Wie auch immer diese Wahrheiten erkannt wurden, sie haben eines gemeinsam: Sie können nicht diskutiert werden. Es geht nicht darum, an sie zu glauben oder von ihnen überzeugt zu sein. Sie sind einfach, wie sie sind. Wahrheit wird dadurch - wie Hannah Arendt es nennt - despotisch. Sie wird weder von Tyrannen noch von konstitutionellen Regierungsformen gern gesehen. "Tatsachen stehen außerhalb aller Übereinkunft und aller freiwilligen Zustimmung." (S. 61) Man kann ihnen höchstens mit einer glatten Lüge beikommen.
Vertiefend dazu, Arendt schreibt, "vom Standpunkt der Politik gesehen ist Wahrheit despotisch" als Begründung für die Furcht der Politik vor ihr, also der Wahrheit. In meinem Exemplar befindet sich der einzige und rote Zettel zwischen den Seiten 60 und 61, links unten heißt es "die Frage ist lediglich, ob es hinreicht, Macht durch Verfassungen, gesicherte Bürgerrechte, Gewaltenteilung, d.h. durch Faktoren, die selbst dem politischen Bereich entstammen, zu limitieren, oder ob es darüber hinaus noch einer anderen Begrenzung bedarf, die ihren Ursprung außerhalb des politischen Raumes hat und deren Legitimität von den Wünschen und Ansichten der Bürger so unabhängig ist wie der Wille des schlimmsten Tyrannen." (Seitenwechsel) "Denn vom Standpunkt der Politik gesehen ist Wahrheit despotisch; und dies ist der Grund, warum Tyrannen sie hassen und die Konkurrenz mit ihr fürchten, und warum andererseits konstitutionelle Regierungsformen, die den nackten Zwang nicht ertragen, mit ihr auch nicht auf bestem Fuße zu stehen. Tatsachen stehen außerhalb aller Übereinkunft und aller freiwilligen Zustimmung; alles Reden über sie, jeder auf korrekter Information beruhende Meinungsaustausch wird zu ihrer Etablierung nicht das Geringste beitragen. Mit unwillkommenen Meinungen kann man sich auseinandersetzen, man kann sie verwerfen oder Kompromisse mit ihnen schließen; unwillkommene Tatbestände sind von einer unbeweglichen Hartnäckigkeit, die durch nicht außer der glatten Lüge erschüttert werden kann." (Nietzsche: "Nicht daß du mich belogst, sondern daß ich dir nicht mehr glaube, hat mich erschüttert.")