Andre Sokolew schrieb am 16.04.2016 01:49:
Wo das Problem ist? Das Problem sind Medien, die alles durcheinanderbringen und Leute wie Sie, die das nicht entwirren können.
Erstens ist es natürlich richtig, dass die Justiz, also die Gerichte, darüber entscheiden sollen, ob eine Beleidigungsklage Erfolg hat oder nicht. Erdogan hat (zur Sicherheit) zivilrechtlich geklagt, das muss jetzt - wie in einem Rechtsstaat üblich - abgearbeitet werden, das ist unstrittig, überhaupt kein Problem. Frau Merkel oder irgendein anderer Politiker, Künstler, Satiriker oder Journalist hat dabei kein Wörtchen mitzureden.
Exakt
Zweitens hat Frau Merkel genau auf diesen Grundsatz verwiesen. Aber das war nicht richtig. Denn es ging darum, ob sie die Ermächtigung zu Ermittlungen nach §103 erteilt, das ist eindeutig eine politische Frage. Nur wenn die Regierung diesem zweiten Verfahren, dass im Unterschied zum ersten ein Strafverfahren ist, zustimmt, kann es eröffnet werden.
Nunja, die Regierung hat also offensichtlich abgewogen, was für die Bundesrepublik potentiell größeren Schaden bedeutet - und sich für eine Richtung entschieden. Das muss so pauschal ja auch erst mal nicht falsch sein. Platt gesagt: Wenn ein Clown durch eine derartige Geschmacklosigkeit (und ja genau das ist es in meinen Augen) die Beziehung zwischen D und der Türkei (wie immer man dazu stehen mag) ernsthaft zu beschädigen droht, dann spricht meiner Meinung nach relativ wenig dagegen dies nach geltendem Recht auch zu verfolgen. Und nein, mit Meinungsfreiheit, Freiheit der Kunst etc. hat das in meinen Augen ggf. eben nichts mehr zu tun, denn die hört bei Beleidigungen ggf. auf. Wo da die Grenze ist, das müssen nun halt Gerichte entscheiden.
Frau Merkel hätte gut daran getan, mit Hinweis auf die unabhängige Justiz und das anhängige Zivilverfahren (das theoretisch Böhmermann schuldig sprechen kann) das strafrechtliche Verfahren wegen Majestätsbeleidigung abzulehnen. Wie gesagt, die Gesetzgebung sieht diese Schranke ausdrücklich vor.
Weil? Wie sollte die Argumentation gegenüber der Türkei dabei ausfallen? Wir haben zwar ein Gesetz, weigern uns aber es anzuwenden? Was spricht dagegen, das ganze auch auf dieser Ebene zu verfolgen wenn das nun mal so möglich ist (und ja das auch schon gemacht wurde, also nach dem 2. Weltkrieg).
Wie sollen deutsche Politiker künftig wegen Repressionen gegen Journalisten in der Türkei oder in Russland oder in der Ukraine oder in China glaubwürdig protestieren?
Das können sie selbstverständlich - mir wäre es jedenfalls neu, dass die Journalisten in China, Russland etc. nur verfolgt werden, weil sie Putin oder dem Parteikader die Männlichkeit absprechen (vorsichtig ausgedrückt) - die wären wohl froh wenn es so wäre.
Und nein, den Böhmermann mit seiner Beleidigungstirade würde ich auch niemals auf eine Ebene mit russischen/chinesischen Journalisten stellen, die unter Einsatz ihres Lebens etwa Korruption aufdecken.
Denn nach wie vor kann man hierzulande Satire präsentieren, unangenehme Berichte veröffentlichen etc. - aber eben in Grenzen, die es allerdings vorher auch schon gab.
Und bevor ich es vergesse: Ja ich fände es persönlich auch gut den Paragraphen abzuschaffen und wenn der Mann nicht deswegen verurteilt wird. Auf der anderen Seite ist es natürlich (solange es ihn eben noch gibt) nicht verkehrt, wenn da mal ein bisschen Rechtssicherheit geschaffen und klar abgegrenzt wird, was nun erlaubt ist und was nicht. Das könnte ansonsten ja genau so einen 08/15 Bürger treffen.....
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (16.04.2016 11:54).