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  • benu13

509 Beiträge seit 10.06.2015

Antworten auf die 5 Thesen des Autors

Zu These 1: Der Autor führt als Beispiel Österreich an: „Entscheidend ist hier vor allem der Punkt, dass sich die Österreicher als eigenes Volk begreifen und in einem eigenen Staat leben wollen. Das sind zwei Punkte, die unzweifelhaft ebenso auf die Ukrainer zutreffen.“ Faktisch wurden die Österreicher nach 1945 nicht gefragt. Dennoch dürften sie zumindest keine Einwände haben, in einem eigenen Staat zu leben. Denselben Wunsch erhoben wiederholt die Bayern. Ob sie dadurch zu einem „eigenen Volk“ werden, sei dahingestellt. Es dürfte den meisten Österreichern auch egal sein.
Dass die Zerstörungen in der Ostukraine dazu führten, dass sich die Menschen dort gegen Russland gewendet hätten, wird eindrucksvoll durch die Referenden, die zumindest ein Stimmungsbild abgeben, wie durch den Tatbestand widerlegt, dass Russland die meisten Flüchtlinge aus der Ukraine beherbergt. Eine Bestätigung liefern ebenso die Recherchen von Patrick Baab.

Zu These 2: Dem Autor ist zuzustimmen, wenn er einerseits den Westen kritisiert, das Prinzip der „Unteilbarkeit der Sicherheit“ verletzt zu haben, und andererseits Russland vorwirft, das Völkerrecht verletzt zu haben. Wie anders Russland den von ihm konstatierten Machtanspruch des Westens hätte eindämmen können, sagt er nicht.

Zu These 3: Nach UN-Angaben wurden bis Ende 2021 in der Ostukraine 3404 Zivilisten getötet, der allergrößte Teil auf der prorussischen Seite. Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine gab es 1417 getöteten Zivilisten bis zum 4.4.2022, als ein Ende des bewaffneten Konflikts im Bereich des Möglichen lag. Ein Teil davon geht auf das Konto der ukrainischen Armee. Dies soll dem Versuch des Autors entgegengesetzt werden, Todeszahlen gegeneinander aufzuwiegen und eigene Schlüsse zu ziehen.

Zu These 4: Warum erwähnt der Autor die „Steinmeier-Formel“ nicht? Die von ihm beschriebene Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Reihenfolge der in Minsk II vorgesehen Maßnahmen wäre damit erledigt gewiesen. Es war Kiew, das diesen Kompromissvorschlag ablehnte und sich schließlich gegen das gesamte Vertragswerk aussprach – mit Rückendeckung der USA. Wie die Veröffentlichung der Gesprächsprotokolle vom Dezember 2021 durch Lawrow belegte, stützten plötzlich auch Deutschland und Frankreich die ukrainische Position, dass es keine Verhandlungen mit Vertretern des Donbass geben kann.

Zu These 5: Vermeintliche Gräueltaten werden vom Autor als Grund für das Ende der Gespräche in Istanbul im März 2022 angeführt. Solche gab es mit Sicherheit, und zwar auf beiden Seiten. Angesichts fehlender unabhängiger Untersuchungen ist es allerdings schwer, sie zu verifizieren oder als Propagandalügen zu entlarven. Es sei daran erinnert, dass 1968 nicht einmal der sowjetische Einmarsch in die Tschechoslowakei ein Grund war, die Entspannungsbemühungen der deutschen Regierung auszusetzen. Ähnlich ließe sich heute argumentieren, wenn guter Wille besteht.
Der Autor verweist auf den israelischen Premierminister Bennett als Kronzeugen, dass die Ukraine die Verhandlungen abgebrochen hat, obwohl es zu einer weitgehenden Annäherung gekommen ist. Es gibt aber noch andere Zeugen, zuletzt aus Kiews eigenen Reihen.

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