ainstein schrieb am 19. Dezember 2014 19:37
> Eben. Das Völkerrecht. Nicht das Nationenrecht. In der UN-Charta gilt
> explizit das Selbstbestimmungsrecht der Völker um den Frieden
> zwischen den Nationen zu wahren!
ja, nur dieses selbstbestimmungsrecht ist an gewisse voraussetzungen
gebunden. übrigens hebelt auch das völkerecht nicht so einfach
nationales recht aus.
"Das Recht zur Selbstbestimmung hat als Prinzip der Uno-Charta seine
Ausformung zuerst in der Dekolonisierung und in der postkolonialen
Staatsgründungswelle erfahren. Es gibt verschiedene Formen von
Selbstbestimmung. Dazu zählen nebst der Eigenstaatlichkeit oder dem
Anschluss an einen anderen Staat innerstaatliche Formen der
Selbstbestimmung wie Minderheitenschutzarrangements oder
Autonomieregelungen als Kompromiss zwischen Selbstbestimmungswunsch
und der Achtung staatlicher territorialer Integrität. Die
internationale Praxis zieht zum Schutz dieser Integrität diese
innerstaatlich wirkenden Spielarten vor. Daher verwirklicht sich nur
in Ausnahmefällen Selbstbestimmung über bestehende Grenzen hinweg.
Auch dann handelt es sich nicht um ein einseitig ausübbares Recht,
sondern um einen international überwachten Prozess, wie das
Konfliktmanagement in Osttimor oder im Südsudan zeigte.
....
Die Präsenz russischer / russisch gesteuerter Truppen, ursprünglich
gedeckt durch ein Stationierungsabkommen, mutiert so zur
militärischen Bedrohung und Besatzung, was das Gewaltverbot der
Uno-Charta, eine Zentralnorm des internationalen Systems, verletzt.
Völkerrechtlich besteht eine Pflicht von Staaten und internationalen
Organisationen, Gebietsveränderungen als Folge der Anwendung oder
Androhung von Gewalt nicht anzuerkennen. Darum wurden die
israelischen Annexionen der Golanhöhen und Ostjerusalems ebenso wenig
akzeptiert wie der Versuch Saddam Husseins, Kuwait zu erobern. "
http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/der-krim-konflikt-und-das-voelke
rrecht-1.18265005
"Das Völkerrecht verbietet die Sezession nicht. Aber es gibt
umgekehrt einer ethnischen Gruppe in einem Vielvölkerstaat auch nicht
die Befugnis, sich von diesem Staat gegen dessen Willen loszulösen.
Übrigens hat das russische Verfassungsgericht erst 1995 im Hinblick
auf den Versuch von Tschetschenien, sich von Russland zu lösen, exakt
dasselbe gesagt. Das Völkerrecht betrachtet einen Sezessionsversuch
eben grundsätzlich als eine innere Angelegenheit des betroffenen
Staates.
...
Darauf kommt es völkerrechtlich nicht an. Das Völkerrecht erkennt
einen Wechsel der territorialen Souveränität nicht an, wenn dieser
mit Hilfe einer auswärtigen Aggression zustande gebracht werden soll.
Dahinter steht übrigens auch die historisch begründete Befürchtung,
dass selbstbestimmungsberechtigte Völker sich unter solchen
Bedingungen gerade nicht frei artikulieren können.
"
http://www.spiegel.de/politik/ausland/krim-krise-voelkerrechtler-kres
s-ueber-bruch-des-voelkerrechts-a-961400.html
hier weitere infos
http://derstandard.at/1395363332263/Die-Krim-und-das-Recht-der-Voelke
r-auf-Selbstbestimmung
> Der Vergleich BRD <-> DDR hinkt nur teilweise, denn die Krim war nie
> wirklich Teil der Ukraine:
also die unterscheidung zwischen wirklich und unwirklich gibt es
leider nicht
> 1. Der überragende Großteil der Bevölkerung sind ethnische Russen.
> Damit steht ihnen das Selbstbestimmungsrecht zu.
nein, so einfach ist das nicht, siehe oben. und ohne dass ich die
genauen zahlen habe, sind es soweit ich weiss maximal 60%
> 2. Die (Autonome) Republik Krim erklärte sich 1991 wie die Ukraine
> als unabhängig.
was nicht anerkannt wurde. aber das thema hätte man vor 23 jahren
diskutieren müssen.
> 3. Die Krim hat eine eigene Verfassung, ein eigenes Parlament und
> eine eigene Regierung.
ja richtig, das ist ja der autonomiestatus. was nichts an der
völkerechtlichen betrachtung ändert.
die krim gehört völkerrechtlich zur ukraine, dabei ist es völlig
unerheblich wie weit der autonomiestatus geht. im gegenteil, gerade
der autonomiestatus trägt ja dem selbstbestimmungsrecht rechnung.
> 4. Die Krim wurde nur symbolisch der Ukraine "geschenkt". Faktisch
> blieb sie in der UdSSR eine autonome Republik mit Sonderrechten,
> ähnlich der Ukraine.
es gibt keine rechtliche unterscheidung zwischen symbolischen
änderungen von verwaltungsgrenzen und nicht symbolischen änderungen.
wobei mich sowieso die definition und einstufung da interessieren
würde. ich konnte nämlich dazu nichts finden. lasse mir aber gerne
von dir dazu infos geben.
> 5. Dies war nun das vierte Referendum über die Unabhängigkeit.
ja und? und wenn es das 20. gewesen wäre, was macht das für einen
unterschied
> 6. Nach dem Zerfall der UdSSR hat die Ukraine(!) unter
> Gewaltandrohung die Referenden für ungültig erklärt und ihrerseits
> die Krim annektiert. Darauf erfolgten Verhandlungen zwischen der
> Ukraine, Russland und der Krim. Das Resultat war der Sonderstatus der
> Krim als Autonome Republik Krim. Die Maidanbewegung (insbesondere
> Swoboda) hat keinen Hehl daraus gemacht, dass dieser Sonderstatus zu
> beseitigen galt, inkl. der "Säuberung" von allem Russischen.
auch dies ist völkerechtlich völlig unerheblich. und eine annektion
durch die ukraine kann es nicht gegeben haben, weil das gebiet schon
zur ukraine gehört hat.
> 7. Laut OSZE Janukowitsch wurde demokratisch gewählt. Die meisten
> Wähler kamen aus dem Osten der Ukraine. Auf der Krim erhielt er sogar
> über 80% der Stimmen. Mit dem Maidan-Putsch wurden die Bürgerrechte
> der Krimbewohner und somit ihr Selbstbestimmungsrecht mit Füßen
> getreten.
nö. das kann und hatte noch keinerlei auswirkungen auf die krim. denn
der regierungswechsel war ja gerade 3 tage her, da wurde die krim
faktisch schon besetzt. also war es noch gar nicht möglich dass es
hier zu auswirkungen auf die bevölkerung kam. und nochmals, das
selbstbestimmungsrecht ist völkerechtlich an sehr enge
voraussetzungen gebunden.
und wie wir alle wissen, ist die krim ja immer noch nicht unabhängig.
und das war ja auch nie das ziel. somit greift sowieso nicht das
selbstbestimmungsrecht aus dem völkerrecht
> Was willst du uns also über das Völkerrecht erzählen?!
eine ganze menge. aber das habe ich oben ja schon getan.
> Eben. Das Völkerrecht. Nicht das Nationenrecht. In der UN-Charta gilt
> explizit das Selbstbestimmungsrecht der Völker um den Frieden
> zwischen den Nationen zu wahren!
ja, nur dieses selbstbestimmungsrecht ist an gewisse voraussetzungen
gebunden. übrigens hebelt auch das völkerecht nicht so einfach
nationales recht aus.
"Das Recht zur Selbstbestimmung hat als Prinzip der Uno-Charta seine
Ausformung zuerst in der Dekolonisierung und in der postkolonialen
Staatsgründungswelle erfahren. Es gibt verschiedene Formen von
Selbstbestimmung. Dazu zählen nebst der Eigenstaatlichkeit oder dem
Anschluss an einen anderen Staat innerstaatliche Formen der
Selbstbestimmung wie Minderheitenschutzarrangements oder
Autonomieregelungen als Kompromiss zwischen Selbstbestimmungswunsch
und der Achtung staatlicher territorialer Integrität. Die
internationale Praxis zieht zum Schutz dieser Integrität diese
innerstaatlich wirkenden Spielarten vor. Daher verwirklicht sich nur
in Ausnahmefällen Selbstbestimmung über bestehende Grenzen hinweg.
Auch dann handelt es sich nicht um ein einseitig ausübbares Recht,
sondern um einen international überwachten Prozess, wie das
Konfliktmanagement in Osttimor oder im Südsudan zeigte.
....
Die Präsenz russischer / russisch gesteuerter Truppen, ursprünglich
gedeckt durch ein Stationierungsabkommen, mutiert so zur
militärischen Bedrohung und Besatzung, was das Gewaltverbot der
Uno-Charta, eine Zentralnorm des internationalen Systems, verletzt.
Völkerrechtlich besteht eine Pflicht von Staaten und internationalen
Organisationen, Gebietsveränderungen als Folge der Anwendung oder
Androhung von Gewalt nicht anzuerkennen. Darum wurden die
israelischen Annexionen der Golanhöhen und Ostjerusalems ebenso wenig
akzeptiert wie der Versuch Saddam Husseins, Kuwait zu erobern. "
http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/der-krim-konflikt-und-das-voelke
rrecht-1.18265005
"Das Völkerrecht verbietet die Sezession nicht. Aber es gibt
umgekehrt einer ethnischen Gruppe in einem Vielvölkerstaat auch nicht
die Befugnis, sich von diesem Staat gegen dessen Willen loszulösen.
Übrigens hat das russische Verfassungsgericht erst 1995 im Hinblick
auf den Versuch von Tschetschenien, sich von Russland zu lösen, exakt
dasselbe gesagt. Das Völkerrecht betrachtet einen Sezessionsversuch
eben grundsätzlich als eine innere Angelegenheit des betroffenen
Staates.
...
Darauf kommt es völkerrechtlich nicht an. Das Völkerrecht erkennt
einen Wechsel der territorialen Souveränität nicht an, wenn dieser
mit Hilfe einer auswärtigen Aggression zustande gebracht werden soll.
Dahinter steht übrigens auch die historisch begründete Befürchtung,
dass selbstbestimmungsberechtigte Völker sich unter solchen
Bedingungen gerade nicht frei artikulieren können.
"
http://www.spiegel.de/politik/ausland/krim-krise-voelkerrechtler-kres
s-ueber-bruch-des-voelkerrechts-a-961400.html
hier weitere infos
http://derstandard.at/1395363332263/Die-Krim-und-das-Recht-der-Voelke
r-auf-Selbstbestimmung
> Der Vergleich BRD <-> DDR hinkt nur teilweise, denn die Krim war nie
> wirklich Teil der Ukraine:
also die unterscheidung zwischen wirklich und unwirklich gibt es
leider nicht
> 1. Der überragende Großteil der Bevölkerung sind ethnische Russen.
> Damit steht ihnen das Selbstbestimmungsrecht zu.
nein, so einfach ist das nicht, siehe oben. und ohne dass ich die
genauen zahlen habe, sind es soweit ich weiss maximal 60%
> 2. Die (Autonome) Republik Krim erklärte sich 1991 wie die Ukraine
> als unabhängig.
was nicht anerkannt wurde. aber das thema hätte man vor 23 jahren
diskutieren müssen.
> 3. Die Krim hat eine eigene Verfassung, ein eigenes Parlament und
> eine eigene Regierung.
ja richtig, das ist ja der autonomiestatus. was nichts an der
völkerechtlichen betrachtung ändert.
die krim gehört völkerrechtlich zur ukraine, dabei ist es völlig
unerheblich wie weit der autonomiestatus geht. im gegenteil, gerade
der autonomiestatus trägt ja dem selbstbestimmungsrecht rechnung.
> 4. Die Krim wurde nur symbolisch der Ukraine "geschenkt". Faktisch
> blieb sie in der UdSSR eine autonome Republik mit Sonderrechten,
> ähnlich der Ukraine.
es gibt keine rechtliche unterscheidung zwischen symbolischen
änderungen von verwaltungsgrenzen und nicht symbolischen änderungen.
wobei mich sowieso die definition und einstufung da interessieren
würde. ich konnte nämlich dazu nichts finden. lasse mir aber gerne
von dir dazu infos geben.
> 5. Dies war nun das vierte Referendum über die Unabhängigkeit.
ja und? und wenn es das 20. gewesen wäre, was macht das für einen
unterschied
> 6. Nach dem Zerfall der UdSSR hat die Ukraine(!) unter
> Gewaltandrohung die Referenden für ungültig erklärt und ihrerseits
> die Krim annektiert. Darauf erfolgten Verhandlungen zwischen der
> Ukraine, Russland und der Krim. Das Resultat war der Sonderstatus der
> Krim als Autonome Republik Krim. Die Maidanbewegung (insbesondere
> Swoboda) hat keinen Hehl daraus gemacht, dass dieser Sonderstatus zu
> beseitigen galt, inkl. der "Säuberung" von allem Russischen.
auch dies ist völkerechtlich völlig unerheblich. und eine annektion
durch die ukraine kann es nicht gegeben haben, weil das gebiet schon
zur ukraine gehört hat.
> 7. Laut OSZE Janukowitsch wurde demokratisch gewählt. Die meisten
> Wähler kamen aus dem Osten der Ukraine. Auf der Krim erhielt er sogar
> über 80% der Stimmen. Mit dem Maidan-Putsch wurden die Bürgerrechte
> der Krimbewohner und somit ihr Selbstbestimmungsrecht mit Füßen
> getreten.
nö. das kann und hatte noch keinerlei auswirkungen auf die krim. denn
der regierungswechsel war ja gerade 3 tage her, da wurde die krim
faktisch schon besetzt. also war es noch gar nicht möglich dass es
hier zu auswirkungen auf die bevölkerung kam. und nochmals, das
selbstbestimmungsrecht ist völkerechtlich an sehr enge
voraussetzungen gebunden.
und wie wir alle wissen, ist die krim ja immer noch nicht unabhängig.
und das war ja auch nie das ziel. somit greift sowieso nicht das
selbstbestimmungsrecht aus dem völkerrecht
> Was willst du uns also über das Völkerrecht erzählen?!
eine ganze menge. aber das habe ich oben ja schon getan.