OberstMeyer schrieb am 09.10.2021 10:47:
Gleichgültigkeit gegenüber den Produktionsverhältnissen kann bestenfalls stark kurzsichtig, aber auf jeden Fall naiv sein.
Denn sie sind es, die auch die Verteilung der Werte bestimmen, gleichgültig vom Willen des Menschen. Man kann Produktionsverhältnisse nicht wählen, sie entstehen einfach.
Daß aus taktisch langfristigen Interesse des Kapitals Perioden des relativen Wohlstandes für einen Teil der Bevölkerung erwachsen, ist kein Garant der Dauerhaftigkeit. Es ist nicht zu übersehen, dass seit einem gewissen Hoch in den 70ern ein kontinuierlicher Abbau der Realeinkommen auch in den alten Bundesländern zu verzeichnen ist und der Trend geht nach sozialen Repressionen. Da hilft kein Wunschdenken, die Produktionsverhältnisse setzen sich unabhängig davon durch. Das Wohl des Kapitals steht vor allem anderen.
Das sehe ich logischerweise etwas anders. Das Verhalten der Menschen und ihre Kultur sind dafür verantwortlich, wie mit den Produktionsmitteln umgegangen werden. Früher gab es häufig patriarchale Strukturen, bei denen man den Entscheider klar sehen konnte und der hat die Verantwortung gehabt, getragen und es war für alle sichtbar. Wenn er krasse Fehlenscheidungen getroffen hat, dann stand er selbst dafür gerade - oder halt nicht.
Heute ist das "Kapital" etwas, was im Dunkel steht. Man weiss nicht mehr so richtig, wer der Kapitalist nun sein soll. Also sagt man "das Kapital" dazu. Aber trotzdem stehen im Hintergrund Menschen, die entscheiden. Nur sind es jetzt graue Eminenzen.
Ich finde, man sollte die grauen Eminenzen ans Licht ziehen und ihnen die Möglichkeit nehmen, sich hinter irgendwelchen Schlagworten und Nebelkerzen zu verstecken.
Die Geschichte hat gezeigt, dass das sichtbare Übertragen von Verantwortung (Diktatur) nicht (immer) die Lösung ist. Genausowenig ist das vorgebliche Ausdiskutieren die Lösung, auch das kann durch entsprechend clevere Informationssteuerung usw. gelenkt werden.
Heutzutage ist eine der Nebelbomben das Ablenken der Verantwortung von Personen, in dem sich diese hinter Sachbegriffen versteckt.
Unser Hauptproblem heute ist nicht das Kapital oder die Produktionsweise, sondern der Verlust der Rechtsstaatlichkeit und der Gewaltenteilung. Die vorherige Gleichheit vor dem Gesetz ist ersetzt durch eine angebliche Gerechtigkeit vor der Moral. Und damit beliebig auslegbar.