oder den ÖPNV, dass man Radfahrer zu Sündenböcken macht und immer wieder in gefährliche Konfliktsituationen bringt, wird scheinbar in Kauf genommen.
Also nicht die Radlerstraße ist das Problem, sondern die Menschen, die eine ehemals gute StVO kaputtgespielt haben und EU-Fördermittel für verkehrstechnischen Irrsinn kriegen.
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Das Posting wurde vom Benutzer editiert (13.08.2024 15:42).