BND-AFFÄREN*Das Pentagon lobt die Unterstützung durch deutsche
Geheimdienstler beim Angriff auf den Irak - cui bono?
Ball paradox: Wenn die Debatte um die BND-Affären so weiter geht,
wird eine engere und offenere Zusammenarbeit Deutschlands mit den
Bush-Kriegern die Folge sein als unter der abgewählten rot-grünen
Bundesregierung. Das Feuer der Kritik konzentriert sich auf den
derzeitigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der als
Geheimdienstkoordinator unter Kanzler Schröder dessen vorsichtige
Absetzbewegung von den USA orchestriert hat, während Angela Merkel
von einem Umfragehoch zum nächsten eilt, obwohl sie den Eintritt
Deutschlands in den Krieg 2003 vehement unterstützte und sich auch
bei ihrem jüngsten Besuch im Weißen Haus "zu Gast bei Freunden"
wähnte. Die medialen Trittbrettfahrer der Anti-Steinmeier-Kampagne
wie die Süddeutsche Zeitung und die taz kolportieren immer neue
Beweise für die Heuchelei der Schröder-Administration während des
Überfalls auf den Irak. Doch im Vorfeld der angesagten Aggression
gegen den Iran plappern sie unkritisch die Hetze gegen die bisher
durchaus mit dem Atomwaffensperrvertrag konforme Nuklearpolitik
Teherans nach. Die Lügen der Vergangenheit auf- und die der Gegenwart
zuzudecken - so viel Heuchelei war selten.
Bleiben wir bei den Fakten: Erwiesen und vom BND auch zugegeben ist
der Umstand, dass zwei BND-Agenten während des Krieges im Frühjahr
2003 in Bagdad blieben. Ebenso eindeutig ist, dass diese Entscheidung
Chefsache war - sie wurde Steinmeier und auch dem damaligen
Außenminister Fischer vorgelegt (der heute wie im
Visa-Untersuchungsausschuss den Unschuldigen mimt). Umstritten ist
allerdings, was die Pullacher Emissäre Volker H. und Reiner M. in der
irakischen Hauptstadt getrieben haben. "Sie haben uns Informationen
für die Zielplanung geliefert", behauptete ein ehemaliger
Pentagon-Mitarbeiter im ARD-Magazin Panorama, selbstverständlich
anonym. BND-Chef Ernst Uhrlau dementiert. Die beiden Agenten hätten
nur so genannte Non-Targets identifiziert - zivile Objekte wie
Schulen und Hospitäler, die nicht hätten bombardiert werden sollen.
Das bisher einzige Beispiel für den Vorwurf: Am 7. April 2003 wurden
die Straßenzüge um das Restaurant Al Saa im Bagdader Stadtteil Mansur
mit Bunkerknackern bombardiert und mindestens zwölf Zivilisten
getötet.
War der Angriff die Folge von Informationen, die von den BND-Agenten
an den Pentagon-Geheimdienst DIA gingen? Uhrlau widerspricht, seine
Leute seien erst nach der Attacke eingetroffen, weil sie einen
Hilferuf der in der Nähe wohnenden Haushälterin der früheren
BND-Residentur erhalten hatten. Diese Version wird gestützt durch die
Darstellung von US-Medien in den Tagen nach der Bombardierung: Die
US-Army habe einen "irakischen Spion, CIA-Offiziere und Kommandos der
Delta Force, die als Iraker verkleidet waren", vor Ort gehabt. Aus
diesem Kreis sei über eine verschlüsselte Leitung in das CIA-Quartier
in Langley auch der Tipp gekommen, Saddam halte sich in der Nähe des
Restaurants auf.
Durchaus möglich ist allerdings, dass zumindest einige im BND nicht
so unschuldig waren und Politik gegen das Kanzleramt gemacht haben.
Ein BND-Mitarbeiter berichtet von einem Gespräch zwischen BND-Leuten
und ihren US-Kollegen: "Sie entschuldigten sich für Schröder und die
Art und Weise, wie die deutsche Regierung sich benommen hat." Die
Geheimdienstler haben demnach laut Süddeutscher Zeitung bei dem
Treffen deutlich gemacht, es gäbe eine klare Trennung zwischen der
Regierung und den Geheimdiensten. "Wir unterstützen den Krieg, wir
unterstützen ihn voll und ganz", sollen sie zu den DIA-Agenten gesagt
haben. Aufschlussreich ist auch, dass Reiner M. für seinen
Bagdad-Einsatz einen Orden bekommen hat - allerdings von der
US-Regierung, nicht von der deutschen. Die versetzte ihn vielmehr
anschließend ans andere Ende der Welt - an die Botschaft in
Australien.
Gibt es bei den deutschen Diensten einen Linienkampf zwischen einer
anglo-amerikanischen und einer alteuropäischen Seilschaft? Da wird
dem Journalisten Bruno Schirra, der sich von den einen für seine
Artikel im Magazin Cicero mit US-Desinformationen über den
Phantom-Terroristen Zarqawi und den Iran füttern ließ, von den
anderen die Wohnung ausgeräumt und mit rechtsstaatlicher Vergeltung
gedroht. Da platziert der eine Flügel des BND einen V-Mann in der
Führungsebene der Kosovo-Untergrundbewegung UÇK - und der andere
beschuldigt diesen als "Vertrauten Bin Ladens" und fertigt Dossiers
über den wachsenden al Qaida-Einfluss bei den vermeintlichen
Freiheitskämpfern an. Und um beim Irakkrieg zu bleiben: Eine Zeitlang
lieferte Pullach an Langley Verhörprotokolle des angeblich irakischen
Überläufers "Curveball" - daraus bastelte der damalige Außenminister
Colin Powell für den UN-Sicherheitsrat seine verlogenen Beweise über
rollende B-Waffenlabors Saddam Husseins. Doch "eine Fraktion" in
Pullach distanzierte sich noch rechtzeitig davon. "Schriftlich teilte
der BND (den US-Amerikanern) mit, dass sich Curveballs Angaben
bislang nicht bestätigt hätten", weiß der Spiegel.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Selbstverständlich hat Schröder
Dreck am Stecken. Entgegen seiner Friedensrhetorik hat er zugelassen,
dass die Bundesrepublik eine wichtige Nachschubbasis für die
Bush-Krieger war - und Transitstation für die Folterflüge. Aber
Vorsicht ist angebracht, wenn jetzt aus unüberprüfbaren US- und
BND-Quellen beinahe im Wochentakt Hinweise gestreut werden, die einen
Politiker delegitimieren sollen, der - im Unterschied zu seiner
Nachfolgerin - wenigstens doppeltes Spiel trieb.
Quelle:
http://www.freitag.de/2006/03/06030902.php
Geheimdienstler beim Angriff auf den Irak - cui bono?
Ball paradox: Wenn die Debatte um die BND-Affären so weiter geht,
wird eine engere und offenere Zusammenarbeit Deutschlands mit den
Bush-Kriegern die Folge sein als unter der abgewählten rot-grünen
Bundesregierung. Das Feuer der Kritik konzentriert sich auf den
derzeitigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der als
Geheimdienstkoordinator unter Kanzler Schröder dessen vorsichtige
Absetzbewegung von den USA orchestriert hat, während Angela Merkel
von einem Umfragehoch zum nächsten eilt, obwohl sie den Eintritt
Deutschlands in den Krieg 2003 vehement unterstützte und sich auch
bei ihrem jüngsten Besuch im Weißen Haus "zu Gast bei Freunden"
wähnte. Die medialen Trittbrettfahrer der Anti-Steinmeier-Kampagne
wie die Süddeutsche Zeitung und die taz kolportieren immer neue
Beweise für die Heuchelei der Schröder-Administration während des
Überfalls auf den Irak. Doch im Vorfeld der angesagten Aggression
gegen den Iran plappern sie unkritisch die Hetze gegen die bisher
durchaus mit dem Atomwaffensperrvertrag konforme Nuklearpolitik
Teherans nach. Die Lügen der Vergangenheit auf- und die der Gegenwart
zuzudecken - so viel Heuchelei war selten.
Bleiben wir bei den Fakten: Erwiesen und vom BND auch zugegeben ist
der Umstand, dass zwei BND-Agenten während des Krieges im Frühjahr
2003 in Bagdad blieben. Ebenso eindeutig ist, dass diese Entscheidung
Chefsache war - sie wurde Steinmeier und auch dem damaligen
Außenminister Fischer vorgelegt (der heute wie im
Visa-Untersuchungsausschuss den Unschuldigen mimt). Umstritten ist
allerdings, was die Pullacher Emissäre Volker H. und Reiner M. in der
irakischen Hauptstadt getrieben haben. "Sie haben uns Informationen
für die Zielplanung geliefert", behauptete ein ehemaliger
Pentagon-Mitarbeiter im ARD-Magazin Panorama, selbstverständlich
anonym. BND-Chef Ernst Uhrlau dementiert. Die beiden Agenten hätten
nur so genannte Non-Targets identifiziert - zivile Objekte wie
Schulen und Hospitäler, die nicht hätten bombardiert werden sollen.
Das bisher einzige Beispiel für den Vorwurf: Am 7. April 2003 wurden
die Straßenzüge um das Restaurant Al Saa im Bagdader Stadtteil Mansur
mit Bunkerknackern bombardiert und mindestens zwölf Zivilisten
getötet.
War der Angriff die Folge von Informationen, die von den BND-Agenten
an den Pentagon-Geheimdienst DIA gingen? Uhrlau widerspricht, seine
Leute seien erst nach der Attacke eingetroffen, weil sie einen
Hilferuf der in der Nähe wohnenden Haushälterin der früheren
BND-Residentur erhalten hatten. Diese Version wird gestützt durch die
Darstellung von US-Medien in den Tagen nach der Bombardierung: Die
US-Army habe einen "irakischen Spion, CIA-Offiziere und Kommandos der
Delta Force, die als Iraker verkleidet waren", vor Ort gehabt. Aus
diesem Kreis sei über eine verschlüsselte Leitung in das CIA-Quartier
in Langley auch der Tipp gekommen, Saddam halte sich in der Nähe des
Restaurants auf.
Durchaus möglich ist allerdings, dass zumindest einige im BND nicht
so unschuldig waren und Politik gegen das Kanzleramt gemacht haben.
Ein BND-Mitarbeiter berichtet von einem Gespräch zwischen BND-Leuten
und ihren US-Kollegen: "Sie entschuldigten sich für Schröder und die
Art und Weise, wie die deutsche Regierung sich benommen hat." Die
Geheimdienstler haben demnach laut Süddeutscher Zeitung bei dem
Treffen deutlich gemacht, es gäbe eine klare Trennung zwischen der
Regierung und den Geheimdiensten. "Wir unterstützen den Krieg, wir
unterstützen ihn voll und ganz", sollen sie zu den DIA-Agenten gesagt
haben. Aufschlussreich ist auch, dass Reiner M. für seinen
Bagdad-Einsatz einen Orden bekommen hat - allerdings von der
US-Regierung, nicht von der deutschen. Die versetzte ihn vielmehr
anschließend ans andere Ende der Welt - an die Botschaft in
Australien.
Gibt es bei den deutschen Diensten einen Linienkampf zwischen einer
anglo-amerikanischen und einer alteuropäischen Seilschaft? Da wird
dem Journalisten Bruno Schirra, der sich von den einen für seine
Artikel im Magazin Cicero mit US-Desinformationen über den
Phantom-Terroristen Zarqawi und den Iran füttern ließ, von den
anderen die Wohnung ausgeräumt und mit rechtsstaatlicher Vergeltung
gedroht. Da platziert der eine Flügel des BND einen V-Mann in der
Führungsebene der Kosovo-Untergrundbewegung UÇK - und der andere
beschuldigt diesen als "Vertrauten Bin Ladens" und fertigt Dossiers
über den wachsenden al Qaida-Einfluss bei den vermeintlichen
Freiheitskämpfern an. Und um beim Irakkrieg zu bleiben: Eine Zeitlang
lieferte Pullach an Langley Verhörprotokolle des angeblich irakischen
Überläufers "Curveball" - daraus bastelte der damalige Außenminister
Colin Powell für den UN-Sicherheitsrat seine verlogenen Beweise über
rollende B-Waffenlabors Saddam Husseins. Doch "eine Fraktion" in
Pullach distanzierte sich noch rechtzeitig davon. "Schriftlich teilte
der BND (den US-Amerikanern) mit, dass sich Curveballs Angaben
bislang nicht bestätigt hätten", weiß der Spiegel.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Selbstverständlich hat Schröder
Dreck am Stecken. Entgegen seiner Friedensrhetorik hat er zugelassen,
dass die Bundesrepublik eine wichtige Nachschubbasis für die
Bush-Krieger war - und Transitstation für die Folterflüge. Aber
Vorsicht ist angebracht, wenn jetzt aus unüberprüfbaren US- und
BND-Quellen beinahe im Wochentakt Hinweise gestreut werden, die einen
Politiker delegitimieren sollen, der - im Unterschied zu seiner
Nachfolgerin - wenigstens doppeltes Spiel trieb.
Quelle:
http://www.freitag.de/2006/03/06030902.php