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  • Adrian_E

mehr als 1000 Beiträge seit 27.11.2016

Botschaftsasyl

Ein großes Problem ist, dass eine Minderheit der Migranten möglicherweise die Bedingungen für Asyl erfüllt, dass aber verlangt wird, dass sie, um ein Asylgesuch in einem Dublin-Staat zu stellen, zuerst in die EU einreisen müssen, was dann zur Folge hat, dass auch viele andere, welche die Bedingungen für Asyl sicher nicht erfüllen, im Wissen darum, dass sie danach oft nicht mehr leicht zurückgeschickt werden können, zusammen mit diesen einreisen, was zu überfüllten Lagern an EU-Außengrenzen führt.

In der Schweiz wurde 2013 das Botschaftsasyl abgeschafft. Das war eine zwiespältige Abstimmung, da gleichzeitig mit der Abschaffung des Botschaftsasyls auch Verbesserungen für Asylsuchende (kostenlose Rechtsberatung) eingeführt wurden, weshalb die meisten Linken dafür waren, auch wenn sie vielleicht für eine Beibehaltung der Möglichkeit des Botschaftsasyls gewesen wären. Die Begründung für die Abschaffung war im Prinzip auch nachvollziehbar: kein anderer Dublin-Staat hatte noch ein Botschaftsasyl, und man sah die Gefahr, dass zu viele Asylgesuche in der Schweiz gestellt werden könnten, wenn in Schweizer Botschaften als einzigen ein Asylgesuch gestellt werden könnte (in den letzten Jahren war die Schweiz nicht mehr unter den Ländern mit den meisten Asylsuchenden im Verhältnis zur Einwohnerzahl, aber davor, als die Zahlen allgemein tiefer waren, war sie oft auf den vorderen Rängen, meistens vor Deutschland und nach Schweden).

Eine Wiedereinführung des Botschaftsasyls, am besten mit einem gemeinsamen Verfahren der Schengen/Dublin-Staaten wäre meines Erachtens sinnvoll, und das Stellen eines Asylgesuches auf einer Botschaft eines Schengen/Dublin-Staates sollte das empfohlene Vorgehen für Personen, die in einem solchen Staat Asyl bekommen wollen, sein. Diejenigen, bei denen die Vorprüfung ergibt, dass sie gute Chancen auf politisches Asyl haben, bekommen eine Einreiseerlaubnis und können legal und sicher nach Europa einreisen, wo dann der Rest des Asylverfahrens durchgeführt wird. Personen, die ohne Einreiseerlaubnis in die EU einreisen würden, um ein Asylgesuch zu stellen, müssten erklären, weshalb sie nicht davor ein Asylgesuch auf einer Botschaft gestellt hatten - in einigen Fällen mag es dafür eine legitime Erklärung geben, aber in den meisten Fällen hätte durchaus erwartet werden können, dass sie eine Botschaft eines Dublin-Staates besuchen, die Entscheidung abwarten, im Fall einer positiven Entscheidung ein Visum bekommen und sonst eben nicht einreisen.

Dann sähe auch die Frage, wie Personen aus Ländern, für welche die Visumspflicht gilt, und welche ohne Visum einreisen, genannt werden sollen, nochmals anders aus. Schon jetzt sind Flüchtlinge - also Personen, welche nach Abschluss des Asylverfahrens den Status von anerkannten Flüchtlingen bekommen werden - ein kleiner Teil dieser Migranten, aber es ist doch ein nicht ganz verschwindend kleiner Anteil. Wenn es für diejenigen, welche die Bedingungen für Asyl erfüllen, die Möglichkeit des Botschaftsasyls gäbe, welche es ihnen ermöglichen würde, die unschönen Zustände in Lagern am Rand der EU zu umgehen, wären unter denjenigen, welche diese Möglichkeit nicht nutzen und ohne vorheriges Asylgesuch in die EU einreisen, wahrscheinlich nur noch sehr wenige Flüchtlinge, es müsste den meisten klar sein, dass der Begriff „Flüchtlinge“ für diese Personen kaum angemessen ist, und die Forderung, dass ihr Aufenthalt komfortabler sein muss (was dann wieder mehr Personen motivieren würde, in die EU zu reisen), würde an politischer Überzeugungskraft verlieren. Aktuell besteht das Problem, dass unter den Migranten ohne Aufenthaltsgrund in der EU eine nicht ganz unbedeutende Minderheit von Flüchtlingen ist, weshalb erwartet werden kann, dass alle bis zum Abschluss des Verfahrens als potenzielle Flüchtlinge behandelt werden. Mit der Einführung des Botschaftsasyls könnte diese Situation geändert werden.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (03.09.2018 08:05).

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