Ansicht umschalten
Avatar von Pnyx (1)
  • Pnyx (1)

mehr als 1000 Beiträge seit 01.07.2017

trügerische Pflöcke

So sehr ich auch sympathisiere mit dem Anliegen des Autors gegen Überrelativierung und Fungibilisierung von allem und jedem Pflöcke einzuschlagen, muss doch festgestellt werden, dass er hinter Einsichten des zwanzigsten Jahrhunderts zurückfällt.

Die von Arendt übernommene Trennung zwischen handelnder und nicht-handelnder Sprache ist prekär. Jeder Sprechakt ist ein solcher, es gibt keine nicht-performative Sprache. Wer kommuniziert, will wirken. Die Erwähnung eines Faktums oder einer Tatsache, also das Aussprechen einer Wahrheit, macht keine Ausnahme.

Die Sphäre der Wissenschaft als nicht-politische zu setzen ist ebenso prekär. Im März 2020 sprach der von Engert angeführte 'Professor Christian Drosten' im Bezug auf C-19 von einer "milden Erkältung", die "im Prinzip für den Einzelnen gar kein Problem" sei. Auch in jenem Zeitpunkt diese kecke Behauptung als nicht politisch gefärbt einzuordnen fällt schwer. Ebenso behauptete damals das RKI, das Tragen einer Maske sei völlig "unnötig".

Nicht anders verhält es sich mit der Geschichtswissenschaft. Gerade diese wird oft zum Mittel der Beförderung ideologischer Überzeugungen des Historikers missbraucht. Die selben Tatsachen können sehr unterschiedlich dargestellt und in ein Gesamtbild eingepasst werden. Es gibt kein nicht-politisches Feld. Wer ein solches statuiert, setzt sich dem Verdacht aus eine eigne Agenda zu verfolgen.

Der Versuch, die eignen Äusserungen als über den Dingen stehend darzustellen kann ins leicht Lächerliche abrutschen. Es ist offensichtlich, dass Engert mit seinem Essay versucht, den C-19-Querschlägern den Wind aus den Segeln zu nehmen, ohne sich mit diesem selbst befassen zu müssen. Auch wenn man füglich behaupten kann, dass die Konstruktivisten mit der Ablehnung des Wahrheitsbegriffs selbst das Kind mit dem Bad ausgeschüttet haben, ist es doch ein hoffnungsloses Unterfangen, hinter die sprachliche Wende in der Philosophie zurückgehen zu wollen und der Wahrheit eine gleichsam platonische Dignität zuzusprechen. Der Versuch, feste Pflöcke in das geistige Universum einzuschlagen endet stets in Reifizierungen. An der inhaltlichen Auseinandersetzung führt kein Weg vorbei, auch kein philosophischer.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (10.10.2021 18:57).

Bewerten
- +
Ansicht umschalten