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  • Aubergenie

94 Beiträge seit 27.08.2021

Kontingenz: Neuber hätte auch einen sinnvollen Artikel veröffentlichen können

Hat er aber leider nicht. Und das ist eine Tatsache.

Die vorliegende Arbeit widmete sich der Politik unter dem Gesichtspunkt der Wahrheit. Es sollte unterschieden werden, was zur Politik und was zur Wahrheit gehört.

Es soll mit intellektuell sich gebendem Wortschwall das als "zur Wahrheit gehörend" behauptet werden, was das Regime und seine Tendenzwissenschaftler in Auftragsstudien als Wahrheit vorgeben.

"Sie halten die Realität für etwas Objektives, Äußeres, das seinen eigenen Bestand hat. […] Aber ich sage Ihnen, Winston, daß Realität nichts Äußeres ist. […] Die Realität läßt sich ausschließlich durch die Augen der Partei erkennen."
(Orwell, 1984, S. 299f)

Wie lächerlich und vorschulhaft banal Engbert dabei vorgeht, macht er hier jenseits aller möglichen Zweifel deutlich:

Das sollte auch den Corona-bewegten Systemgegner:innen klar sein.

Wenn sie einerseits die akademisch anerkannte Wissenschaft als willfährige Dienerin des Systems verfemen und andererseits die kritischen Wissenschaftler:innen, die es natürlich in einer wissenschaftlichen Debatte immer gibt, für ihre politische Ideologie instrumentalisieren, verwischen sie diesen Unterschied und destabilisieren damit nicht nur das System - was ihre Absicht ist -, sondern sie destabilisieren auch die Wirklichkeit, was für alle Menschen und auch für sie selbst destruktiv ist.

Mit dieser stolzen Leistung, das Niveau eines Unzickers nochmal deutlich zu unterschreiten, hat Ronald Engert auch noch den letzten Hauch von Satisfaktionsfähigkeit verwirkt. Eine weitere Diskussion über sein fadenscheiniges Schattengefecht erübrigt sich nicht nur, es verbietet sich geradezu.

Die guturalen Schnalzlaute einiger afrikanischer Dialekte, die Engbert als Aufrichtigkeitsersatz mitten in einige Wörter hineinbaut, sind auf diesem Niveau inzwischen wohl schon eine Selbstverständlichkeit.

Politisches Handeln, das auf die Zukunft gerichtet ist, hat mit Tatsachen nichts zu tun, da es diese Tatsachen der Zukunft eben noch nicht gibt.
(...)
Da Tatsachen mithin genauso wenig evident sind wie Meinungen...

Was für ein sinnloses, jede politische Propaganda rechtfertigendes Geblubber! Ist es nun eine Tatsache, dass die Sonne im Osten aufgeht oder nicht? Und wenn es irgendeine Merkel für politisch notwendig hält, dass die Sonne im Westen aufgeht (zum Beispiel weil Putin böse ist und die Sonne sonst annektieren würde!), dann ist es eine politische Wahrheit, dass die Sonne im Westen aufgeht, oder wie?

Auf einen Gedanken möchte ich trotz des unterirdischen Gelalles, das Harald Neuber meint uns vorsetzen zu müssen, deshalb noch eingehen, weil er zum einen dem hier publizierten unterirdischen Gelalle zugrunde liegt und weil er zum anderen aus vielen Diskussionen entgegenschallt und jede vernünftige Diskussion zuverlässig am Boden zerschellen lässt wie die Comicfigur "Roadrunner", die nach ihrem Sturz über die Klippe auch immer nur ihre Umrisse im Grund des Canyons hinterlassen hat. Oder war das "Duffy Duck"?

Es geht um das leidige "Man kann nichts sicher wissen", mit dem sich philosophisch Unbedarfte gerne ein Mäntelchen aus Intellektualität umhängen möchten.

Diejenigen, die sich keine Aussagen über die Außenwelt machen trauen, hadern mit ihrer Unfähigkeit, das wissenschaftstheoretische Problem der Letztbegründung intellektuell zu verarbeiten. Man könne, so die übliche nur vermeintlich wissenschaftliche Position, nichts wirklich sicher wissen. Durch diesen Ausweg versuchen zum Beispiel religiöse Menschen ihre Existenzbehauptung von Gott zu retten. "Man kann nicht mit absoluter Sicherheit ausschließen, dass es Gott gibt".

Ebenso kann man allerdings auch nicht mit absoluter Sicherheit ausschließen, dass es in der Wirklichkeit irgendwo Donald Duck gibt.

Aber mit jemandem, der nicht ausschließen kann, dass morgen früh auf dem Weg zur Arbeit Donald Duck in sein U-Bahn-Abteil zusteigt und hysterisch keifend alle Mitfahrer ins Bein beißt... mit so jemandem möchte ich bitte nicht alleine in einem Raum gelassen werden. Noch nichtmal wenn er fixiert ist.

Wer übrigens Gleiches über ein unsichtbares Gespenst behauptet, das das ganze Universum grad so gebracht hat wie der Klapperstorch die kleinen Kinder bringt, sitzt im Rundfunkrat und darf dort mitbestimmen, wie in den Medien über Religion berichtet wird. Aber das nur am Rande.

Agnostiker - auch Agnostiker der Existenz Bielefelds und aller anderen Aussagen über die Realität (Tatsachen!) - übertragen eine Aussage aus der grundlegenden Ebene wissenschaftstheoretischer Letztbegründungsüberlegungen (man kann eine Nicht-Existenz von X nicht beweisen, also auch nicht wissen, man kann gar nix wirklich sicher wissen) auf den Alltag. Die Aussage mag zwar korrekt sein, aber wie ... sagen wir mal ... wie hochproblematisch es ist, diese Letztbegründungsüberlegungen unverdaut und unverstanden auf den Alltag - auch auf den wissenschaftlichen Alltag - zu übertragen, wird eben deutlich, wenn man für X nicht Jahwe einsetzt sondern Donald Duck.

Man kann sich den Fehler, den religiöse Agnostiker und Agnostiker der Realität durch die Übertragung von unverdauten und unverstandenen Überlegungen zur wissenschaftstheoretischen Letztbegründungsproblematik auf den Alltag machen, recht gut am Beispiel der Relativitätstheorie veranschaulichen:

Von Einsteins Relativitätstheorien sind zur breiten Masse der Bevölkerung ein paar Erklärungen durchgedrungen. Zum Beispiel die Erklärung, dass eine Rakete, die mit annähernd Lichtgeschwindigkeit fliegt, irgendwie kürzer und schwerer wird.

Zu den Menschen, zu denen das durchgedrungen ist, ist allerdings meist auch durchgedrungen, dass diese relativistischen Effekte im Alltag keine Rolle spielen. Kein gesunder erwachsener Mensch glaubt, er könne seinen alten Golf in eine Parklücke parken, die 20 Zentimeter kürzer als sein Golf ist, wenn er nur schnell genug hineinfährt.

Was selbst die breite Masse der Bevölkerung verstanden hat, ist, dass Einsteins Relativitätstheorie nur in bestimmten Zusammenhängen eine Rolle spielt. Im Alltag aber nicht.

Nun ist die Relativitätstheorie nicht die einzige Theorie, deren sinnvoller Anwendungsbereich auf bestimmte Kontexte beschränkt ist. Auch die wissenschaftstheoretischen Überlegungen zur Letztbegründungsproblematik sind nur in bestimmten Kontexten relevant. Dort mag die Überlegung "Eigentlich können wir nichts sicher wissen" eine ebenso sinnvolle Erkenntnis sein und ebenso sinnvoll Berücksichtigung finden wie relativistische Effekte in der Nähe der Lichtgeschwindigkeit. (Btw.: Ich gehe hier viel zu milde mit der Wissenschaftstheorie um! Aber mei, ich bin halt ein "Lieber"...)

Wer aber nun glaubt, die in diesen Kontexten möglicherweise zu recht konstatierte Unsicherheit auf den Alltag übertragen zu dürfen, begeht den gleichen Fehler wie derjenige, der wegen der relativistischen Effekte versucht, seinen Golf sehr sehr schnell in eine zu kleine Parklücke zu parken.

Wer sich im Alltag wegen Überlegungen zur Letztbegründungsproblematik nicht ausschließen traut, dass Comic-Figuren "echt" sein könnten oder dass die Sonne im Westen aufgeht, der ist nun mal der gleiche Narr wie unser Golffahrer, dem gerade zu recht der Führerschein entzogen wird.

Der Clou ist, dass der Golffahrer rein theoretisch(!) ebenso recht hat wie der Agnostiker der Realität oder der Agnostiker in Bezug auf die Existenz Gottes.

Laut Relativitätstheorie wird sein Golf ja tatsächlich ein theoretisches Stückchen kürzer wenn er die Parklücke schnell anfährt (bei 50 km/h vielleicht um ein Billionstel eines Atomdurchmessers?), und laut mancher Wissenschaftstheorien können wir letztendlich wirklich nichts mit absoluter Sicherheit wissen (Was immer noch eine Diskussion von "wissen" nötig machen würde. Ich weiß z.B., dass wir einiges sehr wohl sicher wissen können ["Synthetische Urteile a priori", und so weiter]). Interessant wird's ja erst, wenn wir untersuchen, warum wir einiges sicher wissen können (Kant / Fichte).

Das Pech von Agnostikern, Ronald Engert und dem jetzt nicht mehr Golf fahrenden Golffahrer ist, dass sie die jeweilige Information (aus der Relativitätstheorie resp. aus der Wissenschaftstheorie) nicht vernünftig haben verdauen können. Wer sich "wegen Positivismus" keine Position im Theismus/Atheismus-Streit einnehmen oder keine Aussagen über die Realität machen traut, parkt auch "wegen Relativität" seinen Golf ganz ganz schnell in eine zu kleine Parklücke.

Sobald ein Agnostiker seinen Golf "wegen Relativität" tatsächlich in eine zu kleine Parklücke reinkriegt, gehe gerne ich selbst ins Irrenhaus. Sobald Agnostizismus eine vernünftige Position ist bei der Frage, ob es vernünftige Gründe gibt, die reale Existenz von Comicfiguren (Donald Duck, Jahwe, Lupo) anzunehmen, oder eine vernünftige Position bei Aussagen über die Realität, auch. Bis dahin sollte das Irrenhaus allerdings ein sicherer Rückzugsort für Menschen sein, die Texte wie den vorliegenden Artikel veröffentlichen.

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