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  • Rainald Koch

mehr als 1000 Beiträge seit 11.01.2007

Re: Regulation des Blutdrucks

Man vermutet, dass in einigen Stadien der Krankheit das Virus das empfindliche Gleichgewicht der Hormone, die den Blutdruck regulieren, verändern kann und dass die zur Lunge führenden arteriellen Blutgefäße sich deshalb kontrahieren. So könne dann die Sauerstoffaufnahme in der Lunge eher durch sich kontrahierende Blutgefäße behindert werden als durch verstopfte Alveolen. Das könne ein Grund sein, dass bei einigen Patienten so niedrige Sauerstoffwerte gemessen werden.

Das hat der Autor falsch verstanden. Das Problem ist nicht ungewöhnliche Kontraktion, sondern ungewöhnliche Dilatation. Im gesunden Lungengewebe gibt es einen Mechanismus, die lokale Durchblutung an den lokalen Sauerstoffgehalt anzupassen. Die Verhältnisse ändern sich mit der Tiefe der Atmung, mit Bauch- oder Rückenlage, und natürlich mit Infektionsherden. Wo weniger Sauerstoff hin kommt, soll auch die Durchblutung geringer sein, durch Kontraktion der Kapillaren. Diese Kontraktion funktioniert in den von SARS-CoV befallenen Herden nicht, die Kapillaren stellen sich weit. Das wirkt wie ein Kurzschluss einer Spannungsversorgung: Der Druck in der Lungenarterie fällt und damit die Durchblutung des intakten Gewebes. Der größte Teil des Blutes im Lungenkreislauf strömt nutzlos an schlecht belüfteten Alveolen vorbei.

Daraus resultiert nicht nur eine schlechte Sauerstoffaufnahme, sondern auch eine Kreislaufbelastung: Das Herz bemerkt den Mangel, erhöht Schlagzahl und Durchsatz. Der Durchsatz im Lungenkreislauf ist aber identisch mit dem im Körperkreislauf, wegen Reihenschaltung, wodurch im Körperkreislauf der Druck steigt, was das Herz zusätzlich belastet. Wer ohnehin schon einen hohen Blutdruck hatte, ist besonders gefährdet, wenn der weiter steigt, das Herz unterversorgt ist (pO2, Mikroembolien), aber mehr Durchsatz liefern soll, und das nicht nur für ein paar Minuten Sex, sondern ohne Pause mehrere Tage lang.

EDIT: Literatur und eine Hypothese
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/inhalt-35-2000/titel-35-2000/
https://pneumologie.de/fileadmin/user_upload/COVID-19/20200417_DGP__app._Differenzialtherapie_ARI_COVID-19.pdf
https://www.nature.com/articles/d41586-020-01315-7

Es wurde mehrfach berichtet, dass der Beginn der künstlichen Beatmung der Anfang vom Ende ist, sogar schon die Gabe von viel zusätzlichem Sauerstoff (high-flow non-invasive ventilation). Vielleicht erhöht sie die Kreislaufbelastung, indem das in den belüfteten Teilen der Lunge unphysiologisch hohe pO2 dort zu einer Engerstellung der Kapillaren führt und zu einem noch größeren Anteil des "Leckstroms" durch die schlecht belüfteten Bereiche. Mittel der Wahl ist die künstliche Lunge (ECMO).

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (07.05.2020 18:48).

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