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  • wiejetzt

mehr als 1000 Beiträge seit 12.02.2009

noch besseres Karl Kraus-Zitat...

Mein Lieblings-Zitat von Karl Kraus (obwohl mitunter Zweifel gehegt werden ob er es wirklich gesagt hat) ist immer noch das hier:

"Wenn die Sonne einer Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten".

Es ist eigentlich ein Unding und wirft ein jämmerliches Licht nicht nur auf den Zustand unserer Kultur als ganzes, sondern auch auf die Frage welche Achtung diese Kultur vor juristischen Prinzipien und richterlicher Rechtsprechung hat, wenn wochenlang Geschichten über so ein Trash-TV-Sternchen wie Gina-Lisa Lohfink und ihre angebliche Vergewaltigung die Schlagzeilen dominieren. Und nicht nur das, sondern dass hier ein aus Sicht der Klägerin unliebsames Urteil als Beweis herhalten muss, dass unser Rechtssystem vermeintlich nix taugt oder Täter schützt. Während allem Anschein nach Frau Lohfink offenbar auch noch den Gerichtsprozess wenn nicht explizit, dann doch durch ihr ganzes Verhalten erkennbar mit einer Nachmittags-Gerichtsshow im Privatfernsehen verwechselt (und obendrein dabei auch noch stillschweigend die Frage beantwortet, ob die Zielgruppe dieser Scripted Reality-Formate wirklich nicht zwischen Realität und Fiktion unterscheiden kann).

Und ebenso ist es halt auch bei der von Herrn K. nach allem was man weiß nicht vergewaltigten ehemaligen Geliebten. Achtung vor dem Rechtssystem? Fehlanzeige. Der unerschütterliche Glaube an die eigene Opferrolle, selbst angesichts einer erdrückenden Beweislast seitens einer ganzen Handvoll von Gutachtern, wird über die Tatsache gestellt, dass es nun mal nicht Stars, Trash-Sternchen und anderen Aufmerksamkeitshuren obliegt, über Schuld und Unschuld zu urteilen, sondern den Gerichten.

Unser Rechtssystem ist im großen und ganzen schon so weit in Ordnung. Angeklagte haben umfangreiche Rechte, sich vor Gericht auch gegen die schlimmsten erdenklichen Vorwürfe zur Wehr zu setzen. Genauso wie Opfer und Geschädigte das Recht haben, und in den letzten Jahren immer mehr Rechte bekommen haben, umfangreich (und sei es in den Trashkultur-Medien) ihre Sicht der Dinge darzulegen.

In den allermeisten Fällen wird die Schuld eines Angeklagten, sofern er die fragliche Tat denn begangen hat, auch festgestellt und es kommt in der Tat nicht zu einem Freispruch. Allen Geschichten über Fehlurteile in den Boulevard-Medien zum Trotz (wobei wir wieder bei der "Sonne der Kultur" wären), arbeiten Gerichte in aller Regel präzise genug, um sicherzustellen, dass die Schuld, aber auch die Unschuld eines Angeklagten mit sehr hoher Sicherheit festgestellt werden kann.

Und das führt nun mal mitunter auch zu der Schlussfolgerung, zum rechtskräftigen Urteil durch ein Gericht, dass ein Angeklagter eben kein Vergewaltiger, Kinderschänder oder Raubmörder ist. Dass seine Unschuld angesichts der Faktenlage einfach nicht ernsthaft angezweifelt werden kann, oder dass die Indizien einfach nicht ausreichen um den Angeklagten schuldig erscheinen zu lassen.

Natürlich kann die Reaktion im "gemeinen Volk" dann auch so ausfallen, dass man fassungslos darüber ist, dass jemand nicht schuldig gesprochen wurde. Aber hier muss man halt wirklich ohne Unterlass aufpassen, dass "gesundes Volksempfinden" nicht die Autorität und Urteilsmacht von juristisch kompetenten Richtern, Staatsanwälten und Anwälten untergräbt. Und man darf auch nicht verschweigen, dass unser Rechtssystem für gewöhnlich genügend Sicherungsmechanismen bereithält, damit auch tatsächliche Fehlurteile revidierbar sind.

Gleichsam ist die Tatsache, dass Angeklagte freigesprochen werden, und sei es auch ein Freispruch von den schlimmsten nur vorstellbaren Straftaten, nicht als automatischer Auftrag an den Gesetzgeber zu verstehen, Gesetze zu verschärfen. Schon garnicht, wenn die Versuchung seitens von Politikern - wie so oft - groß ist, aus so einer Gesetzesverschärfung politisches Kapital zu schlagen. Nein, Freisprüche müssen im Rechtssystem eines freiheitlich-demokratischen Landes genauso zum jederzeitigen Rechtsalltag gehören wie Schuldsprüche. Verneint man dies, und versucht hier im mutmaßlichen Interesse des "gesunden Volksempfindens" die Grenzen dieses Koordinatensystems zu verschieben, dann sollte jedem einzelnen Bürger dieses Landes dem seine Freiheitsrechte wichtig sind angst und bange werden.

Wie der britische Jurist William Blackstone bereits im 18. Jahrhundert formulierte:

"It is better that ten guilty persons escape than that one innocent suffer"

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (29.09.2016 18:04).

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