Na, ich denke nicht, dass
"wer schuldig ist, sich schwerer tut"
(Würde ja, ins Extrem gekehrt, folgendes bedeuten:
"Sie stimmen doch zu,oder? Oder haben Sie etwas zu
verbergen?")
Das kann es nicht sein.
Es gibt, soweit mit bekannt, die Möglichkeit, Urteile, die von
Belang für die Allgemeinheit sind, nachzulesen.
Natürlich nicht jedes Urteil, denn auch da gibt es eine
Privatsphäre zu beachten.
Aber doch die jenigen, die auch für Nicht-Beteiligte von Belang
sind (Torben-Urteil sei als Beispiel genannt)
Ich halte es für gefährlich,
die Zustimmung des Beklagten / Angeklagten als "Quasi-Beweis"
für seinen guten Absichten, seinen guten Willen etc. zu sehen.
Probleme sehe ich in der Manipulation -
beispielsweise der Fall Becker, in dem wohl Frau Becker auf die
Öffentlichkeit bestanden hat (soweit ich weiß).
Ob dies für die betroffenen Kinder wirklich das Richtige ist, wage
ich zu bezweifeln, jedoch sichert es Frau Becker zumindest in der
Öffentlichkeit einen "Vertrauens-Vorsprung" nach Art von
"Warum will Boris denn keine Öffentlichkeit? Der will sie
bestimmt übers Ohr hauen."
In einer von (sorry für den Ausdruck) Mediengeilheit und
Voyeurismus (BB) sowie Zynismus (Wer heiratet den Millionär?)
geprägten Umwelt sehe ich in der Öffentlichmachung von
Gerichtsurteilen (im Sinne von Live-Übertragungen) keine
Informationen, sondern lediglich eine Weiterführung von Reality-TV
und Barbara Salesch.
Eine weitere Möglichkeit, sich an Leid, Wut und Tränen
anderer zu laben und sich gemütlich in den Sessel zurück
sinken zu lassen, wenn der Reporter mit betroffenem Blick zurück
nach Köln für eine leider notwendige Werbeunterbrechung
schaltet.
Ich fände es schrecklich zu wissen, dass all jene, die sich heute
noch an Notruf etc. ergötzen, sich dann meine Gerichtsverhandlung
ansehen, zynisch Wetten auf mein Urteil abgeben und dann nachher darauf
anstoßen, dass das Urteil so war, wie sie gehofft haben.
Der Großteil der Bevölkerung ist weder motiviert noch in der
Lage, den Urteilen neutral gegenüber zu stehen - wer in der
letzten Zeit auch Threads zu Kinderschändern, Torben etc. verfolgt
hat, der wird wissen, wie oft die Forderung der Todesstrafe
plötzlich erklang und wie oft Lobotomien etc. erwünscht
waren.
Diesen Menschen auch noch "Futter" zu geben - auf Kosten
nicht nur der Täter (was unter Umständen eben nicht so schwer
wiegt für manche) sondern auch der Opfer und sämtlicher
Beteiligter - ist für mich nicht tragbar.
(Schatz, schau doch mal, wie die arme Frau weint. Ach Gott, das muss ja
schrecklich sein, wenn die eigene Tochter vergewaltigt und getötet
wird...
Abschlachten sollte man das Schwein...
Ja, Schatz - möchtest Du noch ein Bier?)
Ich glaube wohl kaum, dass unsere Richter soooo viel zu verbergen haben
- angesichts der bereits erwähnten Möglichkeit, die Urteile
nachzulesen.
Jedoch - wer will schon lesen?
Für eine von den Fernsehsendern mediengerecht aufbereitete
Übertragung finden sich sicherlich genug Zuschauer - aber die
können wohl auch bei der informativen Zeitung bleiben.
Oder erwartet jemand allen Ernstes von den Sendern etwas Neutrales?
Es wird wahrscheinlich darauf hinauslaufen wie in Sebnitz:
Einen Tag lang Spot auf die gramgebeugte Mutter
"Die arme Frau..." betroffene Blicke...
Den nächsten Tag Spot auf die armen unschuldigen Nazis
"Die armen Menschen, unschuldig vorgeführt..." Spot auf
die Mutter - "Was mag in dieser Frau vorgehen?"
Wäre dann ein Grund mehr, den Fernseher abzuschalten.