Die "Deutsche Welle" war vor einem Jahr außer sich vor Empörung, als die russische Botschaft einen ausführlichen Artikel Putins zum Zweiten Weltkrieg deutschen Historikern zur Lektüre anbot.*
Die DW zitierte dazu eine Historikerin, die dies als "versuchte Beeinflussung" bezeichnete, die "im Sinne der Wissenschaftsfreiheit nicht zu akzeptieren" sei, und eine weitere Historikerin mit: "Das ist eine Einmischung in die Freiheit der Wissenschaft."
Die deutsche Freiheit der Wissenschaft ist somit in Gefahr, wenn man zum Zweiten Weltkrieg auch die Sichtweise des Landes, dem Deutschland das größte Leid angetan hat, zur Kenntnis nimmt.
Immerhin war die deutsche Pressefreiheit noch nicht in Gefahr, denn die deutschen Medien, die damals über Putins Artikel herzogen, waren nicht bereit, ihn im Original zu veröffentlichen.
Die Gefahr, dass sich die Leser eine eigene Meinung dazu bilden könnten, wurde also entschlossen abgewehrt.
Im Westen erschien Putins Artikel nur im verpönten "The National Interest".**
Aber oh Schreck: Heute, auf den Tag genau ein Jahr nach obigem warnenden DW-Artikel, scheint es auch mit der deutschen Pressefreiheit aus und vorbei zu sein:
Putins neuer Artikel*** zum Zweiten Weltkrieg findet sich heute ausgerechnet in der "Zeit".
Und das Allerschlimmste: Darin wiederholt er ausführlich seinen früheren Vorschlag, aus dem Zweiten Weltkrieg zu lernen und europäische Zusammenarbeit von Lissabon bis Wladiwostock zu beginnen.
Kündigt sich bei uns eventuell eine Verschiebung des Overton-Fensters an?
* https://www.dw.com/de/botschaft-empfiehlt-putin-artikel-zu-zweitem-weltkrieg/a-53917433
** https://nationalinterest.org/feature/vladimir-putin-real-lessons-75th-anniversary-world-war-ii-162982
*** https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-06/ueberfall-auf-die-sowjetunion-1941-europa-russland-geschichte-wladimir-putin
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (22.06.2021 15:59).