Seit 2014 habe ich eine erstaunliche Offenheit für "Verschwörungstheorien" in allen möglichen Schichten bzw. Milieus erlebt. Die Frage kommt dabei durchaus einmal auf, ob dies oder das nicht eine Verschwörungstheorie sei.
In der Regel suche ich dann einen kurzen Weg, um dieser verhalten geäußerten Keule die Kraft zu nehmen:
Ich berichte dann einfach, dass eigentlich heute der Begriff "Verschwörungstheorie" als Argument allgemein nicht mehr akzeptiert sei, weil interessierte Menschen die Realität nicht mehr anders erleben, als als Verschwörung.
Dann warte ich noch eine Antwort ab, die das vielleicht in Frage stellt und dann frage ich mein Gegenüber einfach, ob er wüsste, wer die "Five Eyes", also die fünf bedeutendsten Geheimdienste weltweit kontrolliere. Insbesondere frage ich, ob er erkennen könnte, dass diese durch die jeweiligen nationalen Regierungen kontrolliert würden. Und diese Sicht vertritt kaum jemand, da bekannt ist, dass die Geheimdienste auch Spitzenpolitiker ausspionieren und da sich Spitzenpolitiker und Regierungen in der Regel schlecht informiert bezüglich geheimdienstlicher (z.B. krimineller) Aktivitäten zeigen.
Wenn nun jedoch bekannt sei, dass die "Five Eyes", wie der Name bereits nahe legt, zusammen arbeiten würden, dann frage ich, wer sie denn kontrollieren würde. Und wenn dann keine plausible Antwort kommt, dann frage ich, wie mein Gesprächspartner dies den anders bezeichnen würde, als als Verschwörung.
Danach kommen mir nur noch Hartnäckige mit der Verschwörungskeule. In der Regel verbleibt bei mir dann auch oft der Eindruck, dass diese Personen nicht mehr ihre eigene Meinung vertreten. Sie würden dann also eine fremde Meinung vertreten, was ich auch als Verschwörung bezeichnen würde. Denn was anders, als eine geheime Abmachung kann eine Person motivieren, eine andere Meinung zu vertreten, als die eigene?
Ein wichtiger Aspekt zum Umgang mit der Verschwörungskeule ist für mich noch die Frage der Verantwortung. Jeder Gesprächsteilnehmer übernimmt mit dem Gesagten Verantwortung, weil er in der Regel eine Seite stärkt.
Wenn es dringende Hinweise auf so schwere Verbrechen wie bei den NSU-Morden gibt, wenn es Opfer gibt und wenn insbesondere eine Mordserie nicht abreißt oder wenn durch eine Verschwörung Kriege inszeniert werden mit hunderten tausenden von Toten, dann stärken Menschen, die berechtigte Vermutungen an der Schuld möglicher Täter zurückweisen, die Position dieser möglichen Täter.
Der bekannte juristische Grundsatz "In Dubio pro Reo" ("Im Zweifel für den Angeklagten") muss freilich für einen Richter gelten, bevor dieser einen angeklagten verurteilt.
In keinem Fall darf er für ermittelnde Kräfte gelten, denn sonst ist eine ergebnissoffene Ermittlung nicht möglich.
Und sie darf nicht für Menschen gelten, die ebenfalls für das Wohlergehen möglicher zukünftiger Opfer oder für das Wohlergehen des eigenen Volkes Verantwortung haben und die mit massiven Gefährdungen konfrontiert sind. Und anders kann man die gegenwärtigen Verbrechen (jeder Krieg ist ein Verbrechen) nicht bezeichnen.
Es ist legitim, dass sich ein Gesprächspartner auf eine Linie zurückzieht, er vermeide für sich selber eine Festlegung auf einen möglichen Schuldigen, solange dessen mögliche Schuld nicht zweifelsfrei bewiesen ist.
Wer jedoch mit unsachlichen Argumenten (und die "Verschwörungskeule" ist ihrer Art nach grundsätzlich immer ein nicht sachliches Argument) die Suche anderer nach der Wahrheit unterbindet, der stärkt unter Umständen die Position der Täter. Dies tut er nämlich genau dann, wenn die "Verschwörungstheoretiker" den tatsächlichen Tätern in ihren Gesprächen auf der Spur sind. Und wenn er auf diese Weise die Potition von Tätern stärkt, dann macht er sich selber mit verantwortlich für zukünftige Untaten, er entscheidet sich gewissermaßen für die Seite der Täter.
So sehr ich mir bewusst bin, wie ungerecht und vielfach unsachlich die Nachkriegs-Gehirnwäsche in Sachen "Entnazifizierung" in Deutschland stattgefunden hat, so bin ich doch dankbar, dass bei uns durch diese Propaganda dennoch ein Bewusstsein dafür geschaffen wurde, welche Schuld jemand auf sich lädt, der einen Faschisten, einen Massenmörder, einen Feind der Menschheit moralisch durch seine Meinung stärkt.
Ich empfehle den Menschen, die sich so vehement gegen jegliche Diskussion über Verschwörungstheorien zur Wehr setzen, sich Gedanken zu machen, ob ihnen die Konsequenzen ihrer Haltung bewusst sind.
Sehr beeindruckt hat mich in diesem Zusammenhang die Meldung eines Bekannten, deren Wahrheitsgehalt mir nicht überprüfbar ist, die jedoch, sollte sie wahr sein, sehr viel erklären würde:
https://www.facebook.com/cArschtenH/posts/10211691395336584
(sorry, wenn ich auf Facebook verlinke, aber da steht es halt)
Hier würde auch deutlich, wie bedeutsam für die Verschwörer die Diskreditierung der entsprechenden Theorien wäre. Verkürzt ausgedrückt würden sie sich nicht trauen, die Erde weiter zu zerstören, wenn sie nur einer vehementen Gegenmeinung im Volk gegenüber stehen würden. Sie wären zwar verpflichtet, die Wahrheit über ihre verbrecherischen Vorhaben bekannt zu machen. Aber sie würden im selben Zuge verhindern, dass Menschen die Wahrheit als solche (an)erkennen würden, wodurch sie sich nicht wehren würden. Und die fehlende Gegenwehr der Opfer (also von uns) wäre die Legitimation zur Verübung der Verbrechen.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (28.04.2017 23:27).